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Der Wochenrückblick von Claus Folger


Der Wochenrückblick # 2
Liebe Leserinnen
und Leser,
endlich Sonne,
endlich Sommer! Passend zum Freibadwetter
hat Steven Pinker im
linksliberalen Guardian Folgendes
herausgefunden: “Die Zahl der Todesopfer in Kriegen und Krisen umgerechnet
auf die Bevölkerung ging vom Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs bis zum
Koreakrieg zurück auf weniger als ein Zehntel. Danach verringerte sie sich
weiter und betrug Mitte der 2000er-Jahre nur noch ein Hundertstel. Sogar die
leichte Zunahme durch die Kriege im Irak, in Syrien und in der Ukraine hat die
weltweiten Todesraten nicht einmal ansatzweise den Werten früherer Jahrzehnte
angenähert (…)“
Doch vor dem Hintergrund des 100. Jahrestages des ersten
Weltkrieges sieht der engagierte Friedensaktivist, Noam Chomsky, dunkle und
bedrohliche Wolken aufziehen. In Free21 kritisiert
er „die Kriegshetze auf allen Seiten“.
Besonders auffallend sei dabei das Engagement der Intellektuellen zum Schaden
ihrer eigenen Staaten. 
Ganz unintellektuell fordert der deutsche
Nato-Militärexperte, Michael Rühe, als Gastautor in der FAZ, „die nukleare Dimension
der Abschreckung neu zu bewerten“
. Angesichts der „russischen Aggression in
Osteuropa, aber auch der drohenden Nuklearisierung des Nahen Ostens“ bliebe keine
andere Wahl.
An dieser Stelle ein Blick zurück. Bei Amtsantritt im
Frühjahr 2009 verkündete der amerikanische Präsident Barack Obama: „Heute
erkläre ich klar und mit Überzeugung die Verpflichtung Amerikas, den Frieden
und die Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen anzustreben. Um des Endes des
Kalten Krieges zu gedenken, werden wir die Rolle von Atomwaffen in unserer
nationalen Sicherheitsstrategie reduzieren und andere Nationen dazu auffordern
es uns gleichzutun.“ Noch im gleichen Jahr krönte ihn das norwegische
Nobel-Festkomitee zum Friedensnobelpreisträger. Mit der Begründung: „Die Vision einer atomwaffenfreien Welt hat
die Verhandlungen über Abrüstung und Waffenkontrolle stark vorangebracht. Der
Dank geht an Obamas Initiative (…)“
Die Realität ist eine andere. Laut New York Times plant die USA, in den nächsten dreißig Jahren über 1,1 Billionen Dollar in die Erneuerung
ihres Atomwaffensektors
zu stecken, inklusive einer neuen Generation von
Atomwaffenträgern. Die Zeitung
zitiert Obamas Top-Atom-Berater Gary Samore: „The most fundamental game changer
is Putin’s invasion of Ukraine.”
Dabei hat Barack Obama den US-Putsch in der Ukraine längst zugegeben. Im Gespräch mit dem
CNN-Moderator Fareed Zakaria über die russisch-amerikanischen Beziehungen sagte
der Präsident: “Putin traf die Entscheidung in Bezug auf die Krim, nicht etwa
aus einer großen Strategie heraus, sondern einfach, weil er von den Protesten
des Maidan und der Flucht von Janukowytsch (gestürzter Präsident der
Ukraine) überrascht wurde, nachdem wir einen Deal zur Machtübergabe
ausgehandelt hatten.” George Friedman von dem den US-Geheimdiensten nahestehenden
Portal Stratfor sagte im Dezember
2014 gegenüber der russischen Zeitung Kommersant:
„Es war der unverhüllteste Staatsstreich
in der Geschichte.“
Das britische Wirtschaftsmagazin The Economist sieht ein Vierteljahrhundert nach Ende des Kalten
Krieges die Welt mit der zunehmenden Gefahr eines Atomkonflikts konfrontiert.
Doch nicht nur die USA würden großzügig in die Modernisierung ihrer
Atomwaffenarsenale investieren. Russland
habe „seit 2007 seinen Verteidigungshaushalt um 50 Prozent aufgebläht, wovon
ein Drittel – das Doppelte des französischen Anteils – für Atomwaffen
ausgegeben wurde“
. Diese Entwicklung spiegelt sich mit den Ergebnissen des
jüngsten Jahresberichts des Internationalen Stockholmer
Friedensforschungsinstituts SIPRI,
wonach das Volumen der weltweiten Waffentransfer zwischen 2010 und 2014 um 16%
höher lag als in den fünf Jahren zuvor. Die größten Waffenexporteure sind
demnach (mit deutlichen Vorsprung) die USA und Russland.
In den USA hat ein weißer Polizist wieder einen wehrlosen
schwarzen Bürger erschossen. Die Tat ereignete sich in North Charleston im
Bundesstaat South Carolina. Ein Zeuge filmte, wie der 33-jährige Streifenbeamte
dem unbewaffneten 50-Jährigen achtmal in den Rücken schoss. Doch hat die USA
nicht nur ein Rassismus-Problem, sondern auch ein Polizei-Problem. Laut einer
umfangreichen Liste des Datenarchivs killedbypolice.com töteten
amerikanische Cops allein im März 2015 einhundertelf Menschen,
darunter
alleinerziehende Mütter, kranke Kriegsveteranen und zahlreiche Unbewaffnete.
Die aufgescheuchten
Hühner in den europäischen Redaktionsstuben im Visier findet die gute alte Prawda aus Russland beruhigende Worte
: „Der
Westen ist um eine einheitliche Position in Bezug auf Moskau derart besorgt – der
CDU-Politiker Norbert Röttgen hält Tsipras‘ Russland-Besuch für „uneuropäisch“,
Anm. d. A. –, dass es fast paranoid wirkt. Um Tsipras’ Reise nach Moskau macht
er ein Theater, als hätte Griechenland beschlossen, dem Warschauer Pakt
beizutreten. Tsipras wird als trojanisches Pferd dargestellt, mit dem Russland
Europa erobern möchte. Doch Russland braucht keine trojanischen Pferde. Es
möchte lediglich Beziehungen zu anderen Ländern auf der Grundlage des
beiderseitigen Nutzens, der Gerechtigkeit und der gegenseitigen Achtung
aufbauen.”
Da mag auch das Frankfurter Satiremagazin Titanic nicht abseits stehen. Es fragt:
„Werden sich Putin und Tsipras nun
endlich in Teufel verwandeln
(zum Spaß, um die deutschen Medien zu
ärgern)?“
Ganz andere Probleme hat der Vorsitzende der Schwedischen
Lehrergewerkschaft, Bo Jansson. Unter Verweis auf das schlechte Abschneiden bei
der jüngsten Pisa-Studie fordert er eine Rückkehr zu traditionellen
Unterrichtsformen. Das derzeitige, individualistisch geprägte Schulmodell sei
vor allem für Jungen von Nachteil. Die liberale Boulevardzeitung Expressen stimmt dem zu: „In keinem Land
sind die Jungen bei Pisa im Laufe weniger Jahre so stark ins Hintertreffen
geraten wie in Schweden. Ordnung und
Struktur nutzen allen, vor allem aber den Unreifen und Unstrukturierten – oder
den Kindern aus Elternhäusern ohne Bildungstradition. Die Jungen brauchen mehr
Lehrerautorität
. Und auch die Eltern müssen zum Lernen ermuntern (…)“
Und schließlich die Bild-Zeitung:
Unter Berufung auf eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) berichtet
die Boulevardzeitung, dass sich die Zahl
der
Hartz-IV-Bezieher aus Bulgarien und Rumänien innerhalb des vergangenen Jahres
fast verdoppelt hat
. Danach stieg die Zahl der Hartz-IV-Bezieher aus den
beiden Ländern seit Beginn der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit Anfang 2014 von
45.260 auf 83.082 Ende 2014. Das waren 83,6 Prozent mehr als vor Öffnung der
Grenzen für Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien. Die Zahl der
sozialversicherungspflichtig beschäftigten Bulgaren und Rumänen stieg im
gleichen Zeitraum um 77,2 Prozent auf 199.976. Immer mehr Bulgaren und Rumänen
meldeten sich in Deutschland aber auch arbeitslos, berichtet die Zeitung weiter.
Ende März registrierte die Bundesagentur für Arbeit (BA) 31.801 Beschäftigungslose
aus den beiden Ländern. Im Vorjahresmonat lag die Zahl noch bei 21.225.
Das schwarze Schaf der Woche
„Meine Gesprächspartner haben allesamt ein
militärisches Eingreifen ausgeschlossen, solange es in Libyen keine
Verständigung zwischen beiden politischen Lagern gibt.“
Donald Tusk, der
Präsident des Europäischen Rates. Quelle: FAZ
Die Narren in den
EU-Hauptstädten und in Washington wollen nicht einsehen, dass erst die
Nato-Militäroperation 2011Libyen zu einem failed
state
hat werden lassen.
Das weise Schaf der Woche
Es gibt in Bezug auf Libyen keine Weisheit,
sondern nur Chaos und Dummheit. Die 28 Staats- und Regierungschefs Europas wollen
alles gleichzeitig: Terrorismus bekämpfen, bei der Bewältigung der
Flüchtlingsströme nach Europa helfen, eine europäische Seeblockade gegen
Flüchtlinge einrichten, rumbomben und nicht zu vergessen, den ökonomischen und
politischen Wiederaufbau bewerkstelligen
Mein
Lektüretipp der Woche:
Claus Folger
Frankfurt am Main
ProMosaik e.V. wünscht Ihnen eine informative Lektüre und freut sich auf Ihre Kommentare hierzu.
dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi