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Das Projekt “Wege zum Miteinander” für den interreligiösen Dialog in Hannover – ProMosaik im Gespräch mit Kadir Özdemir

von Milena Rampoldi, ProMosaik. Die interreligiöse Atmosphäre ist zur Zeit sehr
angegriffen und sehr konfliktbeladen. Denn, wo Menschen unterschiedlicher politischer, religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit zusammenleben, entstehen Konflikte. Diese Konflikte werden je nach Interessenlage und gesellschaftlichem Diskurs häufig dramatisiert und politisiert. 
Wir, die gläubigen Menschen in der Gesellschaft, fühlen uns von diesen Diskursen belastet, sie werfen einen einen dunkeln Schatten auf unser Alltagsleben und auf den Umgang miteinander. Wenn wir aber Wege finden und diese ausprobieren, um zueinander zu finden, können diese Konflikte als treibende Kräfte wirken, die uns selbst in unserer Selbstentwicklung vorantreiben. 
Die Fähigkeit, Konflikte zu lösen und Brücken zu bauen, schafft mehr Menschlichkeit und damit mehr Lebensqualität für alle. Und genau das wollen die Initiatoren des Projektes „Wege zum Miteinander“  erreichen. An dem Projekt sind gläubige christliche wie gläubige muslimische Bürger*innen beteiligt. Die Redaktion von ProMosaik hat sich mit Kadir Özdemir über dieses neue Projekt unterhalten. 

Was
bedeutet für Sie als Muslim der interreligiöse Dialog? 

Der Islam versteht sich als
die Nachfolgereligion der anderen beiden monotheistischen Religionen Judentum und Christentum und räumt
diesen beiden Religionsgemeinschaften eine besondere Rolle ein. Auch
sind die Propheten, die lange vor Mohammed (a.s.) lebten, ein fester Bestandteil
des muslimischen Glaubens. Hierin nehmen die Propheten Abraham, Moses und Jesus
ebenfalls eine gehobene Stellung ein. Es gibt so vieles, was diese
Glaubensgemeinschaften verbindet. Im interreligiösen Dialog geht es für mich
darum, auch mal zu schauen, welche Gemeinsamkeiten zu finden sind und nicht nur
populistisch die Unterschiede zu betonen.
Letztendlich ist der Glaube freiwillig und
mit der Freiheit des Glaubens sollte auch ein respektvoller Umgang einhergehen.
Am besten geschieht dies durch Kontakt, Kommunikation auf Augenhöhe und durch
Kooperationen. Der Verein Interzentrum e.V. (interzentrum.com) führt auch schon
intern dank der Vielfalt seiner Mitglieder eine gute Diskussions- und
Dialogkultur.
In dem Projekt “Wege zum Miteinander” haben wir versucht,
unsere inneren Dialoge auch nach Außen zu tragen.
Das Projekt, welches durch
das Programm „Weißt du, wer ich bin?“  der drei großen Religionen für
friedliches Zusammenleben in Deutschland gefördert wurde, vereinte Geflüchtete,
Einwanderer und Deutsche ohne Migrationsgeschichte in einer Erfahrungsreise
durch Kirchen, Moscheen und durch ein buddhistisches Zentrum in Hannover. Wir
sahen uns Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede an, diskutierten viel und
übten auch die Fähigkeit, Unterschiede zu akzeptieren und zu respektieren.

Wie
sehr vermischen sich Ihrer Meinung nach die Themen des interreligiösen Dialog
mit denen der interkulturellen Kommunikation?

Sowohl interkulturelle wie
auch interreligiöse Kommunikation basiert auf der Fähigkeit zur Selbstreflexion.
Nur wer über seine eigene kulturelle und religiöse Prägungen nachdenkt, diese
in den bewussten, wie unbewussten Handlungen entdeckt, kann Unterschiede
verstehen, ohne diese bereits im Vorfeld vorzuverurteilen. Religion ist heute
ein schwierigeres Feld als Kultur. Glaube wird häufig angegriffen und
lächerlich gemacht. Glaube wird  oft zum Gegensatz von Vernunft erklärt.
Mit interkultureller Kommunikation und interreligiösem Dialog können Brücken
gebaut werden, aber nur, wenn nicht vorher eine totale Verweigerung besteht.
Beide Methoden haben also ihre Grenzen und beide Methoden brauchen ein
Bewusstsein für herrschende Machtpositionen. Die Beteiligten müssen sich
darüber im Klaren sein, dass ein friedliches Miteinander auch die Bereitschaft
beinhalten sollte, dass Gerechtigkeit in der Verteilung der Positionen und
sozialen Ressourcen beinhaltet.

Warum
soll die religiöse Toleranz schon in der Grundschule zum Thema gemacht werden?

Die Schule ist der Ort, in
der die meisten Menschen stark geprägt werden und ihr Wissen über die Welt
erlernen. Dieses Basiswissen wirkt sehr lange über den Schulabschluss hinaus
nach, bei manchen Menschen sogar ein Leben lang. Daher ist es absolut sinnvoll
in einem frühen Alter, wo sich noch nicht viele Vorurteile und fremdfeindliche
Einstellungen verankert haben, Toleranz und Respekt zu unterrichten und
gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen. Weder Juden, Christen,
Muslime oder andere Religionsgemeinschaften dürfen wegen ihrer
Religionszugehörigkeit diskriminiert werden. Das verbietet auch unser
Grundgesetz. Eine schulische Erziehung zur Toleranz und Respekt ist ein
Auftrag, der sich schlicht aus dem Grundgesetz ergibt.

Wie
geht man Vorurteile am einfachsten an?

Vorurteile sollten als erstes
zur Sprache gebracht werden. Darüber zu reden ist der erste Schritt. Sonst
fühlen sich die Betroffenen isoliert und als Einzelfälle. Es ist wichtig
aufzuzeigen, dass alle von Vorurteilen betroffen sind, aber genauso wichtig
aufzuzeigen, dass bestimmte Gruppen aufgrund dieser Vorurteile verstärkt
diskriminiert werden. Es ist wichtig, sich selbst zu organisieren oder die
Hilfe bestehender Strukturen in Anspruch zu nehmen. Vorurteile, die zur
Diskriminierung und Ausgrenzung führen, sind nicht hinnehmbar. Wir haben
inzwischen viele Verbände, die das Ziel haben, Diskriminierung zu bekämpfen und
es braucht noch viele weitere mehr.

Welche
sind die besten Strategien, um Islamfeindlichkeit vorzubeugen?

Die oft einseitigen
Medienberichterstattungen betonen gerne Problemfälle und das  normale
Alltagsleben, überall da, wo alles gut läuft, ist häufig keine Meldung wert. Es
ist an der Zeit, auch über positive Ereignisse zu berichten und die ganze
Bandbreite abzubilden, als immer nur Krisen und Katastrophen. Ein weiterer Weg
ist die Begegnung, der Dialog zwischen Einzelpersonen, sowie den Institutionen.
Es ist absolut zu empfehlen, dass Schulklassen Kirchen, Synagogen und Moscheen
besuchen, sich selbst eine Meinung zu bilden, Fragen zu stellen und den Alltag der
Gläubigen dieser Religionsgemeinschaften anzuschauen. Und das ist es, was wir
mit unserem Projekt, umsetzen wollen.