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Das Erbe von Ban Ki-moon in Palästina: Misserfolg in Worten und Taten


Von Ramzy Baroud, The
Palestinian Chronicle
, 29. September 2016. Deutsche Übersetzung von
ProMosaik. Die zweite Amtszeit von
Ban Ki-moon als UN-Generalsekretär endet im Dezember
diesen Jahres. Er war der beste Mann für diesen Job, wenn man dies von der
Perspektive der USA und ihrer Verbündeten aus betrachtet.
Natürlich wird es immer wieder
neue Ban Ki-moons geben. In der Tat war dieser Mann eine angepasste Version
seines Vorgängers Kofi Annan.

Die unerwähnte, aber unverkennbare Rolle der
UN-Generalsekretäre besteht darin, dass sie ausreichend umgänglich rüberkommen
müssen, um zu keinen internationalen Auseinandersetzungen zu führen.
Gleichzeitig müssen sie aber auch flexibel genug  sein, um den
unverhältnismäßigen Einfluss der USA auf die Vereinten Nationen und im
Besonderen auf den Sicherheitsrat zu berücksichtigen.
Am Ende ihrer Amtszeiten hängt der „Erfolg“ oder
„Misserfolg“ dieser Sekretäre maßgebend von deren Bereitschaft ab, die oben
angeführte Rolle zu spielen: Boutros Boutros-Ghali und Kurt Waldheim haben sich
mit den USA zerstritten. Aber Annan und Ban lernten aus deren Erfahrung und
folgten dem Drehbuch bis zu Ende ihrer Amtszeiten.
Es wäre völlig unfair, die Schuld für den totalen
Misserfolg bei der Lösung internationaler Konflikte oder bei der Erzielung
jeglichen globalen Erfolgs in die Schuhe eines einzelnen Individuums zu
schieben. Aber Ban war besonders „gut“ in diesem Job. Es wäre wirklich eine
Herausforderung, einen anderen UN-Generalsekretär mit genau diesen Qualitäten
hervorzubringen.
Seine Ermahnung an Israel kommt beispielsweise kraftvoll
formuliert rüber und wirkt als Medienbotschaft. Aber seine Untätigkeit, sich
als UN-Chef den illegalen Verstößen Israels gegen zahlreiche Resolutionen der
selben UNO zu widersetzen, ist unübertroffen.
Sogar seine angeblich kraftvollen Worte der Zensur waren
oft so scharfsinnig kodiert, dass sie am Ende wirklich wenig Bedeutung hatten.
Als Israel im Sommer 2014 seinen längsten und
zerstörerischsten Krieg gegen Gaza führte, unterzeichneten zahlreiche
internationale Rechtsexperten und Organisationen der Zivilgesellschaft einen
Brief und warfen dem UN-Chef vor, es wäre ihm misslungen, Israels illegale
Handlungen in den besetzten Gebieten, die illegalen Angriffe gegen die Häuser
von Zivilisten und sogar die Bombenangriffe gegen UN-Einrichtungen, die
Hunderte von Menschen töteten und verwundeten, klar zu verurteilen.
Unter den Unterzeichnern befand sich auch der
UN-Sonderberichterstatter Richard Falk, der gemeinsam mit anderen, Ban
aufforderte, entweder auf der Seite der Gerechtigkeit zu stehen oder von seinem
Amt zurückzutreten. Aber er tat nichts von beiden.
Die Unterzeichner kritisierten ihn im Besonderen wegen
der israelischen Bombardierung einer von der UN-Agentur für palästinensische
Flüchtlinge (UNRWA) verwalteten Schule, bei der zehn Zivilisten getötet wurden.
In seiner „Verurteilung“ des israelischen Angriffs,
erwähnte Ban nicht einmal Israel namentlich als den Angreifer und rief „beide
Parteien“ zum Schutz der Palästinenser und des UN-Personals auf.
„Ihre Aussagen waren entweder irreführend, weil sie die
falschen Versionen der Tatsachen durch Israel unterstützen und fördern, oder
sie verstießen gegen das Völkerrecht und die Interessen seiner Verteidiger oder
Ihre Worte rechtfertigten die Verstöße und Verbrechen Israels“, schrieben die
Verfasser des Briefes.
Und sie hatten  Recht. Das ist die Politik mit der
Unterschrift von Ban Ki-Moon – seine Fähigkeit, eine Kritik an Israel (und
natürlich auch an die USA und andere) so geschickt umzugehen, wenn es am
nötigsten war, um mindestens für einen kurzen Augenblick die Verstöße gegen das
Völkerrecht aufzuhalten.
Unter Berücksichtigung dessen haben viele Bans
Abschiedsrede anlässlich der 71. Sitzung der UN-Generalversammlung am 15.
September als einen Abschied von seinem alten, zurückhaltenden Selbst
wahrgenommen. Es war klar, dass seine Amtszeit dem Ende zuging und er, wenn
auch viel zu spät, auch bereit war, ein wenig Rückgrat zu zeigen.
Bedauerlicherweise war dies nicht der Fall.
„Es tut mir weh, dass dieses letzte Jahrzehnt für den
Frieden verloren wurde. Zehn Jahre wurden an die Expansion der illegalen
Siedlungen verloren. Zehn Jahre wurden an die inneren Spaltungen der
Palästinenser, an die wachsende Polarisierung und die Hoffnungslosigkeit
verloren“, meinte er, als wären beide Parteien – das Opfer der Besatzung und
der militärische Besatzer – gleichermaßen verantwortlich für das Blutvergießen
und als müsste man die Palästinenser selbst für die militärische Besatzung
durch Israel verantwortlich machen.
„Es wäre Wahnsinn“, rief er aus, „die Zweistaatenlösung mit
einer Einstaatenlösung zu ersetzen, denn das würde das Ende bedeuten: man würde
den Palästinensern deren Freiheit und deren gerechte Zukunft verwehren, und
Israel würde man von seiner Vision einer jüdischen Demokratie noch mehr
entfernen und international noch mehr isolieren“.
Aber erneut handelt es sich hierbei nicht um eine solide
Verpflichtung. Wer ersetzt hier „eine Zweistaatenlösung?“ Warum würde eine
„Einstaatenlösung“ denn das „Ende bedeuten“? Denn die Einstaatenlösung
erscheint als die menschlichste und logischste Lösung des Konfliktes. Und warum
hält Ban so gerne am ethnischen Status der Vision Israels als „jüdischer
Demokratie“ fest, wenn man berücksichtigt, dass die israelische Obsession für
die Demographie dazu geführt hat, dass die Palästinenser unter militärischer
Besatzung oder dauerhafter rassistischer Diskriminierung in Israel selbst
leben?
Die Tatsache, dass es mehr gibt in der konfusen Sprache
Bans mehr als einen UN-Chef, der verzweifelt versucht, ein gewisses
Gleichgewicht in seinen Worten zu finden, um seine Mission zu beenden, ohne
ernsthafte Meinungsverschiedenheiten aufzugreifen oder den Zorn Israels und der
USA heraufzubeschwören.
(Im Übrigen regte sich der israelische UN-Botschafter
Danny Danon schon mit dem UN-Chef auf, weil er in seiner Ansprache die
illegalen jüdischen Siedlungen Israels als „illegal“ bezeichnet hatte. Die
anderen israelischen Kommentatoren waren wütend auf ihn und nannten ihn einen
„Lügner“. Sonderbar, dass sogar die Wiederholung alter, unwiderruflicher Tatsachen
in Israel noch Zorn hervorruft.)
Nochmal: Es geht nicht um die Wortwahl. Ein Dokument von
WikiLeaks von August 2014 ist ein außerordentliches Beispiel hierzu.
Gemäß dem von WikiLeaks offengelegten Dokument, arbeitete
Ban geheim mit den USA zusammen, um einen Bericht zu untergraben, der vom
eigenen Untersuchungsausschuss der UN über den Bombenangriff gegen die
UN-Schulen in Gaza während des Krieges vom Dezember 2008 bis zum Januar 2009 erstellt
wurde.
Der Begriff „zusammengearbeitet“ ist schließlich eine
untertriebene Umschreibung dieses Ereignisses, in dem Susan Rice (die damals
nationale Sicherheitsberaterin des Weißen Hauses war), Ban wiederholt
aufforderte, den Bericht zu beerdigen, ihn nicht dem Rat zur Debatte vorzulegen
und schließlich auch die kraftvoll formulierten Empfehlungen „genauerer“ und
„unparteiischer“  Untersuchungen über den Bombenangriff gegen die UN-Einrichtungen
zu entfernen.
Als Ban Rice erklärte, dass er vor der Einschränkung
stand, dass der Untersuchungsausschuss ein unabhängiges Gremium ist, sagte sie
ihm, er solle ein Begleitschreiben verfassen, dass die Empfehlungen praktisch
verleugnet, als würden sie „den Rahmen der Aufgabendefinition 
überschreiten und dass es somit nicht nötig wäre, weitere Schritte zu tätigen.“
Ban Ki-moon kam ihr entgegen.
Nach dem Ende seiner Amtszeit wird der UN-Chef
wahrscheinlich vermisst werden – aber sicherlich nicht von den Palästinenser in
Gaza, den Flüchtlingen in Syrien oder den Kriegsopfern in Afghanistan, sondern
von denen wie Susan Rice, der die Arbeit sehr leicht gemacht wurde. Denn sie
brauchte ja nur den Chef der größten internationalen Organisation dieser Welt
anzuweisen, genau das zu tun, was sie wollte und er führte diese Befehle gern
aus.  
Anlässlich seines letzten Besuches in Palästina im Juni
teilte Ban Ki-Moon der verzweifelten Bevölkerung in Gaza mit: „Die Vereinten
Nationen werden immer mit euch sein.“
Während Zehntausende immer noch vor den Trümmern ihrer
Häuser stehen, ohne Bewegungsfreiheit und ohne Freiheit zum Wiederaufbau, ist
diese Behauptung so leicht zu vergessen wie die Hinterlassenschaft  dieses Mannes bei den Vereinten Nationen.
Dr. Ramzy Baroud schreibt seit mehr als 20
Jahren über den Nahen Osten. Er ist ein international anerkannter Kolumnist,
Medienberater, Autor verschiedener Bücher und Gründer des Portals
PalestineChronicle.com. Zu seinen Werken zählen “Searching Jenin”, “The Second
Palestinian Intifada” und sein letztes Buch “My Father Was a Freedom Fighter:
Gaza’s Untold Story”.
Seine Webseite:  www.ramzybaroud.net.