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Poesie und Menschenrechte: Ellen Rohlfs und ihr mutiger Kampf für Palästina


Liebe Leserinnen und Leser,
unser Interview mit der Friedensaktivistin Ellen Rohlfs
hatten wir Ihnen bereits vor einiger Zeit vorgestellt. Es ging uns vor allem um
den Antizionismus und den unermüdlichen Kampf von Frau Rohlfs für den Frieden
und die Menschenrechte in Palästina, u.a. an der Seite von Uri Avnery und Gush
Shalom, für die sie offiziell ins Deutsche übersetzt. 
Hier finden Sie den Link zum ersten Interview von uns
mit dieser mutigen Frau:
Heute haben wir erneut mit Frau Rohlfs über ein Thema
gesprochen, das ProMosaik e.V. sehr am Herzen liegt. Den Kampf für die
Menschenrechte und seine alltäglichen Herausforderungen können wir mit Hilfe
von Kunst und Poesie im positiven und produktiven Sinne verschönern und den
Menschen zugänglicher machen. ProMosaik e.V. ist einfach der Überzeugung, dass
der ästhetische Zugang zur Welt und zum Leben einher mit dem ethischen Zugang
einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung unserer gewalttätigen Welt
beitragen kann, die dadurch auch im spirituellen und ästhetischen Sinne „schöner“
wird.
Denn Poesie und Kunst sind die Sprachen der Seele, der
universellen menschlichen Seele, unabhängig von den kulturellen, religiösen und
sozio-ökonomischen Unterschieden. Die Poesie und die Kunst bauen Brücken. Ein
ähnliches Thema hatte schon unser Kollege Aygun Uzunlar in seinem Interview mit
dem türkischen Künstler Memduh Kuzay betont:

Anbei nun unsere Unterhaltung mit Frau Rohlfs zum Thema
Poesie und Menschenrechte. Ich finde den emotionalen Zugang zum Thema der
Menschenrechte sehr wichtig. Die Menschenrechtsverletzungen gehen den Menschen,
die sich damit befassen, ins Herz und in die Seele. Ein „Schrei“, wie auf dem Bild
von Edvard Munch, ist des Öftern einfach nur die einzige und richtige Reaktion auf
die Brutalität der Menschenrechtsverletzungen, denen wir tagtäglich begegnen,
während die Mehrheit der Menschen wegsieht.

Nun möchte ich Frau Rohlfs das Wort übergeben.   
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hierzu an info@promosaik.com
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Die Poesie gilt für mich
persönliche als die universelle Sprache des Herzens und der Seele und eignet
sich gerade deshalb für den Diskurs über die Menschenrechte und auch für den
Kampf um die Menschenrechte. Wie sehen Sie das?
Ellen Rohlfs: Als Botanikerin fand ich meinen Weg zur
Poesie über die Natur und die Umwelt um mich. Die ersten Gedichte schrieb ich
inspiriert von einer Tonschale. Ich gab somit auch meinem ersten
Gedichtbändchen den Titel „Die drei Schalen“. Im eigenen Garten entdeckte und bewunderte
ich immer wieder die Wunder der Natur: ob es nun ein Tautropfen im Spinnwebnetz
oder  ein verblühter, zarter Löwenzahn
war. Das Spinnwebnetz ist ein Kunstwerk, wenn die Sonne reinscheint. Weitere
Wunder der Natur, die man poetisch aufarbeiten kann, sind die Bäume und
Früchte. Ich finde das Recht auf diese Schönheit ein Menschenrecht. Daher sehe
ich auch einen stufenlosen Übergang zwischen meiner Liebe zur Natur und mein
Engagement für die Menschenrechte durch den poetischen Ausdruck, und wenn man
möchte, auch durch den poetischen „Schrei“ gegen die Ungerechtigkeit dieser so
korrupten und von Gewalt gekennzeichneten Welt. Die Menschenrechte sind eine
Sache, die aus dem Herzen kommt. Menschenrechte lebt man, Menschenrechte fühlt
man. Und gegen Menschenrechtsverletzungen kämpft man mit Leib und Seele an. Und
die Poesie unterstützt mich dabei.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche Hauptthemen enthalten
Ihre Gedichte über Gewalt und Frieden in Nahost?
Ellen Rohlfs: In den Gedichten bringe ich einfach zum
Ausdruck, wie in Palästina die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Dies
wurde mir vor allem nach meiner Begegnung mit Frau Felicia Langer, Anwältin und
Menschenrechtsaktivistin klar, die sich Jahre lang in Israel für die
Verteidigung der palästinensischen Gefangenen eingesetzt hat. Das findet meine
große Bewunderung. Ich lerne noch andere Menschenrechtsgruppen in Israel
kennen: Ärzte für Menschenrechte, Rabbiner für MR. Das Zusammensein mit ihnen
macht mich glücklich, ich beteilige mich an ihren Aktivitäten. Frauen in
Schwarz; New Profile; AIC, Hava Keller, Arna 
Mer Khanis ua. All diese Themen der Gewalt, der Ungerechtigkeit, der
Auflehnung gegen die Verstöße kommen in meinen oft traurigen und gleichzeitig
aufschreienden Gedichten zum Ausdruck.
Mit Felicia sehe und erlebe ich die
Menschenrechtsverletzungen und die immer schlimmer werdende Gewalt gegen
Menschen, die nicht Böses taten, nur ihr Land verteidigen. .  Gewalt, Trauer, Liebe, Ehrfurcht, Mitgefühl,
Friedfertigkeit, Unendliche Geduld, Sehnsucht, nach Frieden, Brüderlichkeit,
aber auch Zorn, Wut, Unverständnis …  all
diese Emotionen verarbeite ich poetisch. 
Aber auch positive Erfahrungen finden in meiner Poesie ihren Platz: Erlebte
Gastfreundschaft, Mitfreude, Freundschaft, Großzügigkeit, die mich sprachlos
lässt.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie kann Poesie heute zum
Frieden und zur Gerechtigkeit beitragen?
Ellen Rohlfs: Die Poesie kann wie die Musik Menschen zu einander
führen und ihnen zeigen, dass sie als Menschen gleich viel wert sind und somit
auch dieselbe unantastbare Würde. Es gibt keine Herrenmenschen und keine
Untermenschen. Es gibt einfach nur Menschen verschiedener Ethnien, Kulturen,
jeder Mensch hat dasselbe Recht zu leben, Rassismus ist Gift – in Gottes und
der Menschen Augen sind die Menschen gleich. 
Es gibt kein auserwähltes Volk mit besonderen Rechten. Wenn wir das in
der Poesie ausdrücken, können wir in unserer Umgebung den Frieden und die
Gerechtigkeit vorleben und gleichzeitig auch für Palästina kämpfen. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Was drückt „Der Schrei“ von
Munch für Sie persönlich aus und wie kann man von diesem ersten Bild des
Expressionismus den Weg zur Poesie über Krieg und Frieden finden?
Ellen Rohlfs: Ich bin entsetzt, zornig, wütend und
möchte am liebsten aufschreien, genau wie Munch in seinem Bild „Der Schrei“, um
die Welt, meine Umwelt, meine Regierung auf das Unrecht, die Brutalität
aufmerksam zu machen — aber ohne  oder
mit wenig Erfolg, was mich sehr traurig macht. Aber ich gebe nicht auf.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie wichtig sind für Sie die
Begegnungen mit Menschen?
Ellen Rohlfs: Die Begegnungen zwischen Menschen sind ein
wahres Wunder  – auch darüber schrieb
ich. Ich habe überall wunderbare Menschen kennen gelernt. Sie regten mich an,
auch über mich selbst nachzudenken, mich zu entwickeln und meine Ideen neu zu
gestalten und zu vertiefen.