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Fassungslosigkeit nach Rechtsterror in Hanau

von Migazin, 20.02.2020. Alle neun Opfer in Hanau haben einen Migrationshintergrund. Der mutmaßliche Täter, der sich selbst das Leben nahm, soll ein rassistisches Motiv gehabt haben. Muslime fordern erneut mehr Schutz. Politiker bekunden Anteilnahme.






Deutschland trauert um die Opfer des mutmaßlich rechtsextremistischen Anschlags auf zwei Shisha-Bars in Hanau. Neun der elf Toten haben nach Angaben des Generalbundesanwalts Peter Frank einen Migrationshintergrund. Ein 43-jähriger Hanauer soll demnach am Mittwochabend in zwei Shisha-Bars neun Menschen erschossen haben. Die Polizei fand den mutmaßlichen Täter nach der Tat tot in dessen Wohnung auf, ebenso wie dessen Mutter, teilte der Generalbundesanwalt am Donnerstag in Karlsruhe mit. Sechs Menschen, darunter fünf mit Migrationshintergrund, seien verletzt worden.

Auf der Internetseite des mutmaßlichen Täters Tobias R. befanden sich laut Generalbundesanwalt Videobotschaften und ein Manifest, die „wirre Gedanken und Verschwörungstheorien“ enthielten und eine „zutiefst rassistische Gesinnung“ offenbarten. Ziel der Ermittlungen sei es zu klären, ob es Mitwisser oder Unterstützer gegeben habe. Die polizeilichen Ermittlungen übernimmt das Bundeskriminalamt.


Steinmeier fassungslos, traurig, zornig

Am Donnerstagabend dachten rund 2.000 Menschen bei einer Mahnwache auf dem Hanauer Marktplatz der Opfer. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte den Angehörigen sein Mitgefühl und seine Solidarität aus. Der „brutale Terroranschlag“ in der hessischen Stadt mache „fassungslos, traurig und zornig“. Er erinnere in fataler Weise an den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie an den Anschlag auf die Synagoge in Halle. Steinmeier rief auch dazu auf, der Sprache der Gewalt Einhalt zu gebieten, die gleichsam den Weg für solche Taten bereite. Wichtig sei es dagegenzuhalten, wenn Menschen diskriminiert, ausgegrenzt oder ihrer Würde beraubt würden. „Wir stehen zusammen, das ist das stärkste Mittel gegen Hetze und Hass“, betonte er.

Auch der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) mahnte, „sich nicht spalten zu lassen, sondern zusammenzuhalten und keinen Millimeter preiszugeben von dieser freiheitlichen Demokratie, nicht nur in Hanau, sondern überall in Deutschland“. Er war fast mit seinem vollständigen Kabinett nach Hanau gekommen. Der hessische Landtag hatte am Morgen nach einer Schweigeminute für die Opfer seine geplante Sitzung abgesagt.


Zeichen des Respekts und der Solidarität

Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) nannte die Teilnahme von Steinmeier, Bouffier sowie von anderen Politikern und Religionsvertretern an dem Gedenken ein wichtiges Zeichen des Respekts und der Solidarität nicht nur für die Angehörigen der Opfer, sondern für die gesamte Stadtgesellschaft.
Zuvor hatten Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender, Bouffier und seine Frau Ursula, Oberbürgermeister Kaminsky sowie Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) an den beiden Tatorten der Opfer mit einer Schweigeminute gedacht und Blumengebinde niedergelegt.


Mahnwachen in 50 Städten

Mahnwachen fanden am Donnerstagabend auch in mehr als 50 weiteren deutschen Städten statt. In Berlin versammelten sich vor dem Brandenburger Tor etwa 1.000 Menschen. Sie bildeten eine Kette, an der sich unter anderen SPD-Chefin Saskia Esken, FDP-Chef Christian Lindner und der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak beteiligten.
In Hamburg kamen unter dem Motto „Gegen rechten Terror und Hass“ mehr als 1.000 Menschen vor dem Rathaus zusammen. „Stoppen wir diese menschenverachtende Gewalt“, sagte Nordkirchen-Bischöfin Kirsten Fehrs auf der spontanen Kundgebung.


Merkel: Rassismus ist Gift

Politiker aller Parteien verurteilten den Mordanschlag. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von „entsetzlichen Morden“. „Rassismus ist ein Gift, der Hass ist ein Gift.“ Dieses Gift sei „schuld an schon viel zu vielen Verbrechen“, sagte sie in Berlin und verwies auf der Morde der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU, die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den antisemitischen Anschlag von Halle.