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Rüstungsindustrie als Ursache für Flüchtlingsströme

von Ursula Mathern, für ProMosaik e.V., 16. März 2016. Über sich selbst schreibt Ursula Mathern:

Ich bin 58 Jahre alt, gelernte
Bankkauffrau und Diplomtheologin. Mein besonderes Interesse und Engagement gilt
seit vielen Jahren dem Bereich “Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der
Schöpfung”. Ich bin Sympathisantin der Initiative Ordensleute für den Frieden.
Diese hält seit mehr als 25 Jahren jeweils am 1. Donnerstag im Monat Mahnwachen
vor der Deutschen Bank in Frankfurt ab unter dem Motto “Der Kapitalismus
geht über Leichen”. Seit knapp 4 Jahren bin ich (erwerbs-) arbeitslos,
habe mit Schwester und Schwager ein altes Bauernhaus saniert und bewirtschafte
mit ihnen gemeinsam mehrere Gärten.


Was der
Rüstungsgegner Jürgen Grässlin auf die knappe Formel bringt „Wer Waffen sät, wird Flüchtlinge ernten!“, stellt auch die „Aktion
Aufschrei – Stoppt
den Waffenhandel“ fest: Rüstungsexporte produzieren Flüchtlinge
.
Ihren Angaben
zufolge werden
gut
60 Prozent „aller Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen
Rüstungsgütern…mittlerweile an Staaten außerhalb der NATO und der Europäischen
Union erteilt. Zu den Empfängern zählen Diktaturen und autoritäre Regime in
Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa…Die aus Deutschland gelieferten Waffen
feuern bestehende Konflikte an. Vor der daraus resultierenden Gewalt versuchen
viele Menschen sich durch Flucht zu retten. Die Grenzsicherung der EU und
vieler Staaten zielt aber auf die Abwehr unerwünschter Einwanderung. Auch daran
verdient die deutsche Rüstungsindustrie, denn sie liefert Grenzsicherungsanlagen
und Überwachungselektronik“
.
(s. www.aufschrei-waffenhandel)

Doch viele PolitkerINNEN
scheinen weder die Bilder von bombardierten Städten in Syrien oder im
Mittelmeer ertrinkenden Flüchtlingen tiefer zu berühren, noch die Bilder der
Menschen, die z. T. unter unsäglichen Bedingungen an den Grenzen festsitzen.
Nicht zahllose brennende Flüchtlingsheime und auch nicht das Erstarken rechter
Parteien kann sie erschüttern.
Wie
hartnäckig sie an ihrem Kurs festhalten, verdeutlicht eine Meldung aus German
Foreign Policy vom 01.09.2015:
„Die
Bundesregierung bekennt sich nachdrücklich zur Förderung der deutschen
Rüstungsindustrie. In einem entsprechenden Strategiepapier … werden unter
anderem  „verstärkte Investitionen“ in
die Entwicklung „verteidigungsrelevanter Technologien“ angekündigt. Zudem ist
eine forcierte „exportpolitische Flankierung“ der Geschäftstätigkeit deutscher
Waffenschmieden vorgesehen. Diese könne bei Bedarf auch auf …“Drittstaaten“
ausgedehnt werden und umfasse explizit auch die Ausfuhr von Kriegswaffen… Die
genannten Maßnahmen folgen den Forderungen deutscher Waffenbauer“.

D. h. sehenden
Auges verschlimmern sie die Katastrophe ständig. Sowohl für die Menschen, die
den Bomben entronnen, nun im Nirgendwo unterwegs sind. Als auch für die, die es
ins vermeintliche Paradies geschafft haben, und nun –  trotzdem sich viele Menschen redlich um eine Willkommenskultur
bemühen – mit den hiesigen von gesellschaftlicher Teilhabe Ausgeschlossenen
konkurrieren müssen.

Warum? Warum geben unsere PolitikerINNEN den
Forderungen nach einem Stopp der Rüstungsexporte und nach Konversion der
Rüstungsproduktion nicht nach, die doch von Teilen der Bevölkerung erhoben
werden?

Der
Journalist Winfried Wolf gibt Hinweise für eine plausible Antwort auf
diese Frage. Er charakterisiert die Rüstungsindustrie und den
militärisch-industriellen Komplex (MIK) folgendermaßen:
„Bei
diesem Komplex gehen unterschiedliche Bereiche eine – zumindest – vierfache
Symbiose ein:
      
Die militärische und industrielle
Produktion verbindet sich. Teilweise, weil es „dual use“-Produkte gibt, die
„zivil“ und militärisch nutzbar sind. Teilweise weil „zivile“ und militärische
Produktion sich in einem Unternehmen/Konzern stark verbinden und verzahnen.
      
Industrie (Management) und Militär
vernetzt sich auf der personellen Ebene. In USA ist es z. B. üblich, dass hohe
Generäle kurz nach ihrem Abgang bei der Army im Pentagon als Lobbyisten
auftauchen.
      
MIK-Manager und Militärs durchdringen
die „Politik“ und hier insbesondere das Verteidigungsministerium (Pentagon,
HardtHöhe) und die parlamentarisch zuständigen Ausschüsse
(Verteidigungsausschuss)
      
Schließlich vernetzt sich der MIK
nochmals mit dem Finanzsektor (Deutsche Bank als Anteilseignerin 



geht es weniger um die Quantität, um das spezifische
Gewicht des MIK; die Qualität dieser Vernetzungen ist entscheidend“.
(s.
hattp.//www.nrw.vvn-bda.de/bilder/Militarismus.pdf   o. J. S. 6 – 9)

Gegenüber
anderen Gütern hat die Nachfrage nach Rüstung den Vorteil, dass sie in Form der
Nachfragemacht des Staates bzw. anderer Staaten geballt auftritt. D. h. „mit
relativ wenig Lobbyarbeit und gezielten Schmiermitteln … kann eine maximale
Nachfrage geweckt werden und können maximale Gewinne erzielt werden“.
Zudem
sei staatliche Rüstungsproduktion nicht von der normalen Massenkonsumtion
abhängig. In einem Klima mit gering wachsenden produktiven Sektoren und einer
neoliberalen Offensive gegen die lohnabhängige Klasse gedeihe er besonders.
Profitabel
allerdings sei sie nur für die einzelnen Kapitalisten, gesamtgesellschaftlich
bedeute sie Abzug von sonst produktiv einsetzbarem Kapital. (s.aaO)

Einmal mehr wird deutlich: Was zählt,
sind einzig und allein die Profite einiger weniger!
Aus Geld muss noch mehr Geld gemacht
werden, und koste es das Leben. Das ist das Gesetz unseres global gewordenen Wirtschaftssystems.
Im Bereich der Rüstungskonzerne wird dies momentan nur besonders augenfällig.

Erforderlich
ist deshalb eine grundlegend andere Lebens- und Wirtschaftsweise. Die Abkehr vom Kapitalismus überhaupt, samt
seiner Produktionsweise ist erst recht im Zusammenhang mit dem sich
beschleunigenden Klimawandel zu
einer Frage des Überlebens geworden!
Dieser wird noch mehr Menschen zur Flucht aus den unwirtlichen Regionen
zwingen.

Die
Profiteure der Rüstungsproduktion für ihre Verbrechen haftbar zu machen, wäre
da immerhin ein Anfang! – Hin zu einem Leben und Wirtschaften, das von Kooperation statt von Konkurrenz bestimmt ist. Schrumpfung der Wirtschaft ist angesagt
anstelle von Wachstum; Ausgleich statt Spaltung und Ausbeutung.
Verlegung des Schwerpunkts auf lokale
Wirtschaftskreisläufe
statt Produktion für den Weltmarkt und eine Kontingentierung des Ressourcenverbrauchs.
Nicht zuletzt
kann sich nur so auch die Erde wieder regenerieren, die unser aller
Lebensgrundlage ist.

Die Zeit
drängt! Und kampflos wird diese Wende nicht zu haben sein!