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Wo bleibt die Revolution?

Von Milena Rampoldi, ProMosaik. Jeder weiß
inzwischen, dass die Coronamaßnahmen unverhältnismäßig sind. Jeder weiß
inzwischen, dass die Wirtschaftskrise aufgrund der Verschuldung vor der
Coronakrise schon da war. Jeder weiß inzwischen, dass die Coronamaßnahmen die
Konzentration des Kapitals von Unten nach Oben in den Händen der Superreichen
fördern. Jeder weiß, dass diese Herdenerziehung und zwangshafte Entpolitisierung
der Massen und der sozio-wirtschaftliche Zusammenbruch nichts mit dem Virus zu
tun haben, sondern mit den Maßnahmen, welche die Nationalstaaten ergriffen
haben, um den Eliten der Superreichen und den Online-Riesen zu dienen.



Jeder weiß inzwischen, dass die Zahlen der Erkrankten nicht
stimmen, dass die Statistiken falsch ausgelegt werden und es viel schlimmere
Krankheiten als Corona gibt. Es sterben täglich 4.000 Menschen an Tuberkulose,
einer einfach auszurottenden Krankheit, wenn man die richtigen Maßnahmen
ergreift. Aber die Tuberkulose wird kaum beachtet, weil sie ja kein Problem der
reichen Industrienationen, sondern wohl eher der armen Länder ist.
Die Kriege werden weitergekämpft, trotz und dank Coronakrise,
weil sie teilweise aus dem Fokus der Mainstreammedien verschwinden. Die Herde
soll sich um die Gesundheit der Nation kümmern, verhungern, wenn es sein muss,
aber kritiklos der sozio-politischen Katastrophe entgegengehen. Das ethische
Gebot lautet: Wir müssen dieses Virus bekämpfen, koste es was es wolle,
Kollateralschäden wie Massenarbeitslosigkeit, Verarmung der Armen, Steigerung
der Ungleichheit in der Gesellschaft, Förderung der leistungsunabhängigen
Einkünfte, Reduzierung der Solidarität zwischen Menschen und Gemeinschaften, psychische
Erkrankungen und Destabilisierung von Kindern, Verschärfung kriegerischer
Auseinandersetzungen, Zunahme der Militarisierung, Einschränkungen der
Grundrechte müssen hingenommen werden. Aber all diese Kollateralschäden werden
hingenommen, weil der Mensch durch diese Tötung seiner sozialen Körperlichkeit,
durch die Distanzierung von der Gemeinschaft und durch die Verwandlung in einen
eingesperrten Herdenmenschen, einfach einen Grundimpuls vergisst, den Impuls der
Revolution.

Etymologisch geht der Begriff Revolution auf einen astronomischen Begriff
zurück, der eine umwälzende Bewegung beschreibt. Revolution hat sehr stark mit
Dynamik zu tun und erlischt in den vier Wänden. Revolution braucht Bewegung,
Bewegung nach Draußen, und gerade die horizontale Segregation der
Coronamaßnahmen erstickt diese dynamisch nach Draußen, in die Welt.
Und diese Bewegung führt zum Austausch. Der Impuls zur
Revolution entsteht in der physischen, körperlichen Gruppe. Die Revolution ist
nicht nur dynamisch, sondern vor allem physisch, körperlich, sozial. Man denke
an Sophie Scholl und ihre Gruppe, an das Zimmer mit der Schreibmaschine und an
die Universität, in der die Flugblätter verteilt wurden.
Sie ist die Umsetzung einer Idee einer besseren Welt mit Hilfe
einer radikalen Veränderung des Systems, in dem man gezwungen ist zu leben,
eines Systems, das im Besonderen ungerecht ist und Menschen bevorzugt, die
Einfluss durch Kapital gewinnen und den Massen diktiert, wo es lang geht und
was sie zu tun haben: Zu Hause sitzen, den eigenen Beruf an den Nagel hängen,
verarmen, sozial verkommen, um den Superreichen am Ende der „virologischen“
Krise zum finalen Machtdurchbruch zu verhelfen.
Die Schafe sind keine revolutionären Tiere. Sie haben auch
kein geschichtliches Bewusstsein. Sie wissen nicht oder nicht mehr, wie
Revolution aussieht und warum sie gerade jetzt so notwendig ist. Sie halten
durch und bleiben zu Hause, entsozialisieren und entpolitisieren sich
vollkommen.
Zum Thema Revolution und zur Möglichkeit ihrer Umsetzung finde
ich das Zitat des stoischen Philosophen Seneca so prägnant, welcher meinte:


Wir müssen somit heute nach den Wahrheiten suchen, die nicht
auf der Straße liegen, nach den Wahrheiten, die uns nicht gezeigt wurden, die
von den Mächtigen unter den Tisch gekehrt wurden. Nur so ist Revolution
möglich, im Hier und Jetzt. Eine Revolution bedeutet einen Paradigmenwandel,
eine Neuordnung unserer ethischen und sozialen Vorstellungen, eine
humanistische Orientierung der Arbeitswelt und eine menschenfreundliche,
anti-rassistische und kosmopolitische Weltordnung, die jeglichen Nationalismus,
jegliche Bevorzugung des Kapitals gegenüber dem Menschen verabscheut und für
diese Veränderungen kämpft.
Eine Revolution ist dynamisch, körperlich und materialistisch.
Sie ist nicht in den Köpfen der Menschen, sondern in ihren Bewegungen, in der
Umwälzung sozio-wirtschaftlicher Zustände, die nicht mehr tragbar sind. Sie entsteht,
weil sie das Verschwiegene ausgräbt und hinter die Kulissen sieht, die Wahrheit
in der Dunkelheit wahrnimmt.
Die Revolution ist die Revolution der Menschheitsfamilie und
nicht die Revolution einer Elite. Die Revolution kommt von Unten. Sie ist nicht
angeführt, sondern der Ausdruck einer utopischen Orientierung. Die Utopie zu
materialisieren ist die Zielsetzung der Revolution, der dynamischen Umwälzung
des Unrechts und der Selbstzerstörung, die das neoliberale Wirtschaftssystem
mit sich bringt, indem es die Virologie für sich erobert und die Angstmache
betreibt. Ein Vergleich zwischen Corona und Tuberkulose reicht aus, um die
Wahrheit im Sinne Senecas aus der Unterdrückung ans Licht zu holen.

Und am Anfang jeder Revolution steht das Wort, denn wie Rosa
Luxemburg so schön sagte: