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Aufnahme von Flüchtlingen in Lateinamerika sorgt für Schlagzeilen


By Harald Neuber, amerika21, 9. September 2015
Venezuelas Präsident kündigt Aufnahme von 20.000
Syrern an. Programme auch in anderen Staaten. Hohes Engagement im
Vergleich zu Ibero-Staaten

Will tausende Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen: Venezuelas Präsident Nicolás Maduro

Will tausende Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen: Venezuelas Präsident Nicolás Maduro
Quelle:
twitter.com



Caracas/Brasília. Die Bereitschaft
lateinamerikanischer Staaten, Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland
Syrien aufzunehmen, hat inzwischen weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
Dazu trug am Dienstag vor allem die Ankündigung
von Venezuelas Präsidenten Nicolás Maduro bei, 20.000 Menschen aus der
arabischen Nation Zuflucht zu gewähren. Aber auch Argentinien, Brasilien
und Uruguay haben Visaprogramme aufgelegt, Chile prüft einen
entsprechenden Schritt, wie amerika21 bereits am Montag berichtet hatte.

“Wie viele Araber müssen noch sterben, bis sich das humanistische und
friedvolle Gewissen der Menschen durchsetzt?”, sagte Maduro bei einer
Kabinettssitzung, die im Fernsehen übertragen wurde. “Ich möchte, dass
20.000 Syrer in unser venezolanisches Vaterland kommen, um gemeinsam mit
uns in diesem Land des Friedens zu leben, diesem Land von Christus und
(Simón) Bolívar, um zur Entwicklung beizutragen.” Er empfinde Schmerz
angesichts des Konflikts, den “ein Volk, das wir lieben”, erleide, so
Maduro weiter. Den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad bezeichnete er als “einzigen politischen Anführer mit Autorität in Syrien”.

Selbst europäische Medien wie die britische BBC verweisen
inzwischen darauf, dass lateinamerikanische Staaten mehr Solidarität
mit dem kriegsgebeutelten Syrien üben als die iberischen Länder Spanien
oder Portugal. Nach Angaben der EU-Statistikbehörde habe Spanien erst
1.335 syrische Vertriebene aufgenommen, Portugal gar erst 15. “Im
Kontrast dazu hat Brasilien, 10.000 Kilometer von Syrien entfernt, 2.077
syrische Flüchtlinge aufgenommen”, schreibt der spanische Dienst der
BBC unter Berufung auf Daten der Einwanderungsbehörde Conare, die dem
Justizministerium des südamerikanischen Landes angegliedert ist.

Argentinien, wo eine große syrische Gemeinde besteht, hat 223
Vertriebene aus dem arabischen Bürgerkriegsland aufgenommen. Uruguay hat
nach Informationen des Außenministeriums in Montevideo 177 Syrern
Zuflucht gewährt.

In der politischen Debatte in Lateinamerika ist die
arabisch-europäische Flüchtlingskrise sehr präsent. In einem Kommentar
für den lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur betonte der
argentinische Politologe Atilio Borón die Dimension der “größten
Flüchtlingskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges”. Borón bezeichnete
die “Gleichgültigkeit bis hin zur Dummheit” einiger europäischer
Regierungen als beschämend. “Etwa die Idee, Einwanderungsquoten
festzulegen, die angesichts des Desasters in Syrien und Irak schlichtweg
irrsinnig ist, zumal in diesen Staaten zusammen 55 Millionen Menschen
leben”, so Borón.

Der Argentinier führte angesichts des Versuchs, die Fluchtbewegung zu
kontrollieren, ein Zitat des 2010 verstorbenen portugiesischen
Schriftstellers José Saramago an: “Die Vertreibung aus dem Süden in den
Norden ist unausweichlich, sie wird weder von Stacheldraht, noch Mauern
oder Deportationen zu verhindern sein. Millionen werden kommen und
Europa wird von den Hungernden eingenommen werden. Sie werden auf der
Suche nach dem kommen, was wir ihnen gestohlen haben. Für sie gibt es
keinen Weg zurück, denn sie werden von einem jahrhunderte währenden
Hunger getrieben und folgen dem Duft des Essens. Der Hass ist
aufgetischt und wir werden Politiker brauchen, die mit dieser Situation
umzugehen wissen.”