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Sonntagspanorama von Claus Folger

Liebe Leserinnen und Leser,
ich sitze hier auf einem Stück Wiese zwischen MC Donald
und jeder Menge Benzin. Der Fernbus von Frankfurt nach Berlin macht eine Pause
an einer Autobahnraststätte. Direkt vor mir tatsächlich eine Miniaturweide von
ca. 500 m², auf die man drei Kühe mit Kuhglocken gestellt hat. Sie bimmeln fünf
Meter in Richtung Norden, um dann anschließend sieben Meter nach Osten zu
läuten. Die Pause dauert noch 20 min., nichts zu tun, außer mich zu fragen, ob
die 24 Stunden-Glocken den Kühen nicht tierisch auf die Nerven gehen. Baumelte
an meinem Hals eine Nonstop-Glocke, wäre das eine Foltermethode.
Werden diese Tiere gefoltert?

Zurück im Bus schlage ich die taz auf und lese Folgendes: „Als eine Gruppe von Elefanten in einem
indischen Forstbetrieb nach Feierabend in den Wald entlassen wurden, fielen sie
oft in Plantagen ein. Ihre Mahuts banden ihnen schließlich Kuhglocken um, damit
die Bauern rechtzeitig gewarnt wurden und die Elefanten vertreiben konnten. Das
funktionierte auch – bis zu jenem Tag, als die Elefanten das akustische
Funksignal ausschalteten und ungestört eine Bananenplantage abernteten: Sie
hatten alle ihr Glocken mit Schlamm verstopft.“ – Ich denke, man sollte auf den
Almen Schlammkuhlen einrichten (und dazu noch ein paar Rüssel bereithalten), um
die Kühe selbst über ihr Schicksal entscheiden zu lassen.
Während aufgeklärte Kuhforscher noch gegen eine patriotischen
Almpresse und tobende Bauern stehen, die ihr vermeintliches Kulturgut
„Kuhglocke“ nicht nur mit der Mistgabel zu verteidigen drohen, ist der Konsens
bei süßen Kätzchen einfach da. Ein Forscherteam der Indiana Universität http://news.indiana.edu/releases/iu/2015/06/internet-cat-video-research.shtml
im gleichnamigen US-Bundesstaat  führte
eine Online-Befragung mit über 7000 Teilnehmern durch. Das Resultat der
Befragung war, dass sich die Studienteilnehmer nach dem Betrachten der Videos
tatkräftiger und besser fühlten als vorher. Gleichzeitig wurden weniger
negative Gefühle wie Angst, Ärger oder Traurigkeit verspürt.
Die Menschheit ist auf Katzen-Videos angewiesen. Allein
dieses wurde fast 60 Millionen Mal angeklickt:
 
Wir bleiben im Miau-Modus. Obwohl es allein in der ersten
Jahreshälfte mit bundesweit 199 Attacken auf Flüchtlingsheime schon mehr
Übergriffe als im gesamten Jahr 2014 gab und das Bundeskriminalamt die
Ausbreitung einer völkischen Ideologie sieht, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bka-uebergriffe-auf-fluechtlingsheime-haben-dramatisches-ausmass-erreicht-a-1046173.html
findet Timo Scherenberg vom Hessischen Flüchtlingsrat fast
nur herzliche Worte. Er schreibt in der Frankfurter
Rundschau
: „Landauf, landab, vom kleinsten Dorf bis zur größten Stadt, gibt
es eine unglaubliche Welle der Solidarität. Diejenigen, die offen gegen
Flüchtlinge auftreten und sie sogar angreifen, sind nur eine kleine, radikale
Minderheit. Prinzipiell haben wir derzeit ein positives Klima beim Thema Asyl.
Auch die Bundes- und Landespolitik tritt eher pragmatisch auf, von einigen
Beiträgen in Bezug auf sogenannte Balkanflüchtlinge mal abgesehen.“
Mietzekätzchen Ulrike Ruppel schnurrt vielversprechend in
der BZ: „Auf Balkan-Reisen ist mir
immer wieder aufgefallen. Die vielen jungen Leute, die sich anstrengen, etwas
aus sich zu machen. Fleiß und Selbstdisziplin sollen deutsche Tugenden sein? In
Tirana (Albanien) und Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) traf ich eine Elite,
die büffelt und lernt, Deutsch und Englisch beherrscht. Während wir uns auf
unseren Lorbeeren ausruhen, den Sozialstaat ausbauen und Freizeitpläne
schmieden, geben viele junge Osteuropäer alles, um ein besseres Leben zu führen
– in der Heimat oder in der Fremde. Der Hunger nach Zukunft treibt sie an. Es
ist eine Energie, die man in Deutschland viel zu selten spürt.“
Zur Information: Etwa jeder 2. Flüchtling im ersten Halbjahr 2015 kommt aus dem Balkan.
Die Anerkennungsquote liegt bei einem Prozent. Der Städte- und Gemeindebund
fordert richtigerweise eine Visumspflicht und das Prädikat „sicher“ für alle Westbalkan-Staaten.
Gründe für die Explosion der Asylbewerberzahlen aus Osteuropa sind laut Mehmet
Ata, dem Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Mundpropaganda
über Transferleistungen und die falschen Informationen, mit denen Schlepper und
Busunternehmen Ausreisewillige ködern: ‚Viele wissen gar nicht, was Asyl ist
und glauben, sie könnten hier leben und arbeiten. Nicht wenige verkauften ihr
weniges Hab und Gut und stünden nach der Ablehnung vor dem Nichts.‘“
Quelle:
Berliner Zeitung
Einer Überdosis Katzenvideos erlegen ist offensichtlich
der Reporter der äthiopischen Zeitung Herald,
der den ehemaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush als Wohltäter
Afrikas feiert. Seine vermutlich letzten Worte auf dem Sterbebett – die noch
schnell in Druck gingen – waren: „Obamas Vorgänger, George W. Bush, wird oft
nachgesagt, er habe mehr für Afrika getan als jeder andere US-Präsident – etwa
mit seinem Entwicklungshilfefonds MCA, seinem Anti-AIDS- oder
Anti-Malaria-Programm. Deren Nutzen für Afrika war gewaltig. So spricht man
heute bereits von einer AIDS-freien Generation. Aber das Vermächtnis Obamas
wird womöglich viel nachhaltiger sein. Anders als Bush hat er seine
Afrika-Politik auf Bereiche ausgerichtet, die die Afrikaner heute am stärksten
betreffen: Landwirtschaft, Handel und Infrastruktur. Anders gesagt, Bush hat
mit seiner Hilfe vielleicht mehreren zehn Millionen Menschen das Leben
gerettet, bei Obama könnten es um ein Vielfaches mehr werden.”
Das schwarze Schaf der Woche
 „Schauen Sie sich an, wie es den
Arbeitselefanten in Thailand geht, die werden wild gefangen und dann gebrochen.
Das ist massive Tierquälerei. Oder die Zirkusdressur von Elefanten. Auch
Tierquälerei. Das ist Gott sei Dank vorbei. Die Elefanten in einem vernünftigen
Zoo müssen nicht mehr auf dem Kopf stehen.“
Und weiter: „Es ist eine naive Vorstellung, dass die Tiere in der Natur frei leben.
Da gibt es vernichtende Revierkämpfe, wenn sich die Tiere außerhalb ihrer
Territorien bewegen. In der Natur gibt es keine echte Freiheit. Der gut
geführte Frankfurter Zoo ist sicher kein Gefängnis. Der Begriff Gefangenschaft
ist völlig deplatziert, denn unsere Tiere sind ja nie gefangen worden.“
Manfred Niekisch ist Leiter des Frankfurter Zoos und
lehrt seit 2010 als Professor für Internationalen Naturschutz an der Uni
Frankfurt. Quelle: chrismon
Mein Kurzkommentar: Ich habe noch nie einen Elefanten in
einem Zoo gesehen, der auf dem Kopf steht. Und Sie? Abgesehen davon ist die
Ansicht der Schwatztüte über Zirkusdressur altbacken und längst widerlegt. Es
gibt in Thailand auch fast keine wild lebenden Elefanten mehr. Sie leben
entweder in geschützten Reservaten oder sind durch Elefantentrainer längst an
den Menschen sozialisiert. „Käfig ist Freiheit und Freiheit ist Käfig.“ George
Orwell hätte es nicht besser formulieren können.
Das weise Schaf der Woche
„Da saß eine
Gorillafamilie im strömenden Regen. Alle hielten sie große Blätter wie
Regenschirme über ihre Köpfe. Eine Gorilladame sah unter ihrem Regenschirm
besonders graziös aus. Irgendwann streckte sie gelangweilt ihre Hand unter dem
Schirm hervor und prüfte, ob es noch regnet. Dann schüttelte sie verächtlich
die Tropfen von der Hand, verschränkte die Arme, hielt ihren Schirm weiter
grimmig über sich und harrte der Dinge. Das war ein zutiefst menschliches
Verhalten.“
Die TV-Moderatorin Sonya Kraus hat in der Berggorillawelt
Ruandas ein Erweckungserlebnis. Quelle: chrismon
Der Transfer: Kühe sind Menschen und Menschen sind Kühe. ­–
Weg mit den Kuhglocken!
Mein Lektüretipp
der Woche:
„Mit der Fokussierung auf die äquivalenten
Innendauerschallpegel bestätigt das Verfassungsgericht das Sonderopfer der
Käfighaltung für hunderttausend Anlieger im Rhein-Main-Gebiet.“ http://www.fr-online.de/flughafen-frankfurt/ausbau-gegner-buergerinitiative-scheitert-in-karlsruhe,2641734,31321098.html
Claus Folger
Frankfurt am Main
ProMosaik e.V. freut sich auf Ihre Kommentare hierzu an info@promosaik.com
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.