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Todeszone durch Europa


André Scheer

Andre Wokittel

Rassistische Hetze, Stacheldraht und Grenzzäune gegen Menschen: EU-Politik provoziert dramatische Zustände
Französischer Soldat am Sperrzaun in der Nähe des Eurotunnels be
Französischer Soldat am Sperrzaun in der Nähe des Eurotunnels bei Calais
Foto: Stringer/Reuters

Würde heute in Frankreich ein neues Staatsoberhaupt gewählt, hätte
Marine Le Pen mit ihren Neofaschisten gute Chancen, die Abstimmung zu
gewinnen. Umfragen sehen sie mit um die 30 Prozent auf dem ersten oder
zweiten Platz, ein Sieg in der Stichwahl scheint nicht mehr
ausgeschlossen. Auch in Schweden nimmt der Einfluss der Rassisten weiter
zu. Die »Schwedenpartei« wurde in einer am Donnerstag von der
Tageszeitung Metro veröffentlichten Umfrage erstmals stärkste Kraft.

Die »demokratischen« Politiker reagieren auf die Gefahr von rechts
einmal mehr mit der Übernahme neofaschistischer und rassistischer
Parolen. So erklärte der Sprecher des slowakischen Innenministeriums,
Ivan Metik, im Gespräch mit der britischen BBC, Bratislava
werde in den kommenden Jahren nur Christen aufnehmen, muslimische
Migranten würden nicht akzeptiert. Ähnliche Töne kommen aus Lettland,
Estland und Polen. Der ungarische Staatspräsident János Áder bezeichnete
durch sein Land reisende Flüchtlinge als »Belagerer« und sprach von
einer neuen »Völkerwanderung«. Diese Formulierung wählte auch
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, um gegen »massenhaften
Asylmissbrauch« zu hetzen.

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Auf dem Weg von Griechenland nach Mazedonien.Photos Dalton Bennett /AP
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In Calais unterzeichneten der
französische Innenminister Bernard Cazeneuve und seine britische
Amtskollegin Theresa May am Donnerstag ein Abkommen, um die Grenze
zwischen beiden Ländern noch mehr abzuschotten. Ein gemeinsames
Kommando- und Kontrollzentrum soll die Jagd auf Flüchtlinge
koordinieren, die versuchen, durch den Eurotunnel auf die Insel zu
kommen. Schon jetzt sollen hohe Zäune und Stacheldraht sowie
schwerbewaffnete Polizisten die Menschen abschrecken. Mazedonien
verhängte am Donnerstag den Ausnahmezustand über zwei Regionen. 4.000 im
Grenzgebiet zwischen dem Balkanstaat und Griechenland festsitzende
Menschen blockierten die Bahnstrecke von Thessaloniki nach Skopje.
Ungarn errichtet einen 175 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu
Serbien.
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Dort herrschen bereits jetzt
menschenunwürdige Zustände. Seit rund drei Monaten dient der Platz vor
dem Hauptbahnhof von Belgrad als notdürftiges Lager von Menschen aus
Syrien, Afghanistan und dem Irak. Einige der Familien haben Zelte
gespendet bekommen, andere campieren unter freiem Himmel oder in einem
Parkhaus. Ihre Kinder und Babys können sie nur schlecht und recht mit
Nahrung versorgen.

Am Mittwoch besuchte Serbiens Premierminister Aleksandar Vucic den
Platz. Rechtzeitig wurden die Grünanlagen gereinigt, um sie vom Gestank
zu befreien. Vor der europäischen Presse versprach Vucic Besserung. Nur
Stunden später setzte starker Regen ein. Die rund 2.000 Menschen,
unter ihnen Kinder und alte Leute, retteten sich in den nahen Bahnhof
und in ein Parkhaus und versuchten, unter einer Überdachung ihre
Kleidung zu trocken. Auch am Donnerstag war die Lage kaum besser. Die
Zahl der Toilettenkabinen ist verdoppelt worden, es wird öfter
gereinigt. Aber feste Sanitäranlagen, ärztliche Hilfe oder Verpflegung
gibt es weiter nicht für die Menschen.

So zieht sich ein Todesstreifen mitten durch Europa. Zugleich
versuchen die EU-Staaten weiter, die vor Krieg und Elend fliehenden
Menschen an den Außengrenzen auszusperren. Noch immer sterben
Flüchtlinge bei der Fahrt über das Mittelmeer oder an den Sperranlagen
um Ceuta und Melilla, die spanischen Exklaven in Nordafrika. Die Festung
Europa tötet.

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Melilla
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