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Die deutsche Version des Interviews von ProMosaik e.V. mit Prof. Yahov Rabkin


Liebe Leserinnen und Leser,
anbei ein wichtiges Interview, das Dr. phil. Milena Rampoldi diese Woche mit Prof. Yakov Rabkin von der Universität Montreal geführt hat.
Es geht um das Thema des jüdischen Antizionismus.
Möchte alle Leserinnen und Leser bitten, es aufmerksam zu lesen und vor allem über die jüdische Ethik nach Hillel nachzudenken.
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare.
danke!!
Sarah Meyer von ProMosaik e.V.
 
Dr. phil. Milena Rampoldi:
ProMosaik e.V. ist der Meinung, dass es einen Widerspruch
zwischen der jüdischen Religion (dem Judentum) und ihren (bzw. seinen)
ethischen Werten und dem Staat Israel gibt. Wie sehen Sie das und welche sind
die Hauptaspekte des Widerspruchs zwischen der Ethik des Judentums und dem
Staat Israel, wie er derzeitig gestaltet ist?
Prof. Jakov Rabkin:
Trotz zahlreicher neuer Verbündeter befindet sich der
Zionismus unter einem riesigen, internen Druck, da immer mehr Juden, in Israel
und außerhalb, anfangen, die Weisheit der Erhaltung eines zionistischen
Staates, der Diskriminierung verherrlicht und Gewalt schürt, in Frage zu
stellen. Bisher ist es der ursprünglichen revolutionären Intoleranz des
Zionismus nicht gelungen, diesen Druck durch strategische Anpassungen abzubauen:
sie erhält die zionistische Orthodoxie in einer Zeit, in der die israelische
Gesellschaft, die als Verkörperung des Zionismus gilt, schon lange ihre
revolutionäre Beschaffenheit verloren hat und bürgerliche Werte und
Konsumdenken begeistert aufgenommen hat. Ein harter Kern ergebener Siedler, von
denen die meisten aus den nationalen religiösen Kreisen stammen, behalten ein
wenig von ihrem revolutionären Streben und von der Kultur der Selbstaufopferung
bei, obwohl sie auch viele der bürgerlichen Werte absorbiert haben, die sie des
Öfteren eifrig anprangern.
Der Zionismus stellte eine Revolution dar. Wie jede
Revolution verursachte er Gegenrevolutionen. Die Juden, die sich dem Zionismus
widersetzten, umfassten eine ganze „Palette“: sie reichten vom Rabbiner S.R.
Hirsch in Deutschland bis zum Chassidismus in Osteuropa, und von den angesehenen,
marokkanischen Juden bis hin zu den amerikanischen Reformjuden. Der Widerstand
gegen den Zionismus und die Behandlung der Palästinenser durch Israel basiert
auf den grundlegenden jüdischen Prinzipien der Gerechtigkeit sowie der Vorsicht
hinsichtlich der Aspekte, die sich auf den Messias und die Erlösung beziehen. Das
klassische Prinzip von Hillel fasst die Haltung zusammen, welche den
Widerstand gegen den Zionismus inspiriert, der die Palästinenser enteignet,
verjagt und diskriminiert hat: „Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem
Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora.“ http://de.wikipedia.org/wiki/Hillel

Quelle:
Wikipedia.en
Trotz des Entstehens eines mächtigen und wohlhabenden, modernen
zionistischen Staates, hat sich der Widerstand gegen den Zionismus nicht in
Luft aufgelöst. Dieser Gedanke findet sich im Titel der hebräischen Fassung
meines Buches, das im Frühjahr 2014 in Israel erschien: Der jüdische Widerstand gegen den Zionismus: ein dauerhafter Kampf (www.pardes.co.il/book.asp?pID=1192)

ProMosaik e.V.:
Welche bedeutenden Israel-kritischen Kräfte sehen Sie in
Ihren jüdischen Mitbürgern, um im heutigen Israel zu den wahren jüdischen
Werten zurückzukehren?
Prof.
Rabkin:
Obwohl viele Israelis eine Verschiebung ihrer politischen
Haltungen von Links nach Rechts vollzogen haben, widersetzen sich wenige immer
noch dem Militarismus und der Ungerechtigkeit. Einige Tage vor der
Veröffentlichung meines Buches in Israel demonstrierte mehr als eine halbe
Million orthodoxer Juden in Jerusalem gegen die Einberufung in das, was einige
von ihnen „die zionistische Armee“ nannten. Der israelische Staat, der als
Rebellion gegen die jüdische Tradition gegründet wurde, wurde nie auf der
Grundlage der ethischen Grundlagen des Judentums regiert, und es wäre auch
unzumutbar, dies in der nahen Zukunft zu erwarten. 

 

Quelle: Deutsche
Welle
ProMosaik
e.V.:
Denken Sie, dass die jüdische Diaspora dabei helfen kann,
den Israelisch-Palästinensischen Konflikt zu lösen?
Prof. Rabkin:
Der politische Einfluss der Diaspora-Juden auf die
israelische Politik ist verschwindend gering. Und dies ist ein gravierender
Fehler, wenn nicht insgesamt eine antisemitische Enttäuschung, den Staat Israel
als einen Vertreter der Juden oder des Judentums anzusehen. Das Beste, was die
Diaspora-Juden tun können, ist die Tatsache zu betonen, dass Israel nicht in
ihrem Namen handelt. Das ist sehr wichtig, denn Israel leitet seine Legitimität
vom Anspruch ab, ein „jüdischer Staat zu sein“.
ProMosaik e.V.:
Was möchten Sie den Bürgern von Gaza nach dem 50-Tage
Krieg in diesem Sommer gerne sagen?
Prof. Rabkin:
Ich bewundere ihre Widerstandskraft gegen die
überwältigende  Militärmacht, die
vollkommen straflos handelt. Ich möchte allen, die Verwandten und Freunde
verloren haben, mein Beileid aussprechen.

ProMosaik
e.V.:
Wenn Sie das Judentum in 5 Worten beschreiben müssten,
was würden Sie sagen sind die Hauptgrundlagen des Judentums?
Prof. Rabkin:
Der oben angeführte Satz von Hillel.
ProMosaik
e.V.:
Könnten Sie uns kurz etwas über die Juden in Kanada
berichten?
Prof. Rabkin:
Die kanadischen Juden sind die viertgrößte jüdische
Gemeinde der Welt, die zum größten Teil aus aschkenasischen Juden besteht. In Montreal
findet sich auch eine wichtige sephardische Gemeinde, deren Mitglieder zum
größten Teil aus Nordafrika stammen. Im Durchschnitt weisen die Juden einen
besseren Bildungsstand auf und erhalten ein leicht höheres Einkommen als die
anderen Kanadier. Es gibt ein solides Netzwerk gemeinschaftlicher
Institutionen, welche die weniger Wohlhabenden und jüdischen und nicht-jüdischen
Armen unterstützen.

Quelle: ctvnews.ca