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Wie wenig wissen wir von den Philippinen – ein Artikel von Claus Folger

Von Claus Folger, 23.12.2016. Der Sozialethiker Franz Segbers ist regelmäßig als
Gastdozent auf den Philippinen. Neulich auf einer Reise durch das Land traf er
nur auf Menschen, die sich positiv über den neuen Präsidenten Rodrigo Duterte
äußerten. „Stolz sprach man über den ersten Präsidenten in der Geschichte des
Landes, der nicht aus der Oberschicht kommt und der mit einem klaren
politischen und sozialen Programm auftritt, das alle Forderungen der
progressiven Bewegungen im Land aufnimmt“, schreibt Segbers in einem Beitrag
für Publik-Forum.


In der Tat hat der Ökoaktivist Duterte mit Gina Lopez eine
Umweltaktivistin zur Vorsitzenden der Umweltabteilung ernannt. Sie kündigte
auch gleich als erste Maßnahme an, die Lizenzen der multinationalen
Bergbaukonzerne, die gegen Umweltauflagen verstoßen, aufzuheben.
Seitdem Duterte Ende Juni die Amtsgeschäfte übernahm, hat
das Land in Südostasien bereits zehn seiner 41 Minen schließen lassen. 20
weitere Minen könnten in naher Zukunft stillgelegt werden.
Franz Segbers schildert auf den nachdenkseiten.de den Wandel auf den Philippinen:
„Seit fast 30 Jahren kämpfen die National Democratic
Front (NDF), ein Zusammenschluss progressiver Organisationen aus dem Bereich
Landwirtschaft, Gewerkschaften, Indigene sowie linker Parteien und
Organisationen, zu denen auch bewaffnete Widerstandsgruppen gehören, um einen
Friedensvertrag mit der Regierung. Bislang vergebens. Denn den bisherigen von
den USA abhängigen Präsidenten lag daran, die NDF lieber als Terrorbewegung
bekämpfen zu können. Anders der jetzige Präsident. Er konnte innerhalb nur
weniger Wochen eine Feuerpause erreichen und in einer zweiten Verhandlungsrunde
am 10. 10.2016 politische und soziale Reformen vereinbaren. Die Waffen
schweigen. Im letzten Jahr konnte ich ein Evakuierungslager von 4000 Indigenen
besuchen, die vor den Militärs geflohen waren. Sie hatten sich geweigert,
Bergbaukonzernen ihr Land zu überlassen: Deshalb wurden sie mit einem Massaker
bedroht. Jetzt konnten sie nach der Vereinbarung der Feuerpause alle wieder in
ihre Dörfer zurückkehren.“
Den entgegengesetzten Weg geht der US-Präsident Donald
Trump, der mit Scott Pruitt einen Freund der Kohle- und Ölindustrie zum Chef
der mächtigen US-Umweltschutzbehörde EPA machen will.
Doch wozu? Die Fördermengen von Kohle sinken in den USA  seit Jahren, 2015 um weitere 10 % auf das
tiefste Niveau seit 1986. Der Kohleabbau in den Bergen von West Virginia
vergiftet ganze Landstriche, während die Arbeitslosigkeit in dieser Region immer
weiter steigt.
LE MONDE
diplomatique
schreibt:
„Durch Tagebau, bei der man die Bergspitzen absprengt und
dann die darunter liegende Kohle fördert, sind mindestens 500 Bergspitzen in
West Virginia und Kentucky verschwunden. 3000 Kilometer Gebirgsbäche wurden
zerstört. Nach jeder Sprengung breitet sich unten im Tal eine Staubwolke aus.
Menschen und Tiere atmen Silizium-Nanopartikel ein. An Sommertagen legt sich
eine dünne Staubschicht auf Autos und Spielplätze wie nach einem Sandsturm. Das
Brunnenwasser verfärbt sich, die Anwohner bekommen Kopfschmerzen oder
Hautkrankheiten, und die Zähne der Kinder werden vorzeitig kariös.
Langzeitstudien der West Virginia University zeigen, dass die Krebs- und
Missbildungsraten rund um die Sprengungsorte 50 Prozent über dem Durchschnitt
liegen. Schuld daran sind offenbar der Feinstaub und die Verschmutzung der
Böden mit Schwermetallen und Mangan oder Kadmium, die bei der Kohleförderung
verwendet werden.“
Doch für Minenarbeiter, die um ihre Jobs kämpfen, sind
Umweltschützer nur tree huggers. Nach
eigenem Verständnis gehören für sie, als hart arbeitende Kumpel, Arbeitsunfälle
und Krankheiten wie Krebs oder Staublunge einfach zum Leben dazu.
„Sie haben uns
abgeschlachtet wie die Tiere“
Der Journalist Daniel Berehulak dokumentiert in einer
beeindruckenden Fotoreportage für die New
York Times
die gnadenlosen Mordszenen in Manila, wo der philippinische
Präsident Rodrigo Duterte eine Art Ausrottung
der Drogenszene betreibt. Berehulak hat in 35 Tagen 57 Morde
dokumentiert. Er schreibt: „Ich habe in sechzig Ländern gearbeitet, über Kriege
im Irak und in Afghanistan berichtet und einen großen Teil des Jahres 2014 im
westafrikanischen, von Tod und Angst heimgesuchten Ebola-Gebiet verbracht. Aber
was ich auf den Philippinen erlebte, stellt für mich einen neuen Grad der Brutalität dar:
Polizeibeamte, die willkürlich jeden erschießen, der mit Drogen handelt oder
sogar nur Drogen nimmt, marodierende Milizen, die Dutertes Aufruf, sie alle zu schlachten, beim Wort nehmen.“
Übersetzung: perlentaucher.de
Hier geht es zur Fotoreportage:

Sozialethiker Franz Segbers kommentiert: „Der
UN-Beauftragte Philip Alston hatte im Jahr 2007 in einem Bericht über
Menschenrechtsverletzungen auf den Philippinen die Verwicklung des Militärs in
politische Morde belegt. Der Regierung Arroyo wurde 2006 vorgeworfen, über 800
politisch motivierte Morde nicht aufgeklärt zu haben. Auch unter der
Vorgängerregierung gab es zahlreiche politische Morde, besonders gegen
Journalisten, Umweltschützer oder Kirchenleute. Doch diese Morde auch von
Gegnern neoliberaler Reformen haben die westlichen Medien nie sonderlich
interessiert. Doch jetzt, wo ein Präsident linke und progressive Forderungen
zum Regierungsprogramm erhebt und den Einfluss der USA zurückdrängen will,
prangern die Medien die Morde im Drogenkrieg an.“
Quellen: