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Das Corona-Labyrinth

von Magda van Garrel, Nachdenkseiten, 2. Februar 2021. Mittlerweile haben die täglichen Corona-Schreckensmeldungen einerseits und die in die Länge gezogenen und dabei immer rigoroser werdenden Einschränkungen andererseits ein solches Ausmaß erreicht, dass man am liebsten gar nichts mehr davon hören, sehen oder lesen möchte. Doch sobald wir tatsächlich den Kopf in den Sand stecken, ist erst recht keine (“von oben” kommende) Besserung zu erwarten. Da ist es schon klüger, wenn wir trotz aller Verdrossenheit selbst noch einmal gründlich über das Geschehene nachdenken und die daraus abzuleitenden Fragen und Forderungen zur Diskussion stellen.

Maßnahmen-Wirrwarr
Die Liste der Ungereimtheiten ließe sich noch in vielerlei Hinsicht fortsetzen (Schule, Arbeitsplätze, Kultur, Reisen/Verkehr, Impfrisiken, Überbrückungshilfen etc.), aber an dieser Stelle soll nur noch auf den neuesten “Coup” etwas näher eingegangen werden: Gemeint ist die Pflicht zum Tragen medizinischer oder FFP2-Masken, wobei letztere wegen des hohen Atemwiderstands leicht Beklemmungsgefühle auslösen können und damit der mehrheitlich bislang nur theoretisch empfundenen Angst vor einem Erstickungstod einen ganz praktisch erfahrbaren Vorschub leisten. Da liegt die Vermutung nahe, dass es bei dieser neuen Maßnahme darum geht, die inzwischen immer unwilliger werdende Bevölkerung durch (eine weitere) Erhöhung des Angstpegels bei der Stange zu halten. Dass mit dem “Maskentausch” indirekt auch die Sinnlosigkeit des monatelangen Tragens von “Alltagsmasken” zugegeben wird, sei nur noch am Rande erwähnt.

  • Warum hat die Regierung die stets gleichen Experten zu Rate gezogen?
  • Warum wird die Veröffentlichung mahnender Stimmen weitgehend unterdrückt?
  • Warum sind die Parlamente immer nur partiell und im Nachgang einbezogen worden?
  • Warum wird auf die Angabe prozentualer Zahlen verzichtet und warum werden wir statt dessen mit wenig aussagekräftigen absoluten Zahlen konfrontiert?
  • Warum wird der Verwendung diffuser und damit leicht missverständlicher Begriffe nicht entgegengesteuert?
  • Warum wird ausgerechnet jetzt die Schließung von Krankenhäusern weiterhin zugelassen?
  • Warum wird die absehbare Vernichtung der sonst stets hoch gelobten kleinen und mittleren Betriebe stillschweigend hingenommen?
  • Warum lässt man fast die gesamte Kulturbranche am ausgestreckten Arm verhungern?
  • Warum wird gegen das Fortbestehen prekärer Arbeitsbedingungen in den mittlerweile als systemrelevant erkannten Berufen so gut wie nichts unternommen?
  • Warum werden die Finanzstarken weitaus besser und schneller unterstützt als die Finanzschwachen?
  • Warum wird weitgehend zugelassen, dass die ohnehin benachteiligten Schüler*innen durch Schulschließungen und andere Unterrichtsbeschränkungen noch weiter in die Perspektivlosigkeit abrutschen?
  • Warum wird in Kauf genommen, dass einsamkeitsbedingte Depressionen und insolvenzbedingte Suizide rasant zunehmen?
  • Warum werden gerade jetzt keine zusätzlichen Schutzmaßnahmen für alle Opfer häuslicher Gewalt ergriffen?
  • Warum werden die “Corona-Gewinnler” nicht zu einer nennenswerten Abgabe ihrer Gewinne verpflichtet?
  • Warum wird nicht auch auf Listen verwiesen, aus denen hervorgeht, welchen (relativ niedrigen) Platz Corona in der Rangfolge der zehn häufigsten Todesursachen einnimmt?
  • Warum hält es die von der Alternativlosigkeit ihrer Maßnahmen offiziell so stark überzeugte Regierung für nötig, sich jeder öffentlichen Auseinandersetzung mit anders denkenden Menschen zu verweigern?
  • Warum gehört zu den im Impfplan vorgesehenen Auswahlkriterien nicht auch eine Abstufung nach individueller Verträglichkeit des Impfstoffes?
  • Umschaltung auf aussagekräftige Zahlen und Listen / Verwendung unmissverständlicher Begriffe
  • Rekommunalisierung der Krankenhäuser / Abschaffung der Fallpauschalen
  • Stopp der Krankenhausschließungen / Wiedereröffnungen
  • tarifvertragliche (und höhere) Bezahlung der Pflegekräfte
  • Abschaffung prekärer Arbeits- und Lebensverhältnisse
  • Anschaffung zahlreicher Schulcontainer zur schnellen Linderung der (ohnehin bestehenden) Raumnot
  • Entwicklung und Einführung von kindzugewandten Schulreformen
  • Entwicklung eines auf die Belange benachteiligter Kinder zugeschnittenen Unterstützungsprogramms
  • Maßnahmen zur dauerhaften Wiederbelebung von Kultur, Gastronomie sowie des Reise- und Beherbungssektors
  • Beteiligung der Krisengewinnler an jetzigen Unterstützungs- und späteren Schuldenabbaumaßnahmen
  • Einbeziehung der Parlamente, Betroffenen und Kritiker in jetzige und zukünftige Entscheidungsprozesse
  • Aufbau eines großflächigen Netzes zur Aufarbeitung aller coronabedingten Traumata
  • Schaffung zahlreicher zusätzlicher Schutzräume für Opfer von Gewalt

Beginnend mit dem ersten Lockdown im März 2020 zeichnen sich die von der Regierung verordneten Maßnahmen durch zahlreiche Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten aus, zu denen nicht zuletzt die teilweise Aufgabe neoliberaler Sichtweisen zu zählen ist. So wurde plötzlich die Sorge um das Wohlergehen alter Menschen zum zentralen Anliegen erhoben und gilt damit den Angehörigen einer aus wirtschaftlicher Sicht eher “unproduktiven” Bevölkerungsgruppe, die dem entsprechend noch nie zuvor eine derartige Aufmerksamkeit erfahren hat.

Das nächste “regierungsamtlich” vorgetragene Argument betrifft die Krankenhäuser, die vor einer Überlastung sowohl hinsichtlich der Bettenkapazitäten als auch hinsichtlich des Pflegepersonals zu schützen seien. Dabei wird bis heute regelmäßig verschwiegen, dass wir es bei diesem Notstand mit den Ergebnissen einer “(Gesundheits-)Politik” zu tun haben, die (über die Einführung von Fallpauschalen) für eine Umwandlung der Krankenhäuser in privat betriebene und gewinnorientierte Unternehmen gesorgt hat und sogar jetzt noch die Schließung der in diesem Sinne “unrentablen” Krankenhäuser befürwortend und unterstützend zulässt.

Höchst erstaunlich ist auch die abrupt erfolgte Abkehr von der in allen Sonntagsreden formulierten Maxime, dass die kleinen und mittleren Betriebe das Rückgrat unserer Wirtschaft seien. Folgt man dieser Logik, werden wir es wegen der vielen durch die erzwungenen Schließungen verursachten Insolvenzen bald mit einer “rückgratlosen Wirtschaft” zu tun haben, was aber die für die Maßnahmen Verantwortlichen nicht sonderlich zu beunruhigen scheint.

Die bis heute nicht abreißende Begleitmusik der “Corona-Politik” setzt sich aus Schreck einflößenden Bildern und Zahlen zusammen, mit denen wir dazu gebracht werden sollen, uns (frei-)willig den mehr oder weniger am Parlament vorbei beschlossenen Verordnungen zu fügen und die aus den Maßnahmen resultierenden Verwüstungen stillschweigend hinzunehmen. An der immer noch gegebenen mehrheitlichen Zustimmung lässt sich ablesen, dass diese Methode bislang tadellos funktioniert hat.

Dabei soll von der suggestiven Macht der immer wieder gezeigten prototypischen Bilder hier gar nicht die Rede sein, sondern von den uns täglich in einem scheinbar neutralen Gewand präsentierten Zahlen. In diesem Zusammenhang lassen sich gleich mehrere Auffälligkeiten feststellen: Die Konzentration auf absolute Zahlen, die Konfrontation mit unterschiedlichen “Gefährdungsparametern” (zum Beispiel R-Wert oder Inzidenzen) sowie die weitgehende Nichtbeachtung begleitender Faktoren (Grad der regionalen Luftverschmutzung, gesundheitsgefährdende Wohn- und Lebensbedingungen, psychisch bedingte Schwächung des Immunsystems etc.).

Darüber hinaus hat es bis heute keine systematisch durchgeführten Obduktionen gegeben, was eine (allerdings ohnehin nicht angestrebte) Differenzierung nach Todesursachen verhindert. Konkret heißt das, dass wir bis heute nicht wissen, wie viele Menschen mit oder an dem Sars-CoV-2-Virus gestorben sind, was aber zur Beurteilung des ständig beschworenen Gefahrenpotenzials sehr wichtig wäre.

Doch zurück zu den absoluten Zahlen der Testergebnisse, die uns in Form einer tagesaktuellen “Zahl der Neuinfektionen” verkündet werden. Ermittelt werden die Ergebnisse bislang ganz überwiegend durch Anwendung des PCR-Tests, der so empfindlich ist, dass er bereits auf “Virenschnipsel” reagiert. Mit anderen Worten sagt ein positives Testergebnis noch nichts darüber aus, wie es um die tatsächliche Virenlast oder die Ansteckungsgefahr bestellt ist.

Dabei ist allein schon die Bezeichnung falsch. Statt “Zahl der Neuinfektionen” müsste es korrekterweise heißen: Anzahl der Personen, bei denen eine (nicht näher) bestimmte Menge des Sars-CoV-2-Virus neu nachgewiesen worden ist. Außerdem müsste regelmäßig hinzugefügt werden, dass ein solcher Befund nicht (beziehungsweise eher selten) identisch mit einer Erkrankung ist.

Umso mitteilsamer geben sich die Verantwortlichen immer dann, wenn die Bereitschaft zur Einhaltung der verordneten Maßnahmen zu erschlaffen droht. Zu Beginn wurde warnend auf die Gefahr einer “terroristischen Vereinnahmung” der virusbedingten Ausnahmesituation verwiesen, während es danach um die langfristigen Folgen beziehungsweise um die dem Virus unterstellte Fähigkeit ging, ganz unterschiedliche Organe unseres Körpers befallen und nachhaltig zerstören zu können. Die aktuelle zusätzliche Hiobsbotschaft bezieht sich auf die “englischen” Virusmutationen, deren besondere Gefährlichkeit mit einem außergewöhnlichen Ansteckungspotenzial begründet wird.

Fast noch beredter reagierten die (Regierungs-)Verantwortlichen auf die großen sommerlichen Demos in Stuttgart oder Berlin (einschließlich der ebenfalls als Demo gedachten massenhaften Bootsfahrt auf der Spree). Da wurde – im Zusammenspiel mit den bis heute weitgehend auf Regierungslinie eingeschworenen Medien – sofort entrüstet verkündet, dass diese Veranstaltungen von Rechten und kruden Verschwörungstheoretikern unterwandert seien und das Wort von den “Covidioten” machte schnell die Runde.

Im Gegensatz hierzu wurde mit praktisch keinem Wort erwähnt, dass die Mehrheit der Demo-Teilnehmer*innen weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe gehörte, sondern sich aus Sorge um die Folgen der “Corona-Politik” auf den Weg gemacht hatte. Ebenso hartnäckig wurde das völlige Ausbleiben der zuvor düster prognostizierten massenhaften Krankheitsausbrüche negiert, weshalb in sehr vielen Köpfen die Gleichsetzung von Demo-Teilnahme mit Verantwortungslosigkeit hängen blieb. Dieses bewusst lancierte Vorurteil zeigt sehr deutlich, dass insbesondere dem kritischen Teil der Bevölkerung die Schuld für alle (vergangenen und zukünftigen) Fehlentscheidungen zugeschoben werden soll.

Fragen

Trotz der vielen hier nicht näher beleuchteten Themen dürfte klar geworden sein, dass wir mit den schlecht konzipierten und kommunizierten Corona-Maßnahmen in eine Art Labyrinth geschickt worden sind, aus dem wir – in Ermangelung eines Ariadne-Fadens – höchstwahrscheinlich nur mühsam wieder herausfinden werden. Eine der besten Chancen, die wir in dieser Hinsicht haben, besteht darin, die Verantwortlichen so lange mit (Nach-)Fragen und Forderungen zu nerven, bis ihrerseits eine Rücknahme der Maßnahmen als kleineres Übel betrachtet wird. So könnten wir beispielsweise folgende Fragen stellen:

Forderungen

Polemisch zugespitzt, könnte man auch fragen: Wo ist das Kind, das uns verblüfft auf die Nacktheit des Kaisers hinweist? Doch so lange dieses Kind nicht in Sicht ist, werden wir uns wohl mit den aus den Fragen resultierenden Forderungen behelfen müssen. Hierzu einige Beispiele:

Schlussbemerkungen

Angesichts des gegenwärtigen Desasters scheint es kaum noch Grund zur Hoffnung zu geben. Aber könnte es nicht auch sein, dass es inzwischen schon recht viele Menschen gibt, die nicht mehr jeder (regierungs-)amtlichen Verlautbarung Glauben schenken und eine vielleicht schon ansehnliche Gruppe bilden, deren Größe nur wegen der systematisch betriebenen Vereinzelung nicht wahrgenommen wird? Im Übrigen hat uns ausgerechnet Italien vorgemacht, dass es sogar trotz Verbots auch ganz anders geht, indem dort am 15. Januar 2021 etwa 30.000 Restaurants wieder geöffnet worden sind. (Quelle: Wochenblick-online-Ausgabe vom 18. Januar 2021)

Magda von Garrel ist Sonderpädagogin und Diplompolitologin. Seit Beginn der Neunzigerjahre war sie als Integrationslehrein an Grund-, Haupt-, Sonder- und Berufsschulen tätig. Ihre auch in verschiedenen Bereichen der politischen Verwaltung gesammelten Erfahrungen führten zu einer immer kritischeren Auseinandersetzung mit schulpolitischen Fragestellungen. Seit der immensen Zunahme marktwirtschaftlicher Eingriffe in das Schul- und Bildungswesen beschäftigt sie sich vor allem mit der dadurch für arme Schüler/innen kontinuierlich schwieriger gewordenen Situation.