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“Im Kleinen Grosses bewirken” – ProMosaik im Gespräch mit Dieter Wüthrich von HEKS

Von Milena Rampoldi, ProMosaik, 25. April 2020. Anbei
mein Interview mit Dieter Wüthrich
 von HEKS. Meine Fragen fokussierten auf die
Ziele und Projekte von HEKS in dieser schweren Zeit der Coronapandemie. Gerade
in schweren Zeiten wie dieser sind Bemühungen für die Menschenrechte und
Unterstützung von Flüchtlingen ausschlaggebend. Die Zeit der Coronakrise soll
den Menschen zeigen, worauf es ankommt. Und auf Solidarität und humanistische
Werte kommt es an. Urheberrechte der Fotos: “HEKS”.

Welche sind die Hauptziele von HEKS?
HEKS setzt sich
für eine menschlichere und gerechtere Welt und ein Leben in Würde ein.
HEKS unterstützt deshalb in über
30 Ländern auf vier Kontinenten Projekte der Entwicklungszusammenarbeit zur
Bekämpfung von Hunger, Armut und Ungerechtigkeit. Der Fokus von HEKS im Ausland
liegt in diesem Zusammenhang auf der Entwicklung ländlicher Gemeinschaften.
HEKS
leistet
zudem weltweit
Nothilfe
für die Opfer von Naturkatastrophen und kriegerischen Konflikten und
unterstützt die diakonische Arbeit der reformierten Kirchen in Osteuropa und im
Nahen Osten. In der Schweiz setzt sich HEKS für die Rechte und die Integration
von Flüchtlingen und sozial benachteiligten Menschen ein. 
Wie beeinflusst die
Corona-Krise Ihre Arbeit und wie reagieren Sie darauf?
Zahlreiche Projekte von HEKS im In- und Ausland sind
von der Corona-Pandemie betroffen, mussten teilweise reduziert oder ganz
unterbrochen werden. Unsere Arbeit im Ausland wird auch durch die aktuell in
vielen Ländern praktizierten Einreisebeschränkungen erschwert.
Im Inland mussten wir jene Projekte reduzieren, wo
direkte Kontakte mit den Begünstigten unerlässlich sind. Wir haben indessen
Ende März ein Soforthilfe-Programm gestartet für Menschen im In- und Ausland,
die wegen der Corona-Pandemie in Not geraten sind und deshalb Hilfe und
Unterstützung brauchen. In der Schweiz haben wir zum Beispiel ein Hilfetelefon
eingerichtet, wo Menschen in Schwierigkeiten von erfahrenen SozialarbeiterInnen
und JuristInnen Beratung und Unterstützung erhalten, etwa bei Fragen rund um
die Themen Arbeit und Wohnen. Im Weiteren haben wir eine Lern- und  Aufgabenhilfe via Videochat für Kinder und
Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien aufgebaut. Hier arbeiten wir
auch mit Freiwilligen zusammen, die diese Aufgaben- und Lernhilfen übernehmen.
Im Ausland fokussieren wir derzeit vor allem auf eine
Verbesserung der Präventions- und Hygienemassnahmen sowie eine entsprechende
Sensibilisierung der Menschen zur Verhinderung einer weiteren Verbreitung des
Virus, zum Beispiel in Flüchtlingslagern der Rohingya in Bangladesch.
Wie wichtig ist ein religiöser Ansatz heute in der
Menschenrechtsarbeit und warum?
HEKS verfolgt in seiner Arbeit einen
menschenrechtsbasierten Ansatz. Leitschnur sind dabei auch die christlichen
Grundwerte, die ja aber eigentlich universelle Gültigkeit haben und sich nicht
nur auf den christlichen Glauben beschränken. D
iese Werte gebieten HEKS
den tiefen Respekt für Menschen aller Kulturen und Religionen. Deshalb hilft
HEKS bedürftigen Menschen unabhängig von ihrer religiösen und ethnischen
Zugehörigkeit.


Wie ist HEKS in der Flüchtlingsarbeit tätig?
Im Inland übt HEKS im Auftrag des Staatssekretariats
für Migration (SEM) die Rechtsvertretung in den Bundesasylzentren (BAZ) in der
Nordwest- und in der Ostschweiz aus – dies im Rahmen des verkürzten
Asylverfahrens. Die Gewährleistung des Rechtsschutzes und der Rechtsvertretung
ist unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie gerade auch in den
Bundesasylzentren eine Herausforderung.  Im
Rahmen des erweiterten Asylverfahrens leisten die sieben
HEKS-Rechtsberatungsstellen für Asylsuchende in der ganzen Schweiz bereits seit
vielen Jahren einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung rechtsstaatlich
korrekter Asylverfahren.
Darüber hinaus leistet HEKS wichtige
Sensibilisierungsarbeit bei der Schweizer Bevölkerung zum Thema Flüchtlinge sowie
politische Advocacy-Arbeit auf nationaler und regionaler Ebene, etwa mit einer
Petition an den Bundesrat für sichere Fluchtwege und eine Erhöhung der
Aufnahmekontingente für besonders verletzliche Flüchtlinge.
Im Ausland unterstützt HEKS zusammen mit lokalen
Partnerorganisationen unter anderem notleidende Menschen in Flüchtlingslagern,
etwa in Bangladesch, Uganda, Syrien und Libanon.
Wie wichtig ist nicht nur die Arbeit im Ausland,
sondern die Sensibilisierungsarbeit in der Schweiz und warum?
Die politische und gesellschaftliche Sensibilisierung
in der Schweiz in Bezug auf unsere Schwerpunktthemen «Zugang zu Land»,
Zuflucht, soziale Integration sowie Anwaltschaft für Asylsuchende und sozial
Benachteiligte ist für unsere Arbeit von zentraler Bedeutung. Denn notwendige
systemische Veränderungen, die erst zu einer nachhaltigen Verbesserung der
Lebensbedingungen der Menschen in den Ländern des Südens führen, bedingen zuerst
ein in der breiten Bevölkerung und in Politik und Wirtschaft verankertes
Bewusstsein für die Probleme und Nöte der Menschen in den Entwicklungsländern.
Was haben Sie erreicht
und welche Utopie schwebt Ihnen nach dieser harten Corona-Krise vor?
Der Leitspruch von HEKS heisst nicht umsonst «Im
Kleinen Grosses bewirken». Wir haben nicht den Anspruch, die ganze Welt zu
retten, sondern wir streben eine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen
für eine möglichst grosse Zahl von Menschen an. Wir setzen uns ein für ein
Leben in Würde und Selbstbestimmung für alle Menschen und engagieren uns für
Frieden und Gerechtigkeit und gegen Armut, Unterdrückung und Gewalt. Dies ist
und bleibt unsere Vision auch für die Zeit nach der Corona-Pandemie – einiges
haben wir auf unserem Weg bereits erreicht, vieles bleibt noch zu tun.