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Protest – Frauenfeindliche FEMEN

by Milena Rampoldi, Islamiq, http://www.islamiq.de/2015/09/19/frauenfeindliche-femen/, 19. September 2015. FEMEN-Aktivistinnen
haben in Frankreich die Bühne einer islamischen Veranstaltung gestürmt.
Dr. Milena Rampoldi schreibt über den Protest der FEMEN-Aktivistinnen
und was sie von dem Frauenbild im Islam lernen können. 

MuslimaPride

 
Junge
Frauen mit Kopftuch halten Plakate hoch und demonstrieren für ihr Recht
selbst zu bestimmen wie sie sich für Frauen einsetzen. © MuslimaPride


Der Zwischenfall, der sich am letzten Samstag, in Pontoise, im
Norden von Paris während eines muslimischen Kongresses über Frauenrechte
abspielte, ist vielen bereits aus den Medien bekannt. Zwei arabische
Aktivistinnen von FEMEN, die sich Jihadistinnen nennen, die auf einer
Sklavereiparty auftreten, sprangen auf die Bühne zogen sich aus, um
Slogans wie „Ich bin mein eigener Prophet“ oder „keiner wagt es, mich zu
unterdrücken“ auf ihrer nackten Haut zu zeigen. Sie schlugen dabei die
beiden Redner fast in die Flucht, bevor sie von den Sicherheitskräften
abgeführt wurden. Dieser 30-Sekunden-Vorfall beweist meiner Meinung
nach, wie wenig der extremistische, westliche Feminismus den
muslimischen Frauen heute wie damals zu bieten und vor allem zu sagen
hat. Und dies weil der islamische Feminismus solcher „Inputs“ gar nicht
bedarf, weil er schon bei der Umsetzung der Frauenrechte ist und nicht
im Dunkeln tappt, um sie zu suchen oder herbeizuschwören wie nach dem
Slogan von FEMEN „Women’s spring is coming…“.


Die muslimischen Frauenrechte gibt es schon seit 1400 Jahren, seit
der Befreiung der Frau durch die damals wie heute so revolutionäre
islamische Weltanschauung. Auf der Seite von FEMEN heißt es, dass der
Frühling der Frauen am Kommen ist. Dieser Slogan beweist für mich ganz
klar, dass FEMEN die Errungenschaften der Frauen in der Geschichte gar
nicht würdigt, weder die islamischen noch die westlichen Frauenrechte.
Denn sei im Westen als auch im Islam gibt es Frauenrechte, obschon sie
sich sehr verschiedenartig gestalten. Und diese sind sehr wohl vorhanden
und auch historisch konsolidiert. Ich würde eher sagen, dass die wahre
„Frauenphobie“ hingegen ihren Frühling erlebt.

Muslimische Frauen als Zielscheibe

Die muslimische Frau und ihr äußeres Erscheinungsbild, ihre Kleidung
und ihre Rolle in der muslimischen Gesellschaft sind nämlich immer
wieder das Ziel der ignorantesten Angriffe gegen die Würde der Muslime
Religionsgemeinschaft als Ganze. Daher sollte man sich fragen, woran das
liegt. Ich finde, man sollte sich hier vielschichtig mit dem Thema
beschäftigen und verschiedene Erklärungsmodelle in den Diskurs
einfließen lassen, um das Schachbrett zu überwinden, dem FEMEN in seiner
vernunftlosen Blindheit immer wieder zum Opfer fällt.


FEMEN identifiziert ganz einfach den Islam mit dem islamophoben
(misogynen) Diskurs über den Islam und klammert den Islam und die Frauen
im Islam vollkommen aus. Die Frauen gelten als segregiert, als Opfer
von Männergewalt und Ausgrenzung und kommen aber, im vollkommenen
Widerspruch dazu, nur als Objekt dieser Segregation und somit stimmlos
und unsichtbar im extremistisch-feministischen Diskurs des Westens vor,
der nur in eine Richtung weist: und zwar gegen den wahren Feminismus,
der die Frau als Subjekt und selbstbewusstes Geschöpf und nicht als
Objekt des westlichen, islamfeindlichen Orientbildes sieht.


Frauenfeindlicher als FEMEN geht gar nicht: denn im Diskurs von FEMEN
wird die muslimische Frau vollkommen gelöscht und ausradiert. Sie kommt
gar nicht mal vor. FEMEN hält sich für die innovativste und mutigste
Form der Emanzipation der Frau, indem sie die Frau objektiviert,
ausradiert und in ihrer nackten Sexualität erblassen lässt. Wie der
Kalif ‘Omar damals zu den Männern seiner Gesellschaft sprach, so sollte
er heute vielleicht zu den Aktivistinnen von FEMEN sprechen: „Frauen
sind nicht ein Kleid, das ihr tragt und auszieht, wie es euch passt. Sie
sind würdevoll und haben ihre Rechte“.


Was den europäischen Feministinnen fehlt 

FEMEN geht davon aus, dass die Frau nicht existiert und erst als
Objekt des Diskurses von FEMEN überhaupt als Objekt gewaltsam und
skandalös von AUSSEN emanzipiert werden könne, indem man ihr das Kleid
vom Leibe reißt. Die Tatsache, dass sich Muslime treffen, um über die
Missachtung der Rechte der Frau in der muslimischen Ehe, Familie und
Gesellschaft zu sprechen, und über die Würde der Frau zu sprechen, die
unantastbar und daher innerhalb der Ummah geschützt werden muss, beweist
doch ganz klar, wie die Frau, im Gegensatz zum Diskurs von FEMEN, im
Islam als emanzipiertes Individuum angesehen und geehrt wird. Wer dem
Islam vorwirft, er würde die Frauenfeindlichkeit verherrlichen und zur
Religion erheben, der kennt entweder die falschen Muslime oder nur den
islamophoben Diskurs über den Islam. Gerade die Tatsache, dass sich
Muslime den Frauenfeinden in ihren Reihen widersetzen, beweist, wie
revolutionär der Islam gerade hinsichtlich der Frauenrechte ist.

Aber der Islam ist nicht feministisch im westlichen Sinne des Wortes,
sondern baut seinen Feminismus auf den Grundlagen des Koran und der
Sunna auf, indem er die Diversität der Frau und daher ihre Rechte als
besondere Rechte in allen Bereichen betont, anstatt sie auf die
Chancengleichheit mit den Männern zu reduzieren. Und darin liegt für
mich das Zauberwort des islamischen Feminismus. Was FEMEN als
„Sklaverei- und Sexismusparty“ und Frauenfeindlichkeit anprangert, gegen
die man mit dem FEMEN-Jihad eingreifen muss, ist im Islam Emanzipation,
Würde der Diversität der Frau und komplementäres und gleichzeitig
partizipiertes Denken. Der westliche Feminismus bekämpft die
muslimischen Frauen und streitet ihnen das Recht ab, sich islamisch mit
ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Würde und Freiheit als Frau
auseinanderzusetzen. Sie möchten den Feminismus, der sich für sie erst
in der Zukunft ihres Frühlings verwirklichen wird, nur für sich
beanspruchen und verbannen die muslimische Weiblichkeit aus ihrer
sexistischen Insel des nackten Feminismus, des Feminismus, der nur mit
Entblößungsfreiheit zu tun hat und sonst keine sozio-politischen und
philosophisch-ästhetischen Inhalte umfasst.


Ich möchte ein wichtiges Zitat von Zaynab al-Ghazali anführen, die
uns erklärt, warum der islamische Feminismus die Aufgabe der
muslimischen Frau in Zusammenarbeit mit den muslimischen Männern und
somit eine Aufgabe der gesamten islamischen Gesellschaft sein
sollte: „Wenn die Frauen die Schwestern der Männer sind, wie eine
Überlieferung des Propheten nahelegt, so verfehlen die islamistische
Auseinandersetzung mit der Frage des Unterschieds und auch die
(säkulare) feministische Forderung nach einer geschlechtsspezifischen
Beschäftigung der muslimischen Frauen das Ziel“.


Was den europäischen Feministinnen fehlt, ist genau die wegweisende
Stärke der frauenfreundlichen, islamischen Weltanschauung: die Inklusion
der Unterschiede und die gesamtgesellschaftliche und
intrageschlechtliche Beschäftigung mit dem Thema. Und hier weist uns
Zaynab al-Ghazali den Weg. Im Islam sind Frau und Mann nach Koran 4:1
aus derselben Seele (min nafsin wahidatin) erschaffen worden. Somit ist
die Gleichheit der Geschlechter in der Schöpfungsgeschichte verankert
und kann somit gar nicht in Frage gestellt werden. Der Diskurs des
islamischen Feminismus geht einen Schritt weiter: er baut auf dieser
Gleichheit die Diversität und die sozio-politische Komplementarität auf.