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Weibliche Herrscherinnen im Islam: Devlet Hatun in Luristan (11)


by Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. Devlet Hatun im Iran in der sogenannten Kleinen Region Lur
(Luristan)[1] bei den
Hurshitogullari ist die nächste muslimische Herrscherin türkischer Abstammung, von der die türkische Feministin und Islamgelehrte Bahriye Ücok in ihrem Buch berichtet.  Sie regierte in einer Krisenzeit, in der die Autonomie von Luristan dauernd von den mongolischen Ilkhaniden gefährdet war. Unter diesen schweren Umständen versuchte sie, ihre Macht zu erhalten.
Zwischen
dem 6. und 11. Jahrhundert Higra wurden in der südöstlichen Region dse Iran
zwei Staaten gegründet. Dort lebten die Stämme von Lur. „Die großen Lurlus“,
„die Hezarespis“ oder die „Fazluye“ waren die drei verschiedenen Namen, die man
einigen von ihnen zuschrieb. Der zweite Staat wurde „Fürstentum von
Klein-Luristan“, in anderen Worten der Staat von Beni Hurshit Hurshitogullari,
genannt.
Da
sich unser Thema auf das „Fürstentum von Klein-Luristan“ beschränkt, werden wir
hier nicht über die Region von „Groß-Luristan“ sprechen, die unter den
Safaviden Kuh-Gilu und Bahtiyari genannt wurde.
Die
Herrscher des „Fürstentums von Klein-Luristan“ waren die Nachfolger des Stammes
von Cangrui, zu dem Muhammed Hurshid, der erste Regent der alten Lurlus,
gehörte. Von ihm hat auch der Staat der Hurshitogullari seinen Namen bis zum
16. Jahrhundert (200). Der Name von Klein-Luristan wurde erst nach dem 16. Jahrhundert
dem Staat der Hurshitogullari gegeben. 

Der
Staat der Hurshitogullari, deren Hauptstadt Hurremabad war, wurde um das Jahr
591/1195 gegründet. Bedauerlicherweise kennt man in diesem Staat, der nur vier
Jahrhunderte mit einigen Abbrechungen vorhanden war, die chronologische Abfolge
der Herrscher und die genauen Daten ihrer Reiche nicht.
Nach
Izzuddin Kurshasb, dem dritten Herrscher, hatte Halil die Macht ergriffen; nach
dem Tode dieses letzteren im Jahre 1242 wurde die Herrschaft von Mesud, seinem
Nachfolger, von Seiten des Kalifates in Bagdad nicht anerkannt. Mesud wandte
sich daraufhin an die Mongolen, die ihm ein Heer zur Verfügung stellten. Auf
diese Weise nahm Mesud am Feldzug von Bagdad (1258) teil und erhielt einen
großen Teil der Beute.
Mesud
war infolge der Kämpfe um die Thronfolge zwischen seinen Söhnen Djelaluddin und
Nasiruddin 1260 verstorben; die Mongolen nutzten die Gelegenheit, um sich in
die Angelegenheit einzumischen. Ilkhan Abaka beendete diese Streitigkeiten,
indem er Tadjuddin Shah den Thron übergab. Dieser war väterlicherseits der
erste Cousin der beiden Brüder. Nach Tadjuddin, der über einen Zeitraum von 17
Jahren herrschte, begannen die beiden anderen Söhne des sechsten Herrschers
Mesud, Felekuddin Khasan und Izzuddin Husein, gemeinsam über Klein-Luristan zu
herrschen (1268). Von diesen beiden Brüdern, die zu Beginn die Regionen ihres
Reiches einwandfrei beherrscht hatten, begann Uzzuddin Husein, die Geschäfte
tyrannisch zu handhaben. Daraufhin ließ Keyhatu Djemaluddin 1292 Khidir auf den
Thron und setzte die beiden Brüder mit Hilfe der mongolischen Armee ab.
Später
bestieg der Sohn von Izzuddin Husein, Izzuddin Muhammed, der wegen seiner
Schönheit bekannt war, noch in jungen Jahren den Thron.
Aber
Bedruddin Mesud, der Sohn seines Onkels, war sein Rivale und setzte ihm so
viele Hindernisse auf den Weg, bis er von Oldjaytu sogar die Genehmigung
erhielt, die Region von Dilar zu erobern; aber sehr bald wurde Izzuddin
Muhammed (202) das Recht zugesprochen, die Steuern dieser Region zu erheben.
Izzuddin
Muhammed regierte den so genannten autonomen Staat von Klein-Luristan dank
seiner Unterwerfung und den Diensten an die Mongolen bis zu seinem Tode im
Jahre 716/1316-17 (203). Trotz der spärlichen Informationen, die wir zu diesem
Thema besitzen, sehen wir auf jeden Fall, dass Izzuddin Muhammed keine Söhne
und auch keinen Bruder hatte, der sein Thronfolger werden konnte.
Da
es bei den Mongolen, Türken und den anderen mit ihnen verwandten Völkern keine
Regelung (204) bezüglich der Thronfolge gab, wurde beschlossen, Devlet Hatun,
die Tochter von Shemsuddin, dem Mitglied dieser selben Familie und Ehefrau des
letzten verstorbenen Herrschers, auf den Thron zu setzen (716/1316-7).
Devlet
Hatun, die als 14. Herrscherin der Hurshitogullari den Thron bestiegen hatte,
war nicht in der Lage, ihn über lange Zeit zu behalten (205)[2]. Denn sie
war nicht die Regentin eines autonomen Staates, sondern eines teilweise dem
Imperium der Ilkhaniden untergebenen Staates. Sie konnte daher nicht vermeiden,
dass sich die mongolischen Bashekak in die Angelegenheiten ihres Landes
einmischten. Das Volk hatte die Mongolen satt; 
was Devlet Hatun angeht, so war sie keineswegs eine fähige und gewandte
Frau auf der Höhe der Herrscherin von Kerman, Turkan Hatun oder der türkischen
Herrscherin von Delhi, Raziyye Sultan. Da sie sich auch übermäßig bedeckte, war
sie nicht in der Lage die Geschäfte zu führen (206). Im selben Jahr, als Ebu
Said Bahadir Khan den Thron der Ilkhaniden bestieg, befürchtete Devlet Hatun
den Verlust der Unabhängigkeit von Klein-Luristan mit seinen bedeutenden
Bodenschätzen unter dem Druck der Mongolen und übergab ihrem Bruder ‘Izzuddin
Husein (207) den Thron. Im selben Jahr übernahm ein anderer Zweig der
Hurshitogullari die Macht in Hurremabad nach dem Ereignis der Thronbesteigung
von Izzuddin Husein. Unter der Herrschaft dieses letzen Herrschers, die 14
Jahre lang andauerte, hatte das Volk in Sicherheit und Wohlstand gelebt (208).
Als sein Sohn Shudjauddin II Mahmud, sein Nachfolger, durch seine eigenen Männer
ermordert worden war, wurde sein Enkel Melik III Izzuddin Husein, der damals
erst zwölf Jahre alt war, auf den Thron bestellt. Das Werk Zafername beschreibt detailliert die sehr interessanten Abenteuer
seines Lebens (209).  
Wenn
wir erfahren möchten, was aus Devlet Hatun nach ihrem Verzicht auf den Thron
wurde, so berichtet uns hierzu der noch unbekannte Autor des Tarih-i Iskender, dass diese Yusuf Schah
von Groß-Lurlu zum Ehemann genommen hatte (210). Auch im Tarih-i Guzide, das von Hamdullah Kazvini, einem Zeitgenossen
dieser Ereignisse, verfassst wurde, kann man keine weiteren Informationen über
Devlet Hatun finden. Das ist der Grund, wofür uns das Verhalten von Devlet
Hatun, sei es innerhalb als auch außerhalb des Landes und ihr Schicksal
verhüllt bleiben. Auf jeden Fall hatte die Tatsache, dass sie nach kurzer Zeit
zu Gunsten ihres Bruders auf die oberste Herrschaft, die ihr der Ehemann
übertragen hatte, verzichtet hatte, nicht nur die Kontinuität dieses kleinen
Staates gewährleistet, sondern auch verhindert, dass diese Länder von einer
ausländischen Macht besetzt wurden und hatte ihr auch eine besondere Stellung
in der Geschichte ihres Landes vorbehalten.
Diese
oben angeführte kurze Erläuterung bietet uns ein anderes unter mehreren
Beispielen, um aufzuzeigen, dass das Recht auf die Herrschaft im Islam der Frau
nicht verwehrt wurde. Dies war sogar in Luristan, einem Nachbarland der Araber,
nicht der Fall.
Nach
Emir Izzuddin Husein III., dem Nachfolger von Devlet Hatun und von acht anderen
Herrschern, deren Namen im Stammbaum des vorliegenden Buches angeführt sind,
haben einer nach dem anderen den Thron der Hurshitogullari bis zum Jahre 1596
innegehabt, als die Safawiden, die Klein-Luristan vollkommen erobert hatten,
dem politischen Leben dieser Herrscher ein Ende gesetzt hatten[3].
Der Stammbaum von Devlet Hatun
 


[1] Luristan ist eine gebirgige Region im Südwesten von
Persien. Historiker vertreten die Hypothese, dass die Luren aus dem Kaspischen
Meer in diese Region einwanderten und als Hirtennomaden und Jäger lebten. Um
diese Kultur besser kennenzulernen und ihre Geschichte zu verstehen, vgl.
Demant Mortensen I., Nomads of Luristan.
History, Material Culture, and Pastoralism in Western
Iran
, The Carlsberg
Foundation’s Nomad Research Project, 
Thames and Hudson, London 1993.
Vgl. hierzu auch den Artikel über das Volk der Luren in
der Encyclopedia Britannica,
http://www.britannica.com/EBchecked/topic/351736/Lur, letzter Abruf,
31.07.2013, 20.36 Uhr, in dem auch hervorgehoben wird, wie die Frauen der Luren
im Verhältnis zu den Iranerinnen und Araberinnen viel mehr Freiheit genossen.
Vgl. zu Luristan auch den Reisebericht des Grafen de Bode, der 1840 eine Reise
dorthin unternahm und alles im Detail dokumentierte: C. A. de Bode,  Travels
in Luristan and Arabistan,
Harvard College Library, London 1845, Band 1.
Zum Luristan des 14. Jahrhunderts
vgl. Rashidzada B., I am Timour,World
Conqueror, Autobiography of a 14th Century Central Asian Ruler, 
Dogear, Indianapolis 2008, S. 240-259
über Luristan.
[2] Vgl. hierzu auch: Guida Jackson M.,
Women Rulers throughout the Ages, An
Illustrated Guide,
Abc-Clio, Santa Barbara, Denver, Oxford 1999, S. 197:
“But she proved to be a poor
administrator, „who was not successful in managing the affairs of state“, and
she abdicated after a short period of time in favor of her brother-in-law, ‘Izz
al-Din Hasan”.
[3] Vgl. hierzu: Savory R., Iran under the Safavids, Cambridge University Press, Cambridge 1980.