General

ProMosaik e.V. interviewt Dortmund Nazifrei


Guten Abend aus der Redaktion von ProMosaik e.V.,
anbei ein wichtiges Interview mit den Kollegen von Dortmund Nazifrei über ihre Arbeit in einer so multikulturellen und multireligiösen Stadt wie Dortmund, die sich unserer Meinung sehr stark von Dresden unterscheidet.
Möchte den Kollegen für ihre Ausführungen danken und freue mich sehr auf Ihre Kommentare zum Interview.
Der Antifaschismus muss sich auf den Straßen zeigen.
Wir müssen gegen-demonstrieren für eine tolerante und multikulturelle Gesellschaft.
dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V. 




1.- ProMosaik e.V. verfolgt vor allem die Tätigkeiten von Dresden Nazifrei.
Was unterscheidet Dortmund vom Osten Deutschlands?

Grundsätzlich lassen sich rassistische, antisemitische und allgemein
menschenfeindliche Einstellungen besonders dort finden, wo die Menschen arm
sind und existenzielle Probleme haben, zum Beispiel keine Ausbildung oder
Schwierigkeiten, Arbeit zu finden. Ihre Ängste und ihre Wut kanalisieren sich
aus der Ohnmacht, nichts dagegen tun zu können und dem mangelnden Wissen über
die wahren Gründe, in den vermuteten Verursacher*innen dieser Probleme, z.B.
„den Ausländern“. Daher gab es in Ostdeutschland nach der Wende so viele
Neo-Nazis. Im Ruhrgebiet ist die Armutsquote, beispielsweise durch die Veränderungen
in der Kohle- und Stahlindustrie, ebenfalls sehr hoch, Dortmund ist davon am
Stärksten betroffen. Es lässt sich daher eine ähnliche Entwicklung beobachten.
Der Unterschied ist, dass die Dortmunder Nazis in der Umgebung sehr stark
vernetzt sind. Sie organisieren sich in autonomen Strukturen oder nutzen
Parteistrukturen aus. Dadurch können sie zu ihren Events viele Menschen
mobilisieren, von denen die meisten gar nicht selbst in Dortmund wohnen.

2.- Welche Hauptziele setzen Sie sich mit Ihrer antifaschistischen Tätigkeit
in Dortmund?

Dortmund Nazifrei ist ein Blockadebündnis. Die Mitgliedsorganisationen, die
sich vor allem aus Gewerkschaften, Parteien und Jugendverbänden zusammen
setzen, sind alle in unterschiedlichen Formen antifaschistisch engagiert. Aber
innerhalb dieses Bündnisses geht es nur darum, Naziaufmärsche in Dortmund durch
friedliche und gewaltfreie Sitzblockaden zu verhindern oder zumindest zu
stören.

3.- Wie gefährdet ist Dortmund im Moment als multikulturelle und
multireligiöse Stadt?

Bisher war es bei jeder größeren Veranstaltung durch rechte Strukturen in
Dortmund möglich, wesentlich mehr Menschen zu Protestaktionen und
Gegendemonstrationen zu bewegen, als Nazis auf der Straße waren. Das geht in
der Berichterstattung häufig unter.

Allerdings ist es bedenklich, dass trotz des erhöhten Gewaltpotentials und
der steigenden Aggressivität der Dortmunder Rechten, die sich derzeit
beobachten lassen, beispielsweise beim Überfall auf das Dortmunder Rathaus im
vergangenen Jahr, trotzdem Menschen bereit sind, die Partei „Die Rechte“ zu
wählen und offenbar mit deren Aktivitäten sympathisieren.

4.- Wie präsent sind die Neonazis in Dortmund und wie agieren sie?

In letzter Zeit sind Aktivitäten im öffentlichen Raum verstärkt zu
beobachten. Die Dortmunder Naziszene hat derzeit noch das Privileg, in einer
Partei namens „Die Rechte“ formiert zu sein, die sich gründete, nachdem die
Vorgängerorganisation „Nationaler Widerstand“ verboten worden war. Kleine
Gruppen von Mitgliedern der Partei melden derzeit beinahe täglich Infostände in
Stadtteilen an, in denen sie sich Zuspruch für ihre Gesinnung versprechen,
beispielsweise in Vororten, in den gerade eine Unterkunft für Geflüchtete
entsteht.

Besonders auffällig ist aber besonders die Zunahme von Einschüchterungsversuchen,
wenn nötig mit Hilfe von körperlicher Gewalt. Während der Wahlparty im Mai
letzten Jahres überfiel eine Gruppe Nazis das Dortmunder Rathaus, skandierte
rassistische Parolen und verletzte dabei mehrere Menschen. Anfang diesen Jahres
fanden mehrere Journalist*innen, die kritisch über das Treiben der Dortmunder
Szene berichteten, ihren Namen in fingierten Todesanzeigen wieder. Das ist
schon eine neue Dimension von Gewalt aus dem rechten Lager. Man muss das ernst
nehmen, darf aber nicht zulassen, dass es den rechten Akteur*innen tatsächlich
gelingt, uns aus Angst von unserem Protest abzubringen.

5.- Wie kann man in der Bildung und Erziehung der Jugend ansetzen, um zu
vermeiden, dass sie in die braune Suppe fällt?

Jugendliche sollten durch eine demokratische Erziehung lernen, dass sie die
Gesellschaft selbst gestalten können. Wer autoritär erzogen ist, neigt häufig
dazu Dinge nicht zu hinterfragen, um nicht aufzufallen. Das ist beinahe genauso
schlimm, wie selbst ein Nazi zu werden: Weg zu sehen und den Mund nicht
aufzukriegen, wenn Nazis ihre Hasspropaganda verbreiten und gegen Minderheiten
hetzen.

Gerade befinden wir uns im 70. Jahr nach der Befreiung von Auschwitz. Es ist
unsere
gesellschaftliche Verantwortung, Jugendliche darüber aufzuklären, zu
welch unvorstellbarer Grausamkeit des Menschen am Menschen der
Nationalsozialismus bereits schon einmal geführt hat. Gedenkstättenpädagogik
ist daher ein unverzichtbares Element antifaschistischer Erziehung und
Bildungsarbeit.

Eltern, Lehrer*innen und alle Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen zu
tun haben sollten sich außerdem ihrer Vorbildrolle bewusst sein. Nur wer
Respekt allen Menschen gegenüber vorlebt und immer wieder die eigenen
Vorurteile und verinnerlichten Stereotype hinterfragt, kann damit rechnen, dass
auch die Kinder im eigenen Umfeld das lernen.

6.- Wie wichtig sind Antidemos und warum?

Es ist enorm wichtig, der rechten Szene nicht den Eindruck zu vermitteln,
dass sie sich hier ungehindert ausbreiten kann. Menschen, die nach Dortmund
kommen, sollen sich ohne Ansehen ihrer Religion, ihres Migrationshintergrundes
und ihrer sexueller Orientierung willkommen fühlen und hier ohne Angst frei
leben können. Dafür müssen Menschen auf die Straße gehen und zeigen, dass sie
Rassismus, Antisemitismus und Homophobie nicht dulden.

7.- Wie kann in den sozialen Medien effektiv gearbeitet werden, um
Jugendliche multikulturell und tolerant zu erziehen?

Es sollte klar sein, dass auch Nazis wissen, wie man mit sozialen Medien
umgeht und über diese Kanäle versuchen, ihren Hass zu streuen. Einschlägige
Facebook-Seiten sind die neuen Schulhof- CDs. Früher oder später wird jeder
junge Mensch gezwungenermaßen über so etwas stolpern. Statt also
Internetverbote auszusprechen, sollte man dafür Sorge tragen, dass Jugendliche
solche Online- Stammtischparolen erkennen und nicht darauf herein fallen.

Mit antifaschistischen Grüßen,

Dortmund Nazifrei