Ein Märchen aus Sudan: Der stolze Schmetterling
anbei ein sehr aussagekräftiges Märchen aus Sudan, das uns hekaya.de freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Es geht hier um uns ALLE, um unseren BLINDEN STOLZ und um unsere schon in der Antike so verpönte Hybris…
Dem Schmetterling fehlt das historische Bewusstsein völlig. Er denkt, seine Schönheit käme aus dem HIER und JETZT, dabei stammt er von der RAUPE ab, die er für so hässlich hält und von sich verscheuchen möchte. Diesen Stolz geht es auch darum abzubauen, wenn man sich fremden Kulturen und Religionen nähert.
Denn der wahre interkulturelle und interreligiöse Dialog basieren auf der Bescheidenheit des Einzelnen vor der GRÖSSE einer bunten Welt.
Ich freue mich auf Ihre Zuschriften zu diesem Märchen an info@promosaik.com
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik
Der stolze Schmetterling
Ein wunderschöner Schmetterling umflatterte eine duftende Blume;
da bemerkte er eine hässliche Raupe, die im Staube dahin kroch.
Verächtlich rief der Schmetterling ihr zu: »Wie darfst du es wagen, dich
in meiner Nähe sehen zu lassen? Fort mit dir! Sieh, ich bin schön und
strahlend wie die Sonne, und meine Schwingen tragen mich hoch in die
Lüfte, während du auf der Erde umher kriechst. Fort, wir haben nichts
miteinander zu schaffen!«
»Dein Stolz, du bunter Schmetterling, steht dir schlecht an«,
erwiderte die Raupe ruhig. »All deine Farbenpracht gibt dir nicht das
Recht, mich zu verachten. Wir sind und bleiben Verwandte, so schmähst du
dich also selbst. Bist du nicht früher eine Raupe gewesen? Und werden
deine Kinder nicht Raupen sein wie du und ich?!«