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Befreiung von Doppelstandards und falschen Werten! – Ein Artikel von Evelyn Hecht-Galinski

Liebe Leserinnen und Leser,

ein mutiger Artikel über falsche Loyalität und eine direkte Kritik am Neoimperialismus.

Danke fürs Lesen und Teilen

Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.  
 

Doppelschlange gauck standards westliche werte

“Tag der Befreiung” für
den 8. Mai ist ein Begriff, der übrigens vom ehemaligen Kanzler Kohl
stammt, vom damaligen Bundespräsidenten von Weizsäcker zu voller Blüte
gebracht wurde und immer wiederholt wird, ist ein richtiger Satz und ein
eigentlich ganz normaler, ebenso wie der, dass der Islam zu Deutschland
gehört. Allerdings hat sich Deutschland bis heute nicht befreit von den
Doppelstandards, wenn es um Wertevorstellungen und den
“Jüdischen Staat” geht.

Als
bekannt wurde, dass der Historiker Heinrich August Winkler die
Gedenkrede zum Tag der Befreiung im Deutschen Bundestag halten würde,
fragte man sich, warum er? Weil er ein “renommierter
Geschichtsschreiber” dieses Landes ist, wie überall zu lesen ist, oder
weil er SPD-Mitglied ist, aber eben auch in der CDU und bei den Grünen
sehr geschätzt wird?

Weil er in der Ukraine-Krise so “stramm auf Kurs” ist? Winkler ist ein “nationaler” Sozialdemokrat, ein loyaler “Freund der Amerikaner” und macht aus seiner Kommunismus-Verachtung keinen Hehl.

Man spürt förmlich, dass er aus der “ostpreußischen Heimat” vertrieben wurde und auf seinem Weg nach Westen zu einem ganz typischen Nachkriegs-Westdeutschen avancierte.
Winkler betonte in seinem letzten Buch,
“Der lange Weg nach Westen”, immer wieder die “westlichen Werte”.

Was
sind denn die westlichen Werte? Sind es der Irak-Krieg, US-Kreuzzüge,
Guantanamo, Flüchtlingsabschottung, Afghanistan, Putsch-Einmischungen,
Christlich-Jüdische Werte, Drohnen-Schläge gegen Zivilisten,
Kollateralschäden als unvermeidliches Übel, um nur einige wenige
Beispiel aufzuführen?

Man merkt bei Winkler, die Anstrengung, wie er die westlichen Werte, oder wie er es jetzt bezeichnet, das “normative Projekt des Westens”,
in den Vordergrund stellen will. Für Winkler sind die Ideen von
Freiheit, Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung,
Demokratie und soziale Verantwortung der Ursprung im lateinischen
Europa.

Heinrich
August Winkler ist ein Gegner des Beitritts der Türkei zur EU und
bemängelte schon einmal, “dass sich Islamische Gesellschaften schwer tun
mit Demokratie” und fordert einen weiteren Integrationsprozess des
Islam.

Wenn
Winkler meint, dass für das Christentum die strikte Trennung von
göttlichen und irdischen Gesetzen grundlegend ist, so hört sich das zwar
gut an, ist aber auch in der Bundesrepublik überhaupt nicht
verwirklicht worden.

Wenn
Winkler bemängelt, dass viele islamische Rechtsgelehrte dazu neigen,
die Menschenrechte nur im Rahmen der Scharia, also im Namen des
göttlichen Gesetzes, gelten zu lassen, warum bemängelt er dann nicht
auch die Einmischung von christlichen Würdenträgern in die Politik?

O
der noch viel schlimmer, die “jüdische Halacha als lebendes Recht” im “Jüdischen Staat”,
wo man kraft seiner Religion die Staatsbürgerschaft bekommt, einem
Staat, der aus biblischen Versprechen seinen Anspruch auf das Land
Israel, kraft göttlichen Willens beansprucht. 

Winkler
betonte in seiner Rede am 8. Mai, dass es kein “deutsches Recht auf
Wegsehen” gäbe, weder vom Holocaust noch von Verbrechen im Zweiten
Weltkrieg, also ganz auf der Linie von
“Pfarrer Gauck”,
der ja mehr Bereitschaft zu Internationaler Verantwortung forderte.
Indem Winkler aber auf die Gefahr im Umgang mit dem dunkelsten Kapitel
der deutschen Geschichte hinwies und eine forcierte Aktualisierung und
Berufung auf Auschwitz zu einer Verhinderung von drohendem Völkermord
oder anderen Verbrechen forderte und damit vor jeder tagespolitisch
motivierten Instrumentalisierung der Ermordung der europäischen Juden
warnte, die auf die Banalisierung dieses Verbrechens hinauslaufe.

Er
balanciert mit der Geschichte. Einerseits sollen sich die Deutschen
durch die Betrachtung ihrer Geschichte nicht lähmen lassen, andererseits
weist er auf die “besonderen Beziehungen zu Israel” hin. Einerseits
kritisiert er eine Begründung der deutschen Sondermoral, durch den Bezug
auf den Nationalsozialismus, dessen Menschheitsverbrechen kein Argument
für ein Beiseitestehen Deutschlands in Fällen begründen, wo es doch
zwingende Gründe gibt, zusammen mit anderen Staaten im Sinne der
“responsibility to protect”, einer Schutzverantwortung der
Völkergemeinschaft, tätig zu werden.

Diese bezieht sich eben auch auf die Völker und Menschenrechtsverbrechen, die den Palästinensern durch den “Jüdischen Staat” angetan werden. Deutschland ist verpflichtet, sich endlich diesen “jüdischen/zionistischen” Verbrechen
zu stellen. Hierzu verweise ich auf das Interview, das Abraham Burg,
der ehemalige Knesset-Präsident, am letzten Sonntag, anlässlich des
Jubiläums der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen
Deutschland und Israel vor 50 Jahren am 12. Mai, im DLF gab.

Burg forderte dabei endlich offene Kritik an Israel. 

Diese
ist jetzt noch mehr gefordert, da eine faschistische rassistische
Regierung im “Jüdischen Staat” vor der Vereidigung steht. Auf dieses
Thema werde ich im nächsten Kommentar eingehen.

Am
Sonntag kam der Präsident des “Jüdischen Staates”, Reuven Rivlin, der
sich ganz offen gegen eine Zwei-Staaten-Lösung in Israel ausspricht,
ebenso wie Netanjahu und andere Politiker, zu einem Staatsbesuch nach
Berlin! 

Wenn
Winkler also diese besondere Verantwortung für Israel betont, dann
vergisst er, besonders und gerade als Historiker unverzeihlich, die
besondere Verantwortung Deutschlands eben auch für die Palästinenser als
Folge der deutschen Schuld. Denn der Bezug auf den Holocaust und dessen
Einmaligkeit, sowie die Verbrechen. unter die sich zu Recht kein
Schlussstrich ziehen lässt, lässt eben auch keinen Schlussstrich unter
die Vertreibung der Palästinenser aus ihrer Heimat Palästina ziehen.
Denn diese Vertreibung und ethnische Säuberung der Palästinenser und
Palästinas sind auch eine Folge des Holocaust, und damit hat Deutschland
eine Verantwortung zu übernehmen, die aber bis heute nicht übernommen
wurde.

Wäre
es nicht ein guter Anfang, wenn sich Winkler, als SPD-Mitglied,
angesehener Historiker und Verfechter dafür, dass Deutschland ein
geachtetes Mitglied in der Staatengemeinschaft sein soll, sich dafür
einzusetzen würde, die Verbrechen der Nakba/Katastrophe in das deutsche
Verantwortungsbewusstsein, bzw. die deutsche Staatsräson einzubeziehen?
Immerhin fordert er, dass auch für Bürger, die sich entschließen
Deutsche zu werden, 
“der Wille da sein muss, sich der Geschichte dieses Landes als Ganzes bewusst zu werden”.

Dazu
gehört eben auch, neben dem Genozid an den Juden, den Verbrechen der
Wehrmacht und der SS, die er erwähnte, die Verbrechen und Vertreibung an
den Palästinensern zu erwähnen, die er leider aber nicht erwähnte! Wann
wird sich das offizielle Deutschland, werden sich deutsche Historiker
endlich dieser Schuldfrage stellen und sich dieser annehmen?

Was
Winkler in seiner Bundestagsrede vorbrachte, fing gut an, mit dem
Gedenken an die unvorstellbaren Leiden sowjetischer Soldaten durch
deutsche Schuld. Das geschah aber nur mit Bezug auf die aktuelle
russische Politik, die sich im Gedenken an den
“Großen Vaterländischen Krieg” zu nationalistischer Hybris hinreißen lasse. Denn das Jahr 2014 markiere eine tiefe Zäsur. Durch die “völkerrechtswidrige Annexion” der Krim sei die europäische Friedensordnung radikal in Frage gestellt worden.

Da möchte ich diesem Historiker doch die Frage stellen: Wenn das eine “völkerrechtswidrige Annexion” war,
(die es nicht ist und war!), was ist dann die völkerrechtswidrige
Besatzung und Besiedlung Palästinas und das von der jüdischen Seite
betonte “für immer ungeteilte Jerusalem”? Es ist nichts anderes als
Doppelstandard und Ungleichbehandlung – wenn man den Standpunkt vertritt
“Was Annexion ist, bestimmen wir!”

Deutschland
schämt sich nicht, ein Russland, dem wir etwa 27 Millionen Kriegstote
zufügten, einem Land, in dem wir Leningrad, das heutige St. Petersburg,
während einer 900 Tage währenden Belagerung, aushungerten, was etwa
800.000 Russen das Leben kostete, in dem wir mehr als 5,7 Millionen
russischer Kriegsgefangener auf dem Gewissen haben, nun mit Sanktionen
zu belegen, es aus der “westlichen von den USA dominierten
“Wertegemeinschaft” auszuschließen und nicht an den offiziellen
Feierlichkeiten zum Sieg über Nazi-Deutschland am 9. Mai teilzunehmen.

Dazu möchte ich als Link den ergreifenden Gastbeitrag von Wladimir Putin aus der F.A.Z. stellen: “Das Leben ist eine einfache und grausame Sache”.

Diese
persönliche Schilderung des Leides, dass er persönlich und seine
Familie durchgemacht haben, ist ergreifender und berührender als jede
Gedenkstunde!

Nach
dem Lesen dieses Artikels war ich tief ergriffen und empfand die
Dämonisierung, die in deutschen Medien gegen ihn betrieben wird, als
noch schändlicher. Das Leid, was Deutschland Russland zugefügt hat und
das von Russland niemals instrumentalisiert wurde, zeigt die wahre Größe
des russischen Volkes!

Es ist eine Schande der deutschen Politik, die ewig an ihr haften bleiben wird.

Da
nützt es auch nichts, dass der deutsche SPD-Außenminister Steinmeier
nach Wolgograd reiste, um sich dort mit seinem russischen Kollegen
Lawrow zu treffen.

Da
nützt es auch nichts, dass Kanzlerin Merkel am Sonntag dem 10. Mai nach
Moskau reiste und mit Präsident Putin einen Kranz am Ehrenmal des
unbekannten Soldaten niederlegte und danach politische Gespräche mit ihm
führte.

Kanzlerin
Merkel stellt sich in Deutschland nicht den brennenden Fragen der
“Freundschaft zu den USA”, die keine Freundschaft, sondern eine
fragwürdige Abhör- und Spionage-Gemeinschaft zwischen den US- und den
deutschen Behörden ist – zum Schaden für Deutschlands seine Wirtschaft
und seine Souveränität. Merkel hat von Beginn ihrer Kanzlerschaft diesem
Treiben noch Auftrieb durch ihre ungebremste Amerika-Hörigkeit gegeben.
Die USA sind der Befehlsgeber und wir die Befehlsempfänger. Diese
Bundesregierung belügt uns nach Strich und Faden, von NoSpy bis TTIP,
vom Verhältnis zu den USA ganz zu schweigen! 

Das
Verhältnis zu Russland zu zerstören ist ein nicht wiedergutzumachender
Fehler, der nur dem Hegemonie-Streben der USA zugute kommt. Deutschland
kann und darf sich weder aus historischen noch aus geopolitischen
Gründen ein solches Verhalten erlauben, das uns teuer zu stehen kommen
dürfte!

Übrigens
waren die Feierlichkeiten in Moskau sehr würdig, und es war rührend zu
sehen, wie die alten Veteranen, die letzten der Überlebenden sich
freuten.

Auch Putins Rede auf der Siegesparade war sehr gut, und er warnte zu Recht vor Blockdenken! 

Schade, dass der ganze “Westliche Block” dem amerikanischen Freund gefolgt war und nicht in Moskau mit feierte!

Aber
in Berlin feierten tausende Menschen die Befreiung durch die
sowjetische Rote Armee am Ehrenmal in Treptow, und auch die russischen
Rocker, die “Nachtwölfe”, feierten mit, die sich ihre Einreise nach
Berlin allerdings erst gerichtlich erstreiten mussten! 

Zum
Schluss möchte ich auch noch einen anderen Historiker zitieren, der
russische und europäische Geschichte an der Rutgers University in New
Jersey, USA lehrt, Jochen Hellbeck aus der F.A.Z. vom 4. Mai:

Für Deutschland war der 8. Mai “ein Tag der Befreiung”.

“Er
hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft… Weizsäcker sprach vom 8. Mai
1945, doch der von ihm ausgesprochene Gedanke findet sich auch in der
russischen Erinnerung an den 9. Mai. Auf ihrem Weg nach Berlin befreite
die Rote Armee die Todeslager von Majdanek, Treblinka und Auschwitz.
Wenn das neue Europa, wie es heißt, auf den Krematorien von Auschwitz
entstanden ist, dann ist dieses Europa ohne Russland nicht zu denken.”