General

Alle Israelis sind mitschuldig am Brandanschlag auf die palästinensische Familie


Gideon Levy جدعون ليفي גדעון לוי


Übersetzt von 
Ellen Rohlfs اِلِن رُلفس



Herausgegeben von 
Milena Rampoldi


Es
kann einfach nicht sein, dass man dem Brigadekommandanten zujubelt, der
 einen palästinensischen Teenager erschießt und dann schockiert ist,
wenn Siedler einen Brandanschlag auf ein bewohntes Haus verüben.

 http://tlaxcala-int.org/upload/gal_11153.jpg
Palästinenser tragen den Leichnam von Ali Dawabsheh während seines Begräbnisses in Duma, am Freitag, den 31. Juli 2015. Foto AP
Israelis gehen mit Messern gegen Schwule vor und verbrennen Kinder.
In dieser trockenen Beschreibung finden sich kein Deut von Verleumdung
und nicht die geringste Übertreibung. Es stimmt zwar, dass es sich um
wenige Extremisten handelt. Aber deren Zahl nimmt zu. Denn es trifft zu,
dass jeder einzelne von ihnen – all die Mörder, jeder, der
Brandanschläge verübt, mit Messern angreift oder Bäume ausreißt – zum
selben politischen Lager gehört. Und selbst das Gegenlager ist
mitschuldig.
All jene, die dachten, es wäre möglich, Inseln des Liberalismus im
Meer des israelischen Faschismus aufrecht zu erhalten, wurde an diesem
Wochenende eines Besseren belehrt. Es ist einfach nicht möglich, einem
Brigadekommandanten, der einen Teenager erschießt, zuzujubeln und dann
über Siedler geschockt zu sein, die einen Brandanschlag auf eine Familie
verüben; die Rechte der Schwulen zu unterstützen und dafür eine
Gründungskonferenz in Ariel zu halten. Das Böse kennt keine Grenzen; es
beginnt an einer Stelle und verbreitet sich schnell in alle Richtungen.
Der erste Nährboden für jene, die einen Brandanschlag auf eine
Familie verüben, war die israelische Verteidigungsarmee, auch wenn die
Täter nicht in ihr gedient haben. Wenn das Töten von 500 Kindern im
Gazastreifen legitimiert wird und keine Debatte oder moralische
Abrechnung auslöst- was ist dann so schrecklich daran, ein Haus samt
seinen Bewohnern in Brand zu stecken? Wo liegt schließlich der
Unterschied zwischen dem Werfen einer Brandbombe und dem Abwerfen einer
Bombe? Denn die Absicht ist absolut dieselbe.
Wenn Palästinenser täglich erschossen werden (zwei wurden schon
getötet, seit die Familie dem Brandanschlag erlag: einer im
Westjordanland und der andere an der Grenze zum Gazastreifen), wer sind
wir dann, um uns über die Brandstifter in Duma zu beschweren? Wenn die
Armee offiziell den Palästinensern das Leben nehmen darf, so ist ihr
Blut in den Augen der israelischen Gesellschaft billig und die
Siedlermilizen dürfen sie auch töten. Wenn es nach der IDF-Ethik im
Gazastreifen erlaubt ist, alles zu tun, um einen einzigen Soldaten zu
retten, wer sind wir dann, dass wir uns über Baruch Marzel vom rechten
Flügel beschweren, der mir an diesem Wochenende sagte, es wäre zulässig,
Tausende von Palästinensern zu töten, um ein einziges Haar auf dem Kopf
eines Juden zu retten? Dies ist die Atmosphäre, und dies ist die Folge.
Die ursprüngliche Verantwortung liegt bei der IDF.
Nicht weniger anzuklagen sind natürlich die Regierungen und
Politiker, die miteinander darüber konkurrieren, wer sich am meisten bei
den Siedlern einschmeichelt. Wer auch immer ihnen für ihre Gewalt in
der Siedlung Beit El 300 neue Wohneinheiten gibt, sagt ihnen nicht nur,
dass Gewalt erlaubt ist, sondern dass sie sich auch bezahlt macht. Es
ist schon schwierig, eine Linie zwischen dem Werfen von Plastiktüten
voller Urin gegen Polizisten und dem Brandanschlag in Wohnungen zu
ziehen.
Natürlich sind auch die Behörden mitschuldig, die das Gesetz
anwenden, angefangen von der Bezirkspolizei von Judäa und Samaria, nicht
zufällig der lächerlichste und skandalöseste aller Polizeibezirke.
B’tselem zufolge wurde auf neun palästinensische Wohnungen in den
letzten drei Jahren ein Brandanschlag verübt. Und niemand wurde
strafrechtlich verfolgt. Was geschah also am Freitag in Duma? Das Feuer
war in den Augen der Brandstifter und ihrer Lakaien einfach besser.
Und ihre Lakaien schließen auch die ein, die schweigen und vergeben
und jene, die denken, das Übel würde das Westjordanland nicht
verlassen. Ihre Lakaien schließen auch die Israelis ein, die davon
überzeugt sind, dass das Volk Israel das „auserwählte Volk“ sei und ihm
deshalb alles erlaubt sei, auch Brandanschläge auf Wohnungen von
Nicht-Juden mit ihren Bewohnern auszuführen.
Viele von denen, die über diesen Akt schockiert waren,
einschließlich derjenigen, die die Opfer im Sheba Medical-Center,
außerhalb Tel Aviv besuchten – der Präsident, der Ministerpräsident, der
Oppositionsführer und ihre Mitarbeiter haben mit der Muttermilch das
rassistische, ärgerliche Prinzip „Du hast uns von allen Völkern
ausgewählt“ eingesaugt.
Am Ende eines schrecklichen Tages ist es dies, das uns zum
Verbrennen von Familien führt, die Gott nicht ausgewählt hat. Kein
Prinzip ist in der israelischen Gesellschaft zerstörerischer oder
gefährlicher als dieses Prinzip, das leider auch das am meisten
verbreitete ist. Falls man näher untersucht, was unter der Haut der
meisten Israelis steckt, würde man „das auserwählte Volk“ finden. Wenn
dies ein Grundprinzip ist, dann wird der nächste Brandanschlag nur eine
Frau der Zeit sein.
Ihre Lakaien sind überall und die meisten drücken ihre
Betroffenheit über das Ereignis aus. Aber was geschah, war von den
Belangen der Realität diktiert, der Realität Israels und seines
Wertesystem. Was geschah, wird wieder geschehen, und keiner wird
verschont bleiben. Wir alle haben die Dawabsheh-Familie verbrannt.
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hierzu an info@promosaik.com
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.