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ProMosaik e.V. im Gespräch mit Katapult: ergebnisoffener, wissenschaftlicher Journalismus


Sebastian Vásic, Sarah Podszuck und Benjamin Fredrich (v. l. n. r.) bei
der Abschlussveranstaltung des UNIQUE-Ideenwettbewerbs 2014 an der
Universität Greifswald. Foto: Universität Greifswald

von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Ein sehr aufschlussreiches Interview mit Benjamin Fredrich von “Katapult”. Das Hauptziel des Magazin wird von der Redaktion wie folgt umschrieben: Die Redaktion von Katapult hat sich deshalb zum Ziel gesetzt,
Sozialwissenschaft populär aufzubereiten. Auch komplizierte
Zusammenhänge sollen durch unsere Artikel ohne Vorwissen zu verstehen
sein. Ergänzt wird dieses Angebot durch Artikel der Katapult-Redaktion,
die neue Sichtweisen auf das Tagesgeschehen eröffnen. Unsere Karten
sollen dabei beim Verstehen helfen. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Katapult-Magazins unter: http://katapult-magazin.de/ueber-katapult/ Gesprochen haben wir mit Benjamin Fredrich über Journalismus, Flüchtlinge, Rechtsradikalismus. Ich möchte mich nochmal bei Herrn Fredrich für seine Zeit bedanken.
 
Milena Rampoldi: Mit welchen Hauptschwerpunkten setzt
sich die Redaktion von Katapult auseinander?
Benjamin Fredrich: Wir verbinden wissenschaftliche Studien mit aktuellen
gesellschaftlichen Themen. Konkret bedeutet das, dass wir Daten, Statistiken
und Studien zu Themen wie beispielsweise PEGIDA, der Griechenlandkrise oder der
Flüchtlingspolitik suchen. Wir wollen die journalistische Diskussion also
bereichern, indem wir die Wissenschaft hinzufügen, diese aber journalistisch
verpacken.

Nach den ersten Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime haben beispielsweise viele
Journalisten danach gefragt, ob der Osten fremdenfeindlicher ist, als der
Westen. Viele haben darüber emotionale und subjektive Artikel geschrieben. Wir
haben stattdessen eine Studie (Mitte-Studie) rausgesucht, die diese Frage
beantwortet, und zwar ziemlich genau. Das Ergebnis: Ausländerfeindlichkeit ist
ein gesamtdeutsches Problem, aber in den neuen Bundesländern (22,4%) ist es auf
einem etwas höheren Niveau als in den alten Bundesländern (17%).

Quelle: diewelt.de
MR: Wie wichtig ist es, Menschen die
Kehrseite einer vorgefertigten Meinung zu zeigen? Welche Strategien verfolgen
Sie?
BF: Zunächst einmal sind Bürger mit „vorgefertigten
Meinungen“ oft aufmerksame Leser. Sie denken politisch und beteiligen sich an
der Diskussion, das ist nicht bei jedem der Fall. Das Problem: Sie lassen nur selten
Meinungsänderung zu, egal wie gut die alternativen Argumente sind. Ein
Kennzeichen der Wissenschaft ist, ergebnissoffen zu arbeiten. Wenn ein
Wissenschaftler beginnt über ein Thema zu forschen, darf er noch nicht entscheiden,
wie sein Ergebnis sein wird. Er muss jedes Ergebnis zulassen. Diese
Ergebnisoffenheit ist ein hoher Anspruch und er wird sicher nicht immer
eingehalten. Vielleicht sollten sich aber auch Nicht-Wissenschaftler frei
machen und an dieser Norm orientieren. Denn zu viele haben Ihre Meinung einfach
deshalb, weil sie sie schon immer hatten. Tradition ist ersetzt keine
Argumente.
Vielleicht können wir mit unseren Studien und Grafiken
hin und wieder für einen Aha-Moment sorgen. Ob wir damit auch diejenigen
erreichen, die bereits vorgefertigte Meinungen haben, hängt von der Stärke
unserer Veröffentlichungen und deren Flexibilität ab. Es wird aber sich nicht
von heute auf morgen funktionieren.



MR: ProMosaik e.V. ist der Meinung, dass
im Moment Neoimperialismus, Kriegstreiberei und Zionismus die Hauptursachen des
Nahostkonfliktes und der Flüchtlingswelle sind. Wie sehen Sie das?
BF: Das kann man natürlich so sehen, ich würde allerdings
immer bevorzugen, nach konkreten Ursachen zu
suchen. Erst dann ist man auch in der Lage, konkrete Lösungen vorzuschlagen.



MR: Wie wichtig sind heute die sozialen
Medien für die journalistische Arbeit?
BF: Sie sind für unsere Internetseite die zweitstärkste
Besucherquelle. Wir nutzen die sozialen Medien als Werbeplattform, aber auch
als Anzeiger dafür, wie Themen angenommen werden. Auch wenn das Niveau, vor
allem bei Facebook, oft gering ist – die Leser haben eine hohe Reaktionsquote
und die Artikel können dort eine hohe Reichweite erlangen.



Quelle: radiobochum.de
MR: Auf welchen Ebenen muss man sich in
Deutschland dringend mit dem Rechtsextremismus auseinandersetzen?
BF: Vor einem Jahr hätte ich Ihnen auf diese Frage ganz
entspannt geantwortet und gesagt, dass die deutsche „Rechte Szene“ schlecht
organisiert ist und Personalmangel hat. Seit PEGIDA hat sich das wieder
geändert. Ausländerfeindlichkeit und Rassismus befinden sich allerdings nicht
nur am rechten Rand, sondern in der Mitte der Gesellschaft. 17% aller SPD und
CDU Wähler sind fremdenfeindlich eingestellt (Mitte-Studie). Es ist zunächst
also besonders wichtig diejenigen zu überzeugen, die noch demokratische Partien
wählen, aber auch empfänglich für radikale Gruppierungen sind. Die
demokratischen Parteien haben deshalb zuerst die Aufgabe ihre eigenen Wähler zu
bilden und aufzuklären. Schaffen sie das nicht, könnte der Rechtsextremismus in
Deutschland noch viel unerträglicher werden, als er ohnehin schon bereits ist.