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Arbeitsmigranten in den Golfstaaten: Menschen zweiter Klasse?

von Claus Folger, 23. Dezember 2016.
Auf dem Podium im Haus
am Dom
in Frankfurt/M sitzen:
Omid Nouripour, Außenpolitischer Sprecher Bündnis 90/Die
Grünen
Peter Seideneck, Berater des Europäischen Gewerkschaftsbundes
Sebastian Sons, Asien- und Afrikawissenschaftler, Humboldt-Universität, Berlin
Regina Spöttl,  Amnesty International
Deutschland




Alle schütteln den Kopf: „Nein, in den Golfstaaten gibt
es keine Zweiklassengesellschaft. Es sind mindestens fünf oder sechs Klassen.“
Ein Diskutant, der nicht mit dem Namen genannt werden
möchte, präzisiert nach der Veranstaltung gegenüber dem Autor. Seiner
Einschätzung nach gibt es für Saudi-Arabien folgende Klassen:

1.    „Saudische Staatsangehörige
2.    Westliche Expats (Europa, USA, Kanada)
3.    Westliche Expats Rest
4.    Gut ausgebildete Arbeitsmigranten aus Indien
5.    Billiglohnarbeiter aus Pakistan/Asien
6.    Saudische Schiiten.“

Die Ölstaaten sind in einer Art vormodernen Ständegesellschaft
steckengeblieben. Hinzu kommt, dass kein Golfstaat Palästinenser als Arbeitsmigranten
nimmt, „um es sich nicht mit Israel zu verscherzen“, wie es auf dem Podium
heißt. Palästinenser sind somit an 7. Stelle quasi die Klassenlosen in dieser  jüdisch-arabischen Region, wo die
Sklavenhändler von gestern (Araber) mit den Sklaventreibern von heute (jüdischen
Israelis) einen unsichtbaren Pakt geschlossen haben.

Die Golfstaaten sind auf Gastarbeiter angewiesen. In
Saudi-Arabien stellen sie ein Drittel der Bevölkerung. In Bahrein und Kuwait
sind es mehr als die Hälfte. In Katar und den Emiraten sind vier von fünf
Bewohnern Ausländer. (Human Rights Watch
kommt für beide Länder auf einen Migrantenanteil von ca. 90 %.) Sie kommen aus
den Philippinen, Indien, Nepal und anderen Staaten aus Asien und Afrika. Am
Golf bauen sie Straßen und Hochhäuser, fahren Taxis und Lastwagen. Nicht zu
vergessen, etwa zwei Millionen Dienstmädchen kümmern sich um das Wohl ihrer
Hausherren. Quelle: Amnesty International

Fast zu Leibeigenen werden die Arbeitsmigranten durch das
sogenannte kafala sponsorship system,
das für alle arabischen Golfstaaten greift: Die Arbeitgeber ziehen dabei die
Pässe der Arbeiter ein. Die Arbeiter dürfen ohne die Erlaubnis der Arbeitgeber
weder das Land verlassen noch die Firma wechseln, auch wenn der Arbeitsvertrag
bereits abgelaufen ist.

Nicht nur der Staat regelt also den Aufenthalt des
Arbeiters. Er greift aber knallhart durch, wenn Arbeiter gegen die bestehenden
Arbeitsgesetze verstoßen. Ein Beispiel: Am 23. März 2015 gab Saudi-Arabien
bekannt, dass es in den fünf vorhergehenden Monaten 300.000 Migranten deportierte.

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Teilweise nur 10 % Einheimische in den Golfstaaten und
Millionen Arbeitsmigranten, die in der Hitzewüste unaufhörlich Betonburgen und
Silberpaläste hochziehen. Gibt es eine Antwort auf die Frage, ob das alles noch
realistisch ist? Oder wartet hier ein Abgrund, der – auch ohne eine neue
weltweite Rezession – eines Tages alles runterreißen wird?

Quelle:


https://www.hrw.org/report/2015/05/10/detained-beaten-deported/saudi-abuses-against-migrants-during-mass-expulsions