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Die Prioritäten der Armen: Hunger oder Malaria?



von Leopoldo Salmaso, Pressenza, 5. Juni 2016, deutsche Übersetzung von
Milena Rampoldi, ProMosaik.
In diesen Wochen werden in ganz
Tansania Fliegennetze an die Mütter verteilt, um ihre Kinder vor der Malaria zu
schützen. Dieses Ritual wiederholt sich Jahr für Jahr in jedem armen Land auf
dem Höhepunkt der Regenzeit, wenn die Malaria eine halbe Million Opfer,
worunter vor allem Kinder, fordert.
Die kostenlose oder größtenteils durch Zuschüsse finanzierte Verteilung von
Fliegennetzen ist eine der „Hilfen an die Dritte Welt“, die den
Marketingslogans zufolge das beste Preisleistungsverhältnis aufweist.
Ein Teil dieser Fliegennetze wird
von den Müttern verwendet, um überall zu fischen, wo es nur geht (in den
Meeren, Lagunen, Seen und Teichen; weniger in den Flüssen wegen der Gefahr,
Krokodile und Flusspferde anzutreffen).
Der Fisch macht einen
wesentlichen Anteil der Diät und auch der Familienbilanz aus. Der Markt vor Ort
ist ziemlich lebhaft und wird den Frauen überlassen (denn die männlichen
Fischer erniedrigen sich ja nicht, für eine so geringe Beute zu arbeiten)…
Im besten Fall erhält die Frau mehr als ein Fliegennetz, um gleichzeitig
fischen und auch die Kinder vor der Malaria schützen zu können.
Auf jeden Fall nutzt das „gute“ Netz zum Fischen und das „schlechte“ zum Schutz
der Kinder.
UNERWÜNSCHTE AUSWIRKUNGEN.
Hier schon mal eine Übersicht einiger dieser unerwünschten Auswirkungen:
– Das Pyrethrum, das die Netze durchtränkt und über Monate halten sollte, ist
nach dem ersten Fischfang weg;
– Die Fliegennetze sammeln Jungfische, Larven und Embryonen und zerstören die
Grundlage der Nahrungskette;
– Die professionellen Fischer (alle Männer) verzeichnen eine wesentliche
Abnahme der Menge der erwachsenen Fische: wohl ein seltenes Beispiel von
„Chancengleichheit“ in die umgekehrte Richtung?…
– Der Schutz gegen die Malaria ist fast gleich Null;
– Die Nutzung der Mittel gegen Malaria bleibt unverhältnismäßig hoch. Es
entwickeln sich Widerstände, die weltweit immer schwieriger zu kontrollieren
sind;
– Die „Hilfsindustrie“ erzielt großartige Umsätze in einem Fass ohne Boden. Und
alle Agenturen, von den internationalen Hilfsorganisationen bis zur kleinen,
freiwilligen NRO, setzen ihre Arbeit mit einem unerschütterlichen Glauben an
ihre Heilsmission fort;
– Die Armut und das Unwissen sind endemisch, denn sie saugen immer breitere
Bevölkerungsschichten auf. Und all dies entspricht einem strategischen Entwurf,
der gewährleisten soll, dass 1% der Weltbevölkerung so viel Reichtum anhäufen
soll wie die restlichen 99% (d.h. 6,9 Milliarden Menschen, inklusive dir und
mir);
– Die Gewissen von 7 Milliarden Menschen sind betäubt von den überzeugenden
Bildern pummeliger Kleinkinder, die glückselig unter dem Schild eines
glitzernden Fliegennetzes schlafen…