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Ein Hoch auf die kritischen „Nestbeschmutzer“!

Von Evelyn Hecht-Galinski, Sicht vom Hochblauen, 19. Oktober 2016Wenn jüdische Bürgerrechtsorganisationen wie
B`Tselem den illegalen Siedlungsbau des „Jüdischen Staates“ vor dem
Weltsicherheitsrat kritisieren, dann ist das ein Grund, stolz zu sein auf diese
„Nestbeschmutzer“. 
(1)



Dass Premier Netanjahu diese mutigen Aktivisten
derart verunglimpft, zeigt doch nur, wie dieses Besatzungsregime sich nur noch
mit gezielten Diffamierungsbegriffen zu wehren versucht, gegen unwiderlegbare
Fakten. Diese kläglichen verbalen Entgleisungen sollten die kritischen
Nestbeschmutzer und uns alle jedoch nicht davon abhalten, uns weiterhin
öffentlich zu äußern. Wenn Netanjahu wieder einmal die altbekannten Lügen
wiederholt, dass der „Konflikt“ mit den Palästinensern nichts zu tun hat mit
dem Siedlungsbau, sondern das Grundübel die Weigerung der Palästinenser sei,
Israel als „Jüdischen Staat“ anzuerkennen, dann sind wir damit tatsächlich beim
Grundübel der zionistischen Expansionspolitik angelangt, den Palästinensern
immer wieder neue Ansprüche, als Hindernis auf den Weg eines eigenen Staates in
den Weg zu stellen.. Durch diese unannehmbare Forderung eines angeblich
demokratischen Staates Israel versucht das Netanjahu-Regime zwei Fliegen mit
einer Klappe zu schlagen. Durch die Betonung auf „jüdisch“ wird der
Alleinanspruch einer Religion in einem Staat verankert, was natürlich
inakzeptabel ist als demokratische Grundlage eines friedlichen und normalen
Zusammenlebens. Zum anderen wird der Begriff „jüdisch“ im Zusammenhang mit
„Staat“ jede Israel-Kritik automatisch zu Antisemitismus, also Judenhass,
stilisiert. Als Konsequenz daraus ergibt sich ein Maulkorberlass gegen
Israel-Kritiker, der sie alle zum Schweigen bringen soll. Mit dieser weltweiten
Strategie-Kampagne versucht der „Jüdische Staat“ und seine Diaspora Brigaden,
die Sayanim, alles unter seine Kontrolle zu bekommen und eine Sprachlosigkeit
und ein Klima der Einschüchterung zu erzeugen, welches seinesgleichen sucht.
Das betrifft inzwischen nicht nur deutsche
Universitäten, Lehrer, Referenten, sondern ist auch gängige Praxis in Europa
und den USA. Als Beispiel möchte ich eine Veranstaltung vom letzten Mai in
einer öffentlichen Bücherei in den USA erwähnen. Dort hielt der ehemalige
US-Diplomat und jüdische Nahost-Vermittler Dennis Ross einen Vortrag, als in
der folgenden Diskussion der jüdische Teilnehmer Rothe-Kushel die Frage
stellte, ob jüdische Amerikaner wie Rothe-Kushel nicht besorgt sein sollten
wegen der U.S. und Israel-Aktionen, die das Ergebnis des „state-sponsored-
terrorism“ darstellen. Daraufhin wurde Kushel unsanft von zwei jüdischen
Sicherheitskräften nach draußen befördert. Eine Anklage hatte er auch noch zu
erwarten. Daraufhin stellte der ebenfalls kritisierte Direktor der Bücherei R.
Corby Kemper III sarkastisch fest, was für ein Land es wäre, wenn Menschen
dafür verhaftet werden, wenn sie Fragen in einer Bücherei stellen, die sich
daraus ergebende Konsequenz darauf sei, die Bücherei zu schließen. (2)
Hier ist die Frage zu stellen, wie kann man sich
noch wehren gegen solche diktatorischen Eingriffe in die Meinungsfreiheit? Ja,
in der Tat, diese weltweite Kampagne der Israel-Lobby versucht, die
uneingeschränkte Deutungshoheit über alles, was Israel-Kritik betrifft und ob
sie „erlaubt“ ist, zu gewinnen. Jeder, der diese weltweite Kampagne kritisiert,
bekommt sofort das Etikett „antisemitisch“ verpasst.
Nein, es ist kein Antisemitismus, wenn diese
Zusammenhänge deutlich angesprochen werden. Es ist auch keine „jüdische
Weltverschwörung“, sondern es ist eine ganz gezielte Hass-Kampagne des
„Jüdischen Staates“ gegen nicht genehme Personen, die das „jüdische
Besatzungsnest“ beschmutzen. Allerdings wird dabei vergessen, dass der
israelische „Nest-Schmutz“ von innen heraus kommt und selbst erzeugt ist.
Wenn über 7000 palästinensische Häftlinge in
illegaler jüdischer Administrativhaft sitzen, wenn seit letztem Oktober 2015
schon mehr als 250 Palästinenser durch „Jüdische Verteidigungssoldaten ermordet
wurden, wenn seit September 2016 mehr als 2000 illegale Siedlungseinheiten
genehmigt wurden, wenn illegale Häuserzerstörungen und die Judaisierung von
Jerusalem und Palästina zu neuen Höhen ansetzt, hat man doch die Pflicht, das
alles zu kritisieren. Unschuldige palästinensische Kinder werden ermordet unter
der illegalen Besatzung Palästinas, aber deutsche Medien schweigen und
berichten nicht darüber! (3) (4)
Ebenso irreführend war die deutsche
Berichterstattung über Israels Empörung und Zwist mit der UNESCO. Es geht bei
der durch Israel beanstandeten Resolution eben nicht vorrangig um die „Leugnung
jüdischer Bindungen zum Tempelberg“, sondern ganz klar die israelischen
Aggressionen gegen die jordanische Waqf-Stiftung, die den Haram al-Sharif
verwaltet. Die Resolution prangert die Repressalien gegen Muslime, die in der
Al-Aqsa Moschee beten wollen und die ständigen Absperrungen an und die
schleichende Änderung des Status Quo, und die ständigen Provokationen durch
jüdische Extremisten, die noch z.B. unterstützt von Polizei und Armee, ihr
Unwesen auf dem Gelände treiben. Es ist eine Anklage gegen das israelische
Regime, das den Status von Jerusalem immer weiter verändert und die
Judaisierung vorantreibt. Es sind archäologische Zerstörungen durch das
israelische Regime, die ewigen Nadelstiche, und ihr Anspruch, einen neuen
jüdischen Tempel auf dem Haram al-Sharif zu bauen. Die angebliche jüdische
Bindung gibt es nicht und wird vom Netanjahu-Regime bewusst inszeniert, um den
ganzen Haram al-Sharif zu judaisieren und zum Tempelberg umzufunktionieren.
Allerdings bestritt sogar der israelische Archäologe Meir Ben Dov nach seinen
Untersuchungen, dass es eine Verbindung zwischen al-Aqsa, und einer jüdischen
Bindung gibt. (5) (6) (7)
Bedauerlicherweise wird diese israelische
Propaganda/Hasbara-These von der US-Regierung, von beiden
Präsidentschaftskandidaten und Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden,
Litauen unterstützt, indem sie gegen die UNESCO Resolution stimmten, während
Russland und China sie unterstützten.(8) (9)
Besonders erschreckend allerdings ist es, dass der
überwiegende Teil der jüdischen Bevölkerung Israels diese Zustände unterstützt.
Wenn ein Soldat der „jüdischen Verteidigungsarmee“, Elor Azaria, als Held
gefeiert wird, und „Sohn aller Israelis“, der nur seine Pflicht tat, weil er
einen „palästinensischen Terroristen“ getötet hat. Tatsächlich aber hat dieser
Soldat den verletzt am Boden liegenden Palästinenser Abdul Fatah Al-Sharif
kaltblütig ermordet. Für diesen Mörder veranstaltet man Demonstrationen und
Spendenaufrufe. Was soll man dazu noch sagen, außer tiefer Verachtung? (10) (11)
Der „Jüdische Staat“ hat jeden Anspruch auf Moral
verloren. Palästinensische Angreifer werden, wie schon so oft, verwundet oder
ermordet, einfach wie Vieh liegen gelassen, oder der Leichnam als Eisblock
eingefroren den Familien, wie gerade geschehen, nach Monaten übergeben. Es ist
diese schreckliche Demütigung und Missachtung der Palästinenser, die diese
jüdische Gesellschaft betreibt. Während die jungen Palästinenser in
Hoffnungslosigkeit, Armut und Arbeitslosigkeit vegetieren und ihre Eltern dafür
verachten, dass sie in Lethargie versinken, hat sich das korrupte Abbas-System
ohne Mandat mit dem Netanjahu-Regime als Komplize des nicht mehr existenten
Friedensprozesses arrangiert, um seine Existenz zu sichern. (12)
Diese jungen Palästinenser versuchen wenigstens,
auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam zu machen und sich nicht widerstandslos
aufzugeben. Gegen die Übermacht der Besatzer, natürlich ein schier
aussichtsloses Unterfangen. Da haben wir es wieder mit den Doppelstandards zu
tun: „Widerstand gegen Besatzung“ wird zu „Terrorismus“, aber nur, wenn man
sich gegen die Besatzung des „Jüdischen Staats“ wehrt. Schließlich muss das
„jüdische Volk“ in seinem „Sicherheitsbestreben“ unterstützt werden. Ein Hohn
ist, wenn uns Israel als Vorbild angepriesen wird für Integration und
Sicherheit!
Das ist die feige westliche Politik gegenüber dem
„Jüdischen Staat“. Merkel, die vollmundig Russland-Sanktionen fordert wegen
angeblicher Menschenrechtsverbrechen in Syrien und der Krim-Politik, sieht bei
den Menschenrechtsverbrechen die der „Jüdische Staat“ begeht, keinerlei
Handlungsbedarf, dagegen einzuschreiten.
Es kann deshalb gar nicht genug Nestbeschmutzer
geben, die es wagen den Mund aufzumachen und diese Tatsachen laut und deutlich
zu kritisieren. Wohlgemerkt: mit dem Begriff „Nestbeschmutzer“ meine ich nicht
die rassistischen Hetzer, von denen es genügend gibt, hatten wir doch gerade
bei den tausenden von Pegida-Versammelten in Dresden am letzten Sonntag das
Phänomen der vielen Davidstern-Flaggen, die dort mitgetragen wurden. Es ist
diese Verlogenheit der Politik, die einen verzweifeln lässt, diese kriegerische
Aggressionspolitik, die uns immer mehr in diesen Teufelskreis von Aufrüstung,
Nato und US-Interessenpolitik führt, und mit einer Kanzlerin, die sich europaweit
dafür einsetzt und als Dank die Flüchtlinge aufnimmt, die wir vorher mit
erzeugt haben.
Es ist eben diese heuchlerische christlich-jüdische
Wertegemeinschaft, die alle Werte längst zerbombt hat und jegliche
Glaubwürdigkeit verloren hat. Ein Hoch auf die kritischen und mutigen
Nestbeschmutzer!