General

Dr. Houaida Taraji: Viele muslimische Frauen kennen ihre Rechte nicht. Sie leben nach patriarchalischen Traditionen, die wenig mit dem Islam zu tun haben.



Dr. Houaida Taraji

von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V.  – Um unseren Beitrag zum Kampf gegen das Klischee der muslimischen Frau zu leisten, haben wir eine starke, muslimische Frau interviewt, und zwar Dr. Houaida Taraji, Gynäkologin und Frauenbeauftragte des Zentralrats der Muslime in Deutschland.  Wir haben mit Dr. Taraji über die Rolle und den Wert der Frau im Islam gesprochen. Wie sehr sich manchmal Islam und Muslime unterscheiden, ist ein Thema, mit dem man sich intensiv auseinandersetzen muss. Im positiven Sinne bedeutet dies Empowerment der muslimischen Frauen, um ihnen zum Bewusstsein ihrer Rechte und ihres Wertes zu verhelfen. Was im Frauenbild des Islam zentral ist, sind die Komplementarität und die gemeinsame Gestaltung von Familie, Gesellschaft, Gemeinde und Politik durch die beiden Geschlechter. Die Frau ist der Pfeiler der muslimischen Gesellschaft. Je mehr Empowerment der muslimischen Frau im Sinne des Islam, desto weniger patriarchalisches Denken und desto weniger frauenfeindliche Traditionen in der muslimischen Gesellschaft.
Milena
Rampoldi: Warum ist die Frau so wichtig in den islamischen Organisationen und
im islamischen Leben? Welche Grundlagen finden sich hierzu im Islam?

Houaida
Taraji: Die Grundlagen finden sich im Koran und Sunna.
Koran ist
das heilige Buch, Wort Gottes und die Sunna sind die Handlungen und Aussprüche
des Propheten-Friede auf ihn.
Er ist
es, Der euch aus einer einzigen Seele erschuf: und aus ihm machte Er
seine Gattin, damit er bei ihr ruhe.“
Sure Al-Araf (7:189)
„Da erhörte
sie ihr Herr: „Seht, Ich lasse kein Werk der Wirkenden unter euch verloren
gehen,
sei es von Mann oder Frau; die einen von euch sind von den
anderen …“
 Sure Al-Imran (3:195)
„Oh, ihr Menschen,
fürchtet euren Herrn, Der euch erschaffen hat aus einem einzigen Wesen;
und aus ihm erschuf Er seine Gattin und aus beiden ließ Er viele Männer und
Frauen entstehen
.“ Sure
An-Nisa (4:1)
O, ihr
Menschen
, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern
und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander erkennen möget. Wahrlich, vor
Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Gottesfürchtigste
ist.“
 (49:13)
Der Prophet
(s) sagte:
„Die Frauen sind die Zwillingshälften der Männer.“
Muhammad-Friede
auf ihm- war die Personifikation der islamischen Lehre, der beste Interpret. Er
sagte: „Seid gütig zu euren Frauen.“  „Der beste von euch ist der gütigste zu
seiner Familie.“
Somit haben
Frau und Mann die gleiche religiöse und moralische Verpflichtung und
Verantwortung.
Die Frauen
sind etwa 50% der Gemeinde und erziehen bzw. bilden den Rest der Gemeinde aus.
MR: Wie
können wir muslimische Frauen heute das wahre Frauenbild des Islam verbreiten,
um den islamfeindlichen Darstellungen der muslimischen Frau positiv
entgegenzusetzen?

HT: Nach
dem Vorbild des Propheten-Friede leben.
Frauen
hatten in der Prophetenzeit wichtige Funktionen und Ämter.
MR: Wie
wichtig ist Information über die Frau im Islam für Muslime und Nichtmuslime
heute?
HT: Viele
muslimische Frauen kennen ihre Rechte nicht. Sie leben nach patriarchalischen
Traditionen, die wenig mit dem Islam zu tun haben.
MR: Wie
wichtig sind für uns Muslime heute die Frauen in Kriegsgebieten, die
Flüchtlingsfrauen und die unterdrückten Frauen?

HT: Frauen
leisten in Krisengebieten heroische Aufgaben und sind großen Herausforderungen
ausgesetzt. Sie müssen teilweise um ihre kleinen Kinder kümmern, gegen Armut
und Gewalt kämpfen, teilweise auch Vergewaltigungen erleiden.
 Frauen im syrischen Bürgerkrieg. Quelle: al Jazeera
MR: Welche
sind die Haupttätigkeitsbereiche des ZMD, wenn es um Frauen und Familie geht
und warum?
HT: Wir
arbeiten mit der Antidiskriminierungsstelle auf Landes- und Bundesebene zusammen
und helfen Frauen und Schülerinnen bei Mobbing und/oder Diskriminierung wegen
Geschlecht und/oder Religion.
In meiner
Funktion als Gesundheitsbeauftragte und Ärztin packen wir auch Gesundheitsfragen
und Aufklärung an. Wir haben Stellungnahmen zur Präimplantationsdiagnostik,
Organ-und Gewebsspende, Knochenmarkspende, Sterbehilfe herausgegeben (s.www.islam.de).
Kopftuchfragen,
Schwimmunterricht, Sexualunterricht/Aufklärung ist auch ein wichtiges Feld
meiner  Arbeit. 
MR: Was hat
der ZMD im Bereich Frau und Familie schon erreicht und welche sind die
Bereiche, auf die er in Zukunft am meisten fokussieren möchte?
HT: Frauen
sind gleichberechtigte Partnerinnen der Männer. Wir haben im Vorstand auf
Bundesebene und auf Landesebene teilweise 50% Frauenanteil. Die Vorsitzende des
Landesverbandes in Rheinland- Pfalz ist Frau Malika Laabdallaoui.
Auch in
unseren Gemeinden sind Frauen auf dem Vormarsch. Teilweise mussten wir diesen
Vorgang mit einer Frauenquote unterstützen.