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Völkermordvorwürfe gegen das Übergangsregime in Myanmar


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Von Amjad Saleem, Fair Observer, 7. November 2015 (deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V.). Kommentar der Übersetzerin: Ein sehr wichtiger Artikel zum Thema “Der Schein trügt”, wenn es um das Myanmar nach der “demokratischen” Wahl geht, aus der die Opposition der “Nobelpreisträgerin” Aung San Suu Kyi siegreich hervorgeht. Aber was viele nicht wissen: Es handelt sich um eine Scheindemokratie, überschattet vom Völkermord gegen die Rohingya-Muslime. Der Experte Mohamed-Saleem stellt Prognosen vor der Wahl: und sie sind alle richtig. Wer auch immer regiert, der regiert im Rahmen eines geplanten und organisieren Völkermords. Es fehlt im Lande an Inklusionskultur. Der buddhistische Fundamentalismus will die Minderheit der Muslime aus dem Land auslöschen.
Amjad
Mohamed-Saleem ist ein politischer Analyst und freiberuflicher Berater, der vor
allem auf Peacebuilding und humanitäre Politik, Südasien und interreligiösen
Dialog fokussiert. In dieser Funktion hat er u.a. mit International Alert,
KAICIID, Commonwealth Foundation, Search for Common Ground, Islamic Relief und
Islamic Development Bank zusammengearbeitet. Er ist Gastwissenschaftler für
Frieden und Sicherheit am Institute of Advanced Islamic Studies in Malaysia und
Mitarbeiter im Project for the Study of the 21st century in London. Sein
wissenschaftliches Hauptinteresse fokussiert auf die Rolle des religiösen
Glaubens in der Konfliktprävention und Entwicklung. Saleem ist auch
thematischer Berater für die „Analyse der Bedürfnisse der Menschen in einem
Konflikt“ für den von den Vereinten Nationen initiierten Prozess World
Humanitarian Summit. Er schreibt regelmäßig für Zeitungen und gab ein Buch
heraus, das 2008 mit dem Titel „The Story of Aceh: Insights” veröffentlicht
wurde.
Formularende
Angesichts
der Völkermordvorwürfe gegen Myanmar, ist es der internationalen Gemeinschaft
offensichtlich nicht gelungen, das Land erfolgreich durch seine demokratische
Transition zu führen.
Vor kurzem
zeigte Al Jazeera English einen Dokumentarfilm, der
auf einem Bericht der Yale Law School basierte
und der Regierung in Myanmar vorwarf, eine geplante Kampagne auf dem Gewissen
zu haben, die die Gewalt auf Gemeindeebene intensiviert. Der Bericht bestätigte
auch, dass es einen „klaren Beweis“ für den
Völkermord gegenüber den Rohingya, einer Minderheit im Rakhine-Staat in Myanmar,
gibt.
Aber für
die, die die Angelegenheit in den letzten Jahrzehnten nachverfolgt haben,
bringt der Bericht nichts Neues. Irgendwie bestätigen die Ergebnisse nur noch die
Ängste vieler, die davor gewarnt hatten, dass der Weg Myanmars zur
„Übergangsdemokratie“ ein schwacher und oberflächlicher Versuch war, um die
internationale Gemeinschaft zu täuschen.
Was der
Bericht und der Dokumentarfilm betonen, ist die peinliche Situation der
Weltmächte, die diese Warnungen nicht beherzigt haben.
Die
internationale Gemeinschaft ist vor allem durch die Leitung des britischen
Premierministers David Cameron und des US-Präsidenten Barack Obama in die Falle
getappt, sich erneut auf Myanmar „einzulassen“ und die Beziehungen zu
normalisieren, indem sie sich ihren Kindheitstraum erfüllte, die
Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu treffen. In dieser Eile haben Länder wie
Großbritannien und die Vereinigten Staaten die Gewalt gegen die Rohingya
einfach ausgeblendet und zögernde Reaktionen hinsichtlich der Flüchtlingskrise
zu Beginn dieses Jahres in der Andaman-See gezeigt.
Es wurden
unzählige Anstrengungen unternommen, um den Übergang auf den
Demokratisierungsprozess nach den ersten Wahlen von 2010 zu schaffen. 2010
kamen die zivilen Stimmrechtsvertreter des Militärs an die Macht. Und am 8.
November 2015 finden die in 25 Jahren ersten freien und gerechten Wahlen
statt. Man ging davon aus, dass diese den Wendepunkt für die demokratische
Entwicklung in Myanmar darstellen würden. Aber das Wahlverbot für Minderheiten
wie die Rohingya wirft einen Schatten auf diesen schon so stark kritisierten
und kontroversen Prozess.
Aber in
ihrem Streben danach, Myanmar aus der Isolation zu holen, blendete die
internationale Gemeinschaft bestimmte Tatsachen einfach aus. Für das Land war
es erforderlich, die langanhaltende Angst vor den „Anderen“ zu überwinden.
Diese Angst ist das Ergebnis jahrzehntelanger Isolation, einher mit einer Verinnerlichung
der Regimepropaganda. Die Tatsache, dass die Bevölkerung, die bisher in der
Isolation gelebt hatte, erst lernen musste, sich während des Übergangszeitraums
mit Nicht-Burmesen, Nicht-Buddhisten und somit mit den muslimischen
Gemeinschaften auseinanderzusetzen, und sich auch der Rhetorik der
buddhistischen Geistlichen zu widersetzen, wurde einfach nicht berücksichtigt.
Der Bericht
weist auch auf eine Schwäche im Prozess hin, den die internationale
Gemeinschaft für die Öffnung des Landes vorschlägt. Genauso wie im Falle der
Zentralafrikanischen Republik wird üblicherweise auf die Abhaltung von Wahlen
fokussiert, da man der Meinung ist, sie wären der Lackmustest der Demokratie
und würden den Übergang zur Normalität ermöglichen.
Denn wie für
viele andere Länder in der Region gilt auch für Myanmar das Prinzip, nach dem
Demokratie nicht einfach aus der Abhaltung von Wahlen besteht. Demokratie
bedeutet das Verständnis der Konzepte der gemeinsamen Gesellschaften. Und dies
heißt Entwicklung von Gesellschaften mit einer sozialen Kohäsion, die die
Diversität respektieren. Dieser Prozess über das Verständnis universaler,
demokratischer Prinzipien und der Menschenrechte sollte im Mittelpunkt des
Ganzen angesiedelt sein, um der Konsolidierung von Macht auf der Grundlage
religiöser-ethnischer-nationalistischer Eigenschaften entgegenzuwirken.
Das Ende der Isolation
Die
internationale Gemeinschaft hat sich auch zu sehr von den Wahrnehmungen von Suu
Kyi und deren Partei, der nationalen Liga für Demokratie (NLD), beeinflussen
lassen. Die Ereignisse der letzten Jahre zeigen ganz offensichtlich den
Zusammenbruch der moralischen Logik der international so gelobten Opposition
von Myanmar. Das ist aber ein gemeinsames Problem der internationalen Gemeinschaft
und betrifft nicht einzig und allein Suu Kyi und die NLD.
Es gibt
einige wichtige Fragen, die wir uns unbedingt stellen müssen: Hatten wir bei
der Wahrnehmung der pro-demokratischen Bewegung die rosarote Brille an, indem
wir den Kampf der Opposition gegen die Junta nur noch als eine reine
Angelegenheit zwischen Gut und Böse ansahen, während die Opposition in
Wirklichkeit nichts anderes als eine Opposition und daher nicht unbedingt
besser war? Haben wir diese Opposition gegen die Junta als eine automatische Vertretung
der universalen Menschenrechte und eine Bemühung um die Toleranz
missverstanden?
Diese Fragen
weisen auf eine tiefer reichende Misere innerhalb der burmesischen Gesellschaft
hin. Und diese Misere muss vielleicht sogar auf einer detaillierten theologischen
Grundlage aufgegriffen werden.
Dies gibt
den Menschen aber kaum Hoffnung auf die Beendigung der Gewalt in absehbarer Zeit.
Natürlich besteht die Angst, dass die Krise kein Ende haben und zu einer neuen
Flüchtlingswelle führen, oder was noch schlimmer ist, die Radikalisierung und
Militanz in der Region unterstützen wird.
Die
internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung eines interessanten
Paradoxons: Wie werden nun die Weltmächte mit einer neuen Regierung in Myanmar
umgehen, wenn sie genau wissen, dass ein Teil der Stimmberechtigten
ausgeschlossen wurde? Falls die Regierungspartei erneut an die Macht kommen
sollte, fragen wir uns: Wie kann man damit umgehen, wenn man weiß, dass sie für
den Völkermord verantwortlich ist? Und falls Suu Kyis Partei an die Macht
kommen sollte, fragen wir uns: Wie wird sie moralisch und ethisch der Prüfung
standhalten, der sie auf der Grundlage der Ergebnisse des Berichtes unterzogen
wird?
In beiden
Fällen handelt es sich um unbeantwortete Fragen, die auf eine unsichere Zukunft
für Myanmar, seine demokratische Entwicklung und seine Behandlung von
Minderheiten, im Besonderen der Rohingya, hinweisen.
Das Ganze
hängt auch stark mit den wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen zusammen,
die Myanmar, vor allem für die Weltmächte, bietet. Länder wie Großbritannien
haben immer weniger Bedenken, vor allem wenn wirtschaftliche Interessen
dahinterstecken, wie vor kurzem beim Besuch des ägyptischen Präsidenten klar
wurde.
Welche
Regierung nach den Wahlen vom 8. November auch immer an der Macht sein wird, es
wird eine sein, die dadurch geschwächt ist, dass einem Anteil der
Stimmberechtigen die Bürgerrechte entzogen wurden und dass die Phase vor der
Wahl von einer geplanten Völkermordkampagne überschattet war. Die
internationale Gemeinschaft darf dies auch nicht außer Acht lassen, wenn sie
sich dazu verpflichtet, Myanmar aus der Isolation zu holen und es auch dazu
anspornt, aus der Isolation auszubrechen.
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