General

Habiba al-Hinai: Im Oman müssen wir offen über FGM sprechen


von Milena Rampoldi, ProMosaik. Anbei
mein Interview mit Habiba al-Hinai über FGM in Oman. Habiba ist eine Expertin
auf diesem Gebiet und schrieb in Zusammenarbeit mit
Stop FGM MidEast eine Forschungsarbeit über dieses
Thema (die Arbeit finden Sie
hier). FGM wird in Habibas Heimat
tabuisiert und verheimlicht. Daher möchte ich an dieser Stelle Habibas mutige
Arbeit loben und ihr für Ihre Zeit danken. Ich habe mit ihr über die weibliche
Genitalverstümmelung im Oman gesprochen und sie auch über die möglichen
Lösungen befragt, um das Phänomen aus der Welt zu schaffen, indem man eine
feministische Auslegung des Islam fördert und das Phänomen im Namen des Islam
bekämpft.
Milena Rampoldi: Oman ist sehr
fortgeschritten in der arabischen Welt, wenn es um Frauenrechte geht. Wie kann
man hier gegen die weibliche Genitalverstümmelung ankämpfen?
Habiba al-Hinai: Wir müssen vorab die
Behörden im Oman davon überzeugen, dass dieses Problem in der Gesellschaft vor
Ort und in den internationalen Organisationen klar angesprochen werden muss. Im
letzten UPR-Bericht hieß es in den Kommentaren aus dem Oman, dass die weibliche
Genitalverstümmlung im Lande nicht weit verbreitet war und dass die Praktik am
Ausstreben wäre, was natürlich nicht der Wahrheit entspricht. Ein weiteres
Hindernis besteht darin, dass die höchste geistliche Autorität im Lande die
Praktik sogar unterstützt, indem sie diese mit der Religion in Verbindung
bringt.
MR: Wie können die muslimischen
Feministinnen dabei helfen, offen über FGM zu sprechen, um das Phänomen aus der
Welt zu schaffen?
HaH: FGM ist immer noch eine Tradition
im Oman wie auch in vielen anderen Ländern in meiner Region. Dadurch wird es
für die Opfer sehr schwierig, das Thema offen zur Sprache zu bringen. Als ich
das Thema zum ersten Mal in meiner Gesellschaft vor Ort ansprach, war die
Gesellschaft schockiert und überrascht. Und alle gaben mir den Rat, die Finger
davon zu lassen. Wegen meines Engagements wurde ich auch in den sozialen Medien
angegriffen. Auch die Behörden im Oman wollten, dass ich die Gespräche zum
Thema einstelle, da dieses Thema zu peinlichen Schwierigkeiten mit den
internationalen Organisationen führen könnte. Ein weiteres Hindernis besteht
darin, dass einige sehr gut ausgebildete omanische Frauen FGM unterstützen, weil
es an Bewusstseinsbildungsprogrammen fehlt. FGM darf nicht in den örtlichen
Medien und Frauenorganisationen und nicht einmal in jeglicher Forschungsstudie
für Medizinstudenten an örtlichen Universitäten angesprochen werden. Was wir
brauchen, sind starke muslimische Frauen aus meiner Region, die trotz Beschuss
in der Lage ist, über FGM zu sprechen und eine Bewusstseinsbildungskampagne zu
starten.
MR: Welche Methoden haben Sie zur
Erforschung des Phänomens im Oman eingesetzt?
HaH: Leider musste ich mich auf sehr
einfache Werkzeuge beschränken, die Studie alleine durchführen und aus den in
meiner kurzen Studie angeführten Gründen mit den Konsequenzen rechnen. Ich habe
so weit wie möglich versucht, verschiedene Meinungen und Perspektiven von
Frauen, Männern und vom Mufti, der höchsten religiösen Autorität in Oman,
einzuholen, was mir aber nicht gelang. Denn keiner meiner Ansprechpartner war
bereit, über weibliche Genitalverstümmelung zu sprechen. Ich hoffe, in der
nahen Zukunft in der Lage zu sein, eine umfangreichere Studie durchzuführen,
was derzeitig nicht möglich ist.  
MR: Welche sind die wichtigsten
Botschaften der Frauen, mit denen Sie über FGM gesprochen haben?
HaH: Die wichtigsten Botschaften der
Opfer: sie hofften, ich könnte ihr Sprachrohr sein und FGM in Oman erfolgreich
aus der Welt schaffen, ohne dass sie sich dazu äußern müssen. Und gerade darin
besteht meines Erachtens die Unmöglichkeit ihrer Forderung.
MR: Welche ist Ihrer Meinung nach die
beste Strategie, die man im Oman umsetzen sollte, um FGM zu bekämpfen?
HaH: Die Opfer müssen sprechen. Die
omanischen Behörden müssen die Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung kriminalisieren
und die Förderung von Bewusstseinsbildungsprogrammen für Männer und Frauen über
die NRO vor Ort ermöglichen. Und wir brauchen die Unterstützung des Oberen
Muftis, um FGM zu beenden.
MR: FGM ist nicht islamisch. Als
muslimische Feministin bin ich der Ansicht, dass wir FGM im Namen des wahren
Islam bekämpfen müssen. Was denken Sie darüber?
HaH: Dem stimme ich zu. Wir müssen FGM
bekämpfen, indem wir vom Islam und von der Perfektion von Allahs Schöpfung
ausgehen. Allah erlaubt uns nicht, unseren Körper zu zerstören und ihn zu
verstümmeln.
MR: Welche sind die wichtigsten
Schlussfolgerungen Ihrer Studie?
HaH: Ich würde
sagen, dass diese die wichtigsten Schlussfolgerungen meiner Studie sein können:
– Wir brauchen in
Oman eine landesweite Studie zum Thema der weiblichen Genitalverstümmelung.
– Die religiöse
Meinung zum Thema FGM muss öffentlich bekannt werden.
– Wir müssen die
Frauen frei darüber entscheiden lassen, ob sie sich im Erwachsenenalter
beschneiden lassen möchten oder nicht.
– Wir brauchen
besondere Regelungen und Gesetze zwecks Verbots von FGM.
– Bewusstseinsbildungsprogramme
und –kampagnen sollen ins Leben gerufen werden.
– Es braucht
besondere Unterstützungsprogramme für die Opfer der weiblichen
Genitalverstümmelung.
– Die Rolle der Institutionen
und Frauenorganisationen in der omanischen Zivilgesellschaft sollen aktiviert
werden, um das Problem der weiblichen Genitalverstümmlung in ihren Projekten
fest zu thematisieren.  
– Es soll eine
transparente Diskussion über FGM in den verschiedenen lokalen Medien erfolgen.
– Es müssen Tagungen,
Programme und Workshops über dieses Thema organisiert werden.