General

Exkurs zu den Sultaninnen und Islamgelehrten im Aceh des 17. Jahrhunderts:

By Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – In diesem Exkurs möchte ich einen Ausschnitt
aus der Artikelsammlung mit dem Titel Verandah
of Violence: The Background to the Aceh Problem[1],
das 2006 in Singapur
erschien, vorstellen. Das Buch wurde im Rahmen einer Konferenz am 28.-29. Mai
2004 in Singapur zwecks Lösung des politischen Problems von Aceh verfasst. Am
15. August 2005 folgte eine Friedensvereinbarung zwischen den sich bekämpfenden
Faktionen der Region. Es gibt kaum Quellen über die Sultaninnen von Aceh, das
sich im 16. und 17. Jahrhundert als die Veranda von Mekka bezeichnete. Das 17.
Jahrhundert ist gleichzeitig das Zeitalter der Sultaninnen und der Blüte der
islamischen Literatur in der Region. Was diese Region auszeichnet und in der
islamischen Welt einzigartig macht, ist ohne Zweifel die kulturelle und
ethnische Vielfalt.
 

Hierzu heißt es im Sammelband:
With the rise of the Sultanate at
the beginning of the sixteenth century, Aceh developed as a major entrepot
where the continuing major cultural, economic, religious and trading horizons
were essentially westward towards Sri Lanka, India, Burma and the Middle East
and to the northeast, to China”.[2]
Wichtig ist für mich in diesem Exkurs
vor allem, dass es in der muslimischen Geschichte der Macht immer um die
Dialektik zwischen dem Herrschenden und den Ulama geht, wie das Beispiel der
vier Sultaninnen von Aceh klar zeigt. Die weibliche Sultanin wird von den
Gelehrten legitimiert und dann wieder delegitimiert. Das ist das dynamische
Element des Islam, in dem die Frau politische Rechte hat, die ihr aber immer
wieder von den Muslimen aberkannt werden, wie das Beispiel von Singkili klar
zum Ausdruck bringt, der die Sultaninnen unterstützte und dann die Fatwa aus
Mekka, welche die Sultanin als unislamisch zum Rücktritt zwang. Dieselbe
Dialektik zwischen islamischer Anerkennung und muslimischer Aberkennung findet
sich erneut in Shejer ud-Dur. Diese Dialektik bringt aber auch, wie wir im Buch
von Bahriye Üçok auch immer wieder sehen, die Dialektik zwischen dem
arabisch-ethnischen Islam in der Geschichte und den aufstrebenden neuen zum
Islam übergetretenen Kulturkreise, in denen die Frauenrechte sehr stark vertreten
sind, vor allem in Inseln wie den Malediven, den Komoren und Indonesien. Es
handelt sich hierbei um ein großartiges Phänomen, das noch im Detail studiert
werden sollte. 
„Die Witwe von Iskandar
Thani wurde die Nachfolgerin auf dem Thron von Aceh. Mit ihr begann ein
Zeitraum von fast 60 Jahren, in denen das Sultanat von Frau regiert wurde. Die
neue Sultanin, Taj al-‘Alam Safiyat al-Din Shah (1641-75) war die Tochter von
Iskandar Muda. Sie teilte nicht den Drang ihres Vaters nach dem Aufbau des Reiches,
was vielleicht auch das Gemüt ihrer Gesellschaft nach der Katastrophe von Melak
1629 wiederspiegelte. Während der 34 Jahre, in denen sie sich auf dem Thron
befand, schrumpfte der Bereich, der sich unter der Kontrolle von Aceh befand,
bis zu dem Punkt, dass er sich nur noch auf den nördlichen Teil von Sumatra
beschränkte.
Safiyat al-Dins
Nachfolgerin war eine andere, weibliche Herrscherin unbekannter Herkunft. Sri
Sultan Nur al-‘Alam Nakiyat al-Din Shah regierte über einen Zeitraum von nur
drei Jahren. Während ihrer Herrschaft wurden die Bay al-Rahman Moschee und der
Palast des Sultans, die beide von Iskandar Muda erbaut worden waren, durch
einen Brand zerstört.
Auch die nächsten
beiden Herrscher waren Frauen. Sultana ‘Inayat Shah Zakiyat al-Din Shah regierte
von 1678 bis 1688 und Sultana Kamalat Shah von 1688 bis 1699. Im letzten Jahr
wurde Kamalat Shah abgesetzt. Dies geschah infolge einer Fatwa, die von Seiten des damaligen Muftis von Mekka erlassen wurde
und besagte, es sei unislamisch für eine Frau als Sultanin zu herrschen.
Der Verfall von Aceh
war nun definitiv. Er war von einer stufenweisen Erosion der Kontrolle auf der
Ebene der Führung charakterisiert. Die oberste Führung wurde dann in Aceh in
den nächsten 239 Jahren durch „elf belanglose Sultane, inklusive von drei
Arabern (1699-1726), zwei Malaien (beide 1726) und sechs Buis (1727-1838)“
gefüllt. 

Der interne Konflikt: die Herausbildung der islamischen
Identität in Aceh
Das Gesetz in Aceh:
islamisches, angepasstes islamisches und lokales Gesetz
In den ersten drei
Jahren seiner Herrschaft erweiterte und verstärkte Iskandar Muda das
Rechtssystem, das auf der schafiitischen Rechtsschule basierte und den
Herrscher an die Spitze des islamischen Staates stellte. Während des Reiches
von Iskandar Muda gab es vier verschiedene Gerichte: ein Zivilgericht, das sich
in der Bayt al-Rahman Moschee befand; ein Strafgericht; ein religiöses Gericht
mit dem Obersten Richter (Qadi al-Malik
al-‘adil)
des Sultans als Vorsitzenden; und ein Gericht beim Zollhaus, in
dem Streitigkeiten unter ausländischen und inländischen Händlern geschlichtet
wurden. 
Der Hauptrichter
spielte eine vorherrschende Rolle im religiösen Leben des Sultanats von Aceh,
obwohl sich diese Rolle während des siebzehnten Jahrhunderts sehr stark veränderte.
Während des Reiches von Iskandar Muda war der Oberste Richter Shams al-Din
al-Sumatra’i mächtig im religiösen Bereich, aber die politische Macht bliebt
klar in den Händen des Sultans, der auch alle anderen Bereiche, ob nun religiös
oder politisch, kontrollierte. Die dominante religiöse Figur während des
Reiches von Iskandar Thani, Nur al-Din al-Raniri, übte auch einen wesentlichen
Einfluss auf den politischen Bereich aus. Dieselbe Entwicklung wurde dann auch
im ersten Abschnitt der Herrschaft von Safiyat al-Din fortgeführt. Die
Verwischung der Linien zwischen der religiösen und politischen Autorität
erreichte während der Amtszeit von Minangkabau Sayf al-Rijal als Oberstem
Richter von 1644-53 ihren Höhepunkt. Seine Involvierung in eine politische Intrige
führte zu seinem Fall nach einer erfolglosen Verschwörung, um ihn zu
entthronen. Diese stand wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem dauerhaften
internen Streit zwischen den etablierten Sultanen und denen, die sich gegen das
Innehaben des Amtes des Sultans durch eine Frau widersetzten. Die Rolle des
Obersten Richters verwandelte sich seit der Ernennung von Abd al-Rau’uf in den
ersten Jahren der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts in eine wesentlich religiöse,
was zu einer höheren politischen Stabilität führte.
Vergehen und Strafe
Der verfügbare Beweis
für die gesetzlichen Vergehen und die daraus abzuleitende Strafe zeigen eine
gewisse Veränderung zwischen den überlieferten Strafen, die von den religiösen
Autoritäten in Aceh verhängt wurden, und den Vorschriften bezüglich der Strafe
in der schafiitischen Rechtsschule.
In Aceh war der Tod
durch Erdrosselung die standardgemäße Strafe für rechtskräftig verurteilte
Ehebrecher, während das schafiitische Recht als Strafe für Ehebrecher die
Steinigung vorschrieb. Ähnlich galten auch anderen Strafen für Alkoholkonsum im
Unterschied zu den schafiitischen Vorschriften. Sie waren sogar strenger und
schlossen das Abhacken der Hände und das Gießen flüssigen Bleis um die Hälse
derer, die als schuldig befunden wurden, ein. Auch die Strafe für den Dieb
scheint in Aceh viel härter ausgefallen zu sein, als es in der schafiitischen
Rechtslehre der Fall war. 1636 wurden vier königliche Konkubinen am Hof von
Aceh verurteilt, weil sie Silberteller aus dem Palast entwendet hatten.
Auch im Bereich des
Strafrechts findet sich in Aceh, wie wir bereits oben anhand des Strafgesetzes
gesehen haben, eine gemischte Praxis. Schuldner wurden im Fall einer
Nichtzahlung der Schulden verklagt, und auch hier unterschied sich die Praxis
von Aceh von den koranischen Vorschriften.
In gewissen Bereichen
sieht es so aus, als wäre die Praxis in Aceh sehr stark an den islamischen
Vorschriften orientiert, wie z.B. im Bereich der Ehe, Scheidung und Erbschaft.
Es gab auch bestimmte richterliche
Praktiken unter der Führung der Herrscher, die sich an die traditionelle,
lokale Praxis anlehnten und als Hukum
Adat
bekannt waren. Die Verwendung dieses Begriffes unterschied sich von
der Verwendung desselben an anderen Orten der malaysischen und indonesischen
Welt, weil sie nicht von der Gemeinschaft, sondern von Seiten des Herrschers
festgelegt wurden und das islamische Gesetz ergänzten. Einige Vergehen wurden
nach dem islamischen Gesetz beurteilt, während andere nach den Hukum Adat geregelt wurden. Im
dörflichen Bereich neigte man eher dazu, durch einen autochthonen,
ungeschriebenen Adat unter
erheblichem, islamischem Einfluss regiert zu werden…
Der andere große
Reformist des siebzehnten Jahrhunderts war ‘Abd al-Ra’uf b. Ali al-Fansuri
al-Singkili (1615-1693). Er wurde im westlichen Teil von Sumatra in der
Küstenstadt von Singkil geboren. Singkil war ein Vasallenstaat von Aceh. ‘Abd
al-Ra’uf verbrachte seine ersten Jahre mit dem Studium der Islamwissenschaften
während der Zeit der Vorherrschaft des monistischen Sufismus. ‘Abd al-Ra’ufs
Kindheit deckte sich mit den Jahren der großen externen Expansion des
Sultanats.
1642 folgte ‘Abd
al-Ra’uf den Fußstapfen von Hamzah Fansuri, indem er nach Arabien reiste, um
dort zu studieren. Sein Studienprogramm ist in einem Anhang zu seinem Werk
„Umdat al-muhtajjin“ (zu Deutsch: Die
Unterstützung der Bedürftigen
) angeführt. ‘Abd al-Ra’uf listet Lehrer und
andere Gelehrte und Studenten auf, mit denen er in Mekka, Jeddah, Bayt
al-Faqih, Zabid und Medina während seines neunzehnjährigen Aufenthalts in
Arabien Kontakt pflegte, u.a. den berühmten Lehrer Ahmad al-Qushashi
(verstorben 1666) aus Medina, dem geistigen Vater vieler indischer Mystiker aus
dem siebzehnten Jahrhundert und seinen Nachfolger Ibrahim al-Kurani (verstorben
1690). Der letztere genehmigte ‘Abd al-Ra’uf die Errichtung einer Schule des
Sufiordens der Shattariyya in Aceh, von der die Verbreitung des Ordens durch
den gesamten Archipel ausging.
Dieser Anhang
identifiziert die Prioritäten dieser Besuche in Arabien durch die malaiischen  Gelehrten. Die erste Priorität betraf ein
ausgedehntes Studium der Islamwissenschaften, inklusive des Rechts, des Dogmas,
der Überlieferungen des Propheten, der Geschichten, der Koranrezitation, des
Sufismus und anderer Themen. Des Weiteren mussten die Besucher-Gelehrten auch flexibel
sein, da sie sich von einem Ort zum anderen fortbewegen mussten. Außerdem
wurden erkennbare Ergebnisse verlangt; Ibrahim al-Kurani verlieht ‘Abd al-Ra’uf
eine Bescheinigung, mit der er ihm die Genehmigung erteilte, die mystischen
Lehren, die er sich angeeignet hatte, zu verbreiten. Schließlich schlossen sich
die Gelehrten normalerweise verschiedenen Sufiorden an; ‘Abd al-Ra’uf studierte
mit Lehrern, die den Systemen der Shattariyya, Qadiriyya, Habashiyya,
Firdawsiyya, Tunuriyya, Khalwatiyya, Hamadaniyya und dem berühmten
Naqshbandiyya-Orden angehörten.
‘Abd al-Ra’uf kehrte
1661 nach Aceh zurück. Er wurde dann von der Sultanin Safiyat al-Din Shah
(1641-75) damit beauftragt, das Buch Mir’at
al-Tullab
zu verfassen.
Es handelt sich hierbei
um ein 1663 fertiggestelltes Werk über Rechtskunde[3].
Ein weiteres Werk, mit dem ihn Sultana Zakiyat al-Din Shah beauftragte, war ein
Kommentar über die berühmte Hadith-Sammlung von al-Nawawi (verstorben 1277).
Dieses Werk basiert auf den 40 Hadith-Überlieferungen, die sich auf die
Hauptthemen des islamischen Glaubens und der islamischen Praxis beziehen. Abd
al-Ra’ufs Auswahl dieses Werkes als Fokus verleiht Einblick in seine
reformistischen Motive, da er die Stellung der Scharia betont, die über einen
langen Zeitraum der Herrschaft von Hamzah und Shams al-Din vernachlässigt
worden war.
Man kennt wenige
Details über ‘Abd al-Ra’ufs Leben zwischen seiner Rückkehr nach Aceh und seinem
Tod um 1693, außer dass er unter der Schirmherrschaft der darauffolgenden
Sultane sehr viele Schriften verfasste[4].  
„Serambi Mekkah [5] und die
Herausbildung der Identität von Aceh
Nun möchten wir auf den
Begriff Serambi Mekkah zurückkommen,
der als wichtiger Schlüssel dient, um die Selbstwahrnehmungen in Aceh im sechzehnten
und siebzehnten Jahrhundert zu verstehen. Dieser Zeitraum gilt als
ausschlaggebend für die Herausbildung der Identität des Archipels, da Aceh am
Ende des sechzehnten Jahrhundert nur ein Anhängsel in Südostasien war, dessen Selbstbewusstsein
noch nicht entwickelt war.
Die erste Eigenschaft,
auf die man hinweisen sollte, ist das allgegenwärtige Thema des Konflikts und
der Gewalt während des untersuchten Zeitraums in der Form einer Expansion des
Reiches nach Außen und der internen dogmatischen Kämpfe. Es sei auch darauf
hingewiesen, dass die gewaltsame Durchsetzungsfähigkeit einen effizienten
Katalysator für die Herausbildung der Identität darstellt.
Zu Beginn versuchte
Aceh eine Malay-fokussierte, politische Identität herauszubilden, indem man anstrebte,
ein kaiserlicher Herrscher der Staaten auf beiden Seiten der Meerengen von
Melaka zu werden. In diesem Kontext galt das Verständnis des Serambi Mekkah im Wesentlichen als ein
Blick nach Innen mit einer Vision der malaiischen Hegemonie, die den panislamischen
Konzepten übergeordnet ist. Als Aceh aber, vor allen aufgrund der
portugiesischen Bedrohung, Probleme in dieser Beziehung hatte, sah es nach
Westen in Richtung einer „Supermacht“, um von dieser unterstützt zu werden. Wir
haben bereits von den vorherigen Kontakten mit den türkisch-osmanischen Behörden
unter Sultan Alau’d-Din Ri’ayat Shah al-Kahar gesprochen, die Aceh zu einer
wichtigen, materiellen Unterstützung verhalfen. Aceh entsendete ab 1563
verschiedene Anfragen an Suleiman den Großen nach Konstantinopel und bat im
folgenden, panislamischen Ton[6]
um Unterstützung gegen die portugiesische Bedrohung:
„Der Sultan (von Aceh)
teilt mit, dass er den Ungläubigen ausgeliefert ist. Diese haben einige Inseln
beschlagnahmt und Muslime gefangen genommen. Eines Nachts überwältigten (die
Portugiesen) Schiffe von Händlern und Pilgern, die sich von diesen Inseln in
Richtung Mekka begeben hatten. Die nicht eingenommenen Schiffe wurden in Brand
gesteckt und dann versunken, wobei zahlreiche Muslime ertranken.“
Ein weiterer Beweis für
das aufkommende Verständnis der panislamischen Autorität, welche über dem pan-malaysischen
Gefühl stand, findet sich in der entwickelten Wahrung der endgültigen
Autorität, die nicht mit dem Volk von Aceh, sondern mit dem wichtigen Volk im
muslimischen, zentralen Land in Verbindung steht. So wurde z.B. die vierte der
weiblichen Sultaninnen von Aceh, Kamalt Shah, abgesetzt. Dies erfolgte infolge
einer Fatwa des Muftis in Mekka, welcher die Absetzung damit begründete, die
Herrschaft wäre für eine Frau unislamisch[7].
Diese Tendenz in
Richtung einer westlich orientierten Identität ist auch offensichtlich, wenn
wir die religiösen Angelegenheiten untersuchen[8].
…“
Vor der Absetzung der
Sultanin hatten die beiden Gelehrten ar-Raniri und al-Singkil aber für die
weibliche Herrschaft plädiert und diese aufgrund der moralischen Tugenden der
Herrscherinnen auch gerechtfertigt. Ich halte diese beiden Ulama für wahre
Vorreiter, wenn sie im 17. Jahrhundert schon behaupten, dass das Geschlecht
nicht relevant für die Herrschaft ist, da es auf die Tugenden des Herrschers
bzw. der Herrscherin ankommt. “To al-Singkil, a
female could be regarded as a leader of an Islamic community and be accepted as
God’s khalifah (deputy) in
implementing God’s laws and the community should offer its loyalty in return.
In his Mirat-al-Tullab, commissioned
by Sultanah Safiatuddin and completed in 1663, he wrote that this kitab was in honour of her and professed
his loyalty to her[9]”.




[1] Vgl. hierzu: Verandah of Violence: The Background to the Aceh Problem, herausgegeben
von Anthony Reid, NUS Press, Singapur 2006, Kapitel 3 und 4. Aus diesem Buch
übersetze ich in diesem Exkurs Teile aus Kapitel 3 über die Sultaninnen und die
Entwicklung der islamischen Gelehrtenkreise im Laufe des 17. Jahrhunderts (S. 41-51). 
[2] Verandah of
Violence: The Background to the Aceh Problem
, herausgegeben von Anthony Reid,
NUS Press, Singapur 2006, S. 33.
[3] Wie Azyumardi Azra schreibt (vgl.
hierzu: Azyumardi A., Islam in the
Indonesian World: An Account of Institutional Formation,
Mizan Pustaka
Verlag, Bandung 2006, S. 137), gilt Singkili als die Brücke zwischen der
islamischen Welt der indonesischen Sultaninnen und der arabisch-islamischen
Welt. “It is during
the time of al-Singkili one of most intense relationships between the two
worlds of Islam occurred”.
[4]
Man sieht, wie al-Singkili trotz seiner Orientierung an der Scharia die
weiblichen Sultaninnen akzeptierte und auch für sie islamische Werke verfasste.
Er hatte in seinen Werken auch versucht, ein Gleichgewicht zwischen Sufismus
und islamischem Gesetz herzustellen. Die weitere Entwicklung der Scharia führte
aber im Sultanat zu einer Verschiebung in Richtung des arabisch-islamischen
Ansatzes bis hin zum Verbot der traditionellen weiblichen Herrschaft auf Aceh.
Vgl. hierzu:  Azyumardi A., Islam in the Indonesian World: An Account of
Institutional Formation,
Mizan Pustaka Verlag, Bandung 2006, S. 139. Der
Sufismus zeigte sich auf jeden Fall immer offen gegenüber den Frauen. Vgl. hierzu den Kommentar von Peter G. Riddell in
Riddell P. G., Islam and the
Malay-Indonesian World: Transmission and Responses,
Hurst & Co., London
2001, S. 78: “Many women chose the Sufi path because of its relatively liberal
approach to female participation”.
[5] Vgl. hierzu: Nach den Wellen der Zerstörung, Wiederaufbau und Autonomie – Aceh nach
dem Tsunami,
herausgegeben von Klaus Fritsche und Klaus Schreiner, Asienhaus,
Asienstiftung, Focus Asien Nr. 21, Essen September 2005, S. 10: „Aufgrund
seiner geographischen Lage am Nordeingang zur Straße von Malaka ist Aceh eines
der am frühesten islamisierten Gebiete Südostasiens; archäologische Funde, die
die Anwesenheit und den Einfluss des Islam belegen, weisen bis ins 13. Jh. v.
Chr. zurück. Die Aceher selbst nennen ihr Land deshalb auch gerne „serambi
Mekkah“, die Veranda Mekkas“.
[6] Die Osmanen unterstützten Aceh 1563
durch eine eher unkoordinierte Expedition. Dafür gab es nach H. M. Federspiel
zwei Gründe: einerseits der Aufstand im Jemen, für den die Osmanen Schiffe
brauchten, die sich gleich von Aceh zurück nach Arabien begeben mussten und
andererseits die fehlende Hilfe der indischen Muslime, die auf die Anfrage der
Osmanen nicht  reagierten und keine
Männer mit nach Aceh schickten. Vgl. hierzu: Federspiel H. M., Sultans, Shamans, and Saints: Islam and Muslims in Southeast Asia, University
of Hawai’i Press, Hawai 2007, S. 25.
[7] Es gibt aber nach Jean Gelman Taylor,
dessen These ich absolut interessant finde, auch wirtschaftliche Gründe für die
Absetzung dieser letzte Sultanin und somit der Unterbrechung der weiblichen
Herrschaft im Lande, das hauptsächlich vom Pfeffer lebte. Dorfhäuptlinge und
militärische Führer nutzten die traditionellen Islam der arabischen Halbinsel,
der von vielen Gelehrten ins Land gebracht wurde, um die Frauen aus der Macht
zu verdrängen und somit ihre Verbündeten auf den Thron des Sultanats zu
bringen. Im heutigen Wirtschaftsjargon würde man wahrscheinlich von den Aceher
Pfefferlobbies sprechen, die bis in Zentrum der Macht vordrangen. Vgl. hierzu: Taylor J.G., Indonesia: Peoples and Histories, Yale
University Press, New Haven & London 2003, S. 212-214. Vgl. S. 213: “The interval between the death of one queen and
designation of her successor was a period for attacks on the capital.
Opposition was phrased in Islamic
terms”. Hierzu heißt es bei Guida Jackson M., Women Rulers throughout the Ages, An Illustrated Guide, Abc-Clio,
Santa Barbara, Denver, Oxford 1999, S. 175:
“The fact that the political enemies
of these four sultanas had brought a fatwa from Mecca forbidding by law that a
woman rule suggests that each woman wielded considerable power and was popular
with her subjects”.
[8] Aceh ist für mich das beste Beispiel
für die kontinuierliche Bewegung des islamischen Denkens in Richtung der Frauen
und dann wieder in Richtung der Einschränkung ihrer politischen Freiheit, wie
wir mit der Absetzung der vierten, nachfolgenden Sultanin durch eine Fatwa aus
Mekka gesehen haben. Ich finde, dass uns das Beispiel von Aceh sehr gut zeigen
kann, wie wir heute politisch als Frauen im Islam tätig sein sollen. Hierzu sagt mir der Ansatz von
Howard M. Federspiel zu, der behauptet: Vgl. hierzu Federspiel H. M.,
Sultans,
Shamans, and Saints: Islam and Muslims in Southern Asia,
S. 1: “It is not enough to simply identify
and analyse Islamic tradition in its historical form, as some sort of static
body of knowledge. Islamic tradition, rather, forms a continuous stream of
consciousness, which has been evolving over the centuries, and which continues
to evolve in the present”.
Und unter diesem Bewusstsein, das sich in Form eines konstanten,
historischen Flusses äußert, verstehe ich im Rahmen meiner Schrift das
weibliche Bewusstsein in Hinsicht auf die politische Arbeit im Islam.
[9] Vgl. hierzu: Aceh, History, Politics and Culture, herausgegeben von Arndt Graf,
Susanne Schröter und Edwin Wieringa, ISEAS, Singapur 2009, S. 15.
[10] Über Kudsia Begam finden sich einige
Informationen im online Digital South Asia Library in Chicago:   http://dsal.uchicago.edu/reference/gazetteer/results.html,
letzter Abruf 26.05.2013, 21.02 Uhr. Die Quelle ist hierbei das kolossale
historische Werk Imperial
Gazetteer of India.
Im Band 8, S. 133 geht es den
erfolglosen Versuch von Jahangir, Kudsia zu stürzen. Zu ihren Ehren wurde auch
eine wundervolle Moschee aus farbigen Steinen gebaut. Über Kudsiye Begum findet
sich auch ein Kapitel in Glover L.
, Famous
Women Rulers of the East,
Hutchinson Verlag, London 1928, S. 57-63. Kudsia
Begam wurde 1801 geboren und verstarb 1881, nachdem sie nach 18 Jahren
Herrschaft zu Gunsten ihres Schwiegersohnes Nawab Jahangir Muhammad Khan
abgedankt hatte. Über ihre
Persönlichkeit schreibt Lady Glover, vgl. S. 61: “Kudsia Begam seems to have
been a woman of strong personality, and worthy of the greatest honour and
respect. She ruled well in very troublous times”.
[11] Auch über Iskender Begam finden sich
Informationen im online Digital South Asia Library in Chicago
:
http://dsal.uchicago.edu/reference/gazetteer/pager.html?objectid=DS405.1.I34_V08_137.gif,
letzter Ab-ruf 26.05.2013, 21.15 Uhr. Sikandar Begam wurde 1847 zur
Herrscherin, nachdem ihr Onkel abgedankt hatte. Sie war eine effiziente
Herrscherin und reformierte den Staat. Sie herrschte, bis ihre Tochter Shah
Dijhan volljährig wurde, da der Schwiegersohn nicht aus einer Herrscherfamilie
stammte. Die Tochter verzichtete zu Lebzeiten der Mutter freiwillig auf den
Thron. Als Sikandar 1868 verstarb, wurde Shah Dijhan zur Nachfolgerin erklärt.
Lady Glover vergleicht diese bedeutende weibliche Herrscherin sogar mit Akbar
und spricht ihr dieselbe historische Bedeutung zu, vgl. hierzu: Glover L., Famous Women Rulers of the East, Hutchinson
Verlag, London 1928, S. 65 und berichtet dann auch von ihren bedeutenden
Reformen. Nawab Sikandar Begum von Bhopal schrieb auch einen autobiografischen
Bericht über ihre Pilgerfahrt nach Mekka im Jahre 1863. Vgl. hierzu: Nwab
Sikandar Begum of Bhopal, Nawab Sikandar
Begum’s Pilgrimage to Mecca,
Indiana University Press, Bloomington 2008.
[12] Auch über Shah Dijhan Begam finden
sich Informationen im online Digital South Asia Library in Chicago: http://dsal.uchicago.edu/reference/gazetteer/pager.html?objectid=DS405.1.I34_V08_137.gif,
letzter Abruf 26.05.2013, 21.19 Uhr. Wie ihre Mutter war auch die neue
Herrscherin eine sehr gute Verwalterin der Staatssache. Sie verstarb 1901. Vgl. hierzu:
Glover L., Famous Women Rulers of the
East,
Hutchinson Verlag, London 1928, S. 74-85.
[13] Auch über Dijhan Begam finden sich
Informationen im online Digital South Asia Library in Chicago:
http://dsal.uchicago.edu/reference/gazetteer/pager.html?objectid=DS405.1.I34_V08_137.gif,
letzter Ab-ruf 26.05.2013, 21.22 Uhr. Sie regierte mit der Unterstützung durch
ihren ältesten Sohnes Nawab Muhammed Nasrullah Khan. Die Fürstinnen waren alle
vier sehr präsent und auch in der Architektur und Erziehung sehr aktiv. Sehr
wichtig ist die islamische Beschaffenheit dieses Staates, der die weiblichen
Führerinnen anerkannte, die sich auch um den Aufbau des Rechtsapparates im
Sinne des Islam kümmerten. Vgl. hierzu:
http://dsal.uchicago.edu/reference/gazetteer/pager.html?objectid=DS405.1.I34_V08_145.gif,
letzter Ab-ruf 26.05.2013, 21.33 Uhr. Hier heißt es: “All matters of a religious nature
and civil cases requiring the issue of a fatwa
or opinion on a point of Muhammadan law, are referred to the State Kazi, from him to the Mufti, and in case of a difference of
opinion between the kazi and mufti are finally disposed of by the Majlis-i—Ulama.
Somit handelt es sich bei diesen vier Sultaninnen ganz
klar um eine von der islamischen Gelehrten- und Richterklasse, sowie vom Mufti, anerkannte staatliche Herrschaft.
Gleichzeitig unterwarfen sich die Sultaninnen dem islamischen Gesetz und
griffen auf die Ulama zurück, wenn es Rechtsfragen zu klären gab. Diese
positive Dialektik zwischen der weiblichen Macht und der Gelehrtenklasse findet
sich auch in Aceh, wie das Beispiel von Singkili klar zeigt. Abd al-Rauf
al-Fansuri al-Singkil (1615-1693) gilt als der Rechtsgelehrte, der am Hof
unterrichtete und auch die weibliche Herrschaft islamisch untermauerte. Er galt
als der Islamgelehrte des 17.
Jahrhunderts in Nord-Sumatra, übersetzte den Koran und die Koraninterpretation
(Tafsir) von Sujuti Al-Jalalayn ins
Malay. Er hatte von 1641-1660 bei Ahmad al-Washahi und Ibrahim al-Kurani in
Arabien Arabisch studiert und war ein Sufi des Shattariyya-Ordens. Vgl. hierzu: Glover L., Famous Women Rulers of the East, Hutchinson
Verlag, London 1928, S. 86-99.    
[14] Der muslimische Pathane Dost Muhammad Khan gelangte zu Beginn des 18. Jahrhunderts
in diese Region und baute seine Macht aus. 1717 ernannte ihn der Großmogul Farrukh Siyar zum Statthalter. Nach der Niederlage
der Streitkräfte des Großmoguls Muhammad Shah (1720–48) unter Nizam al-Mulk 1738 und der Eroberung Delhis durch Nadir Shah 1739 wurde Bhopal unter Yar Muhammad Khan (1728–42), einem Sohn von Dost Muhammad Khan, ein faktisch
unabhängiges Fürstentum. Zwischen 1819 bis 1926 herrschte hier eine Reihe von
Frauen, Begumen genannt. Vgl. hierzu: Dictionary.com. Collins English Dictionary-Complete & Unabridged, 10th
Edition.
Harper Collins
Publishers, vgl. hierzu den folgenden Link: http://dictionary.reference.com/browse/begum
(letzter Abruf, 26.05.2013, 20.41 Uhr), in dem der Begriff mit Fürstin oder
Prinzessin oder mit einer Witwe hohen Ranges in der muslimischen Gesellschaft
übersetzt wird. Der Begriff stammt aus dem Urdu-Wort begam (1625), das auf den türkischen Begriff bey zurückgreift. Die erste Begum übernahm die Herrschaft nach der
Ermordung ihres Mannes Nawab Nazar Muhammad Khan. Während der Herrschaft der
Begums wurde Bhopal zu einem religiös toleranten Reich, das auch Hindus
erlaubte, höhere Aufgaben in der Verwaltung zu übernehmen, was an die
Herrschaft von Akbar bei den Großmogul erinnert, der auch mit einer
hinduistischen Prinzessin verheiratet war. Diese Herrscherinnen begründeten die
Tradition muslimischer Herrscherinnen in Indien. Es ist interessant
festzustellen, wie gerade der Islam, der immer als so frauenfeindlich angesehen
wird, diesen Anstoß zu einer neuen politischen Realität des Weiblichen gab.
Eine detaillierte historische Erörterung findet sich in: Mittal K., History of Bhopal State, Munshiram
Manoharlal Verlag, New Delhi 1990. Hier geht es um die Geschichte des
Fürstentums nach 1901, als die letzte Begum Dijhan bis 1926 herrschte.