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ProMosaik interviewt Dr. Ludwig Watzal über Palästina und Israel


Liebe Leserinnen und Leser,
anbei ein sehr wichtiges Interview mit einem bekannten deutschen Politikwissenschaftler, Dr. Ludwig Watzal, dem ich sehr dankbar für seine Zeit bin.
Wir haben ihn zu seinen Büchern und zu seinem “Weg” nach Palästina befragt.

Dr. Ludwig Watzal arbeitet als Journalist
und Redakteur in Bonn.

www.watzal.com

http://between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.de/


Die zionistische Besatzungsmacht will keinen Frieden, ein Thema, das ProMosaik e.V. schon öfters aufgegriffen hatte.
Außerdem muss sich praktisch alles ändern: die deutschen Medien, die Weltpolitik, … damit Palästina zu seinem Recht kommt.
Aber es wäre alles so einfach.
Ohne den Tanzbär Israels, den USA, wäre Palästina dieses Jahr noch da!!
Palästina ist eine politische Frage, die eine Menschenrechts- und Völkerrechtsfrage mit einschließt, und als solche soll sie auch behandelt und gelöst werden.
Möchte aber nicht zu viel von diesem wundervollen Interview vorwegnehmen.
Freue mich auf Ihre Kommentare und Anregungen hierzu.
dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie kamen Sie über die
Politikwissenschaften zu Palästina?
Dr. Ludwig Watzal: Palästina und der Nahostkonflikt sind wichtige Themenbereiche im Fach
Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen. Als promovierter Politologe
befasste ich mich qua Profession mit diesem Themenkomplex, obgleich meine
ursprünglichen Themenschwerpunkt die Entwicklungspolitik, Fragen der
“Dritten Welt”, der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung
Lateinamerikas sowie der Ethik und Philosophie waren. Zum Thema
“Palästina” bin ich, um es salopp auszudrücken, wie die Jungfrau zum
Kind gekommen. Konkret durch meine erste Studienreise im Jahr 1985. Durch meine
Tätigkeit im Bereich der politischen Bildung habe ich seither Palästina und
Israel immer wieder bereist. Ein Vortrag zur Lage der Menschenrechte der
Palästinenser gab den entscheidenden Anstoß für meine Forschungsarbeiten über
Palästina und die israelische Besatzungsherrschaft.

Dr. phil. Milena Rampoldi: Beschreiben Sie kurz jedes Ihrer Bücher und
die Entwicklung Ihrer Biografie als Autor aus Ihrer Sicht.
Dr. Ludwig Watzal: Auf die zentrale Rolle der Menschenrechte habe ich bereits hingewiesen.
Dieses Schock-Erlebnis hat auch zu meinem ersten Buch “Frieden ohne
Gerechtigkeit. Israel und die Menschenrechte der Palästinenser” geführt.
Zum ersten Mal ist auf Deutsch eine umfassende Darstellung der Menschenrechtsverletzungen
seitens des Staates Israel geschrieben worden, und dies auf dem Höhepunkt des
so genannten Friedensprozesses. Als die Welt “besoffen” vom
“Friedensprozess” war, erschien das Buch (1994), in dem ich das
Scheitern dieses verlogenen Prozesses bereits prognostiziert habe. Nachdem ich
die Dokumente vom September 1993 und Mai 1994 studiert hatte, war klar, dass
dieser Prozess zum Scheitern verurteilt war.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie konnten Sie sich so sicher sein?
Standen Sie in Deutschland mit dieser Meinung nicht allein auf weiter Flur?
Dr. Ludwig Watzal: Jeder, der es wissen wollte, konnte es wissen, wenn er bereit war, diese
Verträge ohne Scheuklappen zu lesen. Alle so genannten Zugeständnisse im
Hauptteil der Abkommen wurden in den Anhängen relativiert bzw. völlig
aufgehoben. Hinzu kam die Erfahrung. Ein Blick auf die Geschichte der
zionistischen Kolonisierung Palästinas und die Behandlung der Araber zeigte,
dass die israelischen Regierungen nicht bereit sind, irgendwelche
Zugeständnisse zu machen. Sie verlangen nichts weniger als die totale
Kapitulation der Unterdrückten vor ihren Unterdrückern.
Es gab keine anderen Kritiker, die das Scheitern dieses Prozesses zu diesem
Zeitpunkt so kategorisch postuliert haben. Felicia Langer, die
deutsch-israelische Menschenrechtsanwältin, hat die Verträge auch kritisiert,
aber nicht in dieser radikalen Form.
Meine beiden anderen  Bücher
“Friedensfeinde” und “Feinde des Friedens” beschreiben neben
der Geschichte des Nahostkonfliktes, den “Friedensprozess”
detailliert, die Lage der Menschenrechte der Palästinenser unter israelischer
Besatzung sowie unter dem Regime von Yassir Arafat sowie die
Fundamentalisierung Israels. Dieses Buch wurde ins Englische übersetzt und
wurde von einem Verlag in Palästina veröffentlicht.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Was möchten Sie gerne an den Medien
und am deutschen Bildungssystem ändern, damit Palästina endlich „wahr“ und
„genug“ dargestellt wird?
Dr. Ludwig Watzal: Dies ist ein weites Feld und stellt eine Herkulesaufgabe dar, weil sowohl
die Medien einseitig auf Israel fixiert sind und nicht die grausame Realität
vor Ort in ihren Berichten darstellen, als auch das Bildungssystem, das
aufgrund der deutschen Geschichte befangen mit der Politik Israels umgeht und
ein unvollständiges und geschöntes Bild vermittelt. Hinzu kommt, dass die
deutsche politische Klasse es nicht wagt, die brutale Besatzungsherrschaft als
das zu bezeichnen, was sie ist, nämlich Menschenverachtend, und daraus die
nötigen politischen Konsequenzen zu ziehen. Der zionistische Narrative alleine
zählt, wohingegen der palästinensische noch nicht einmal in Rudimenten
vorkommt.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie könnten zum Beispiel diese
Konsequenzen aussehen?
Auf europäischer Ebene müsste die Vorzugsbehandlung Israels solange
ausgesetzt werden, bis die völkerrechtswidrige Besatzungsherrschaft über ein
anderes Volk beendet ist und Palästina seine Unabhängigkeit und sein
Selbstbestimmungsrecht realisiert hat. Dies kann nur durch die Gründung eines
Staates geschehen, der diesen Namen verdient und nicht durch Bantustans.
Deutschland sollte keine Waffen mehr an Israel liefern, weil diese den
Ausfuhrbestimmungen zuwiderlaufen, die eindeutig besagen, dass keine Waffen in
Spannungs- und Krisengebiete geliefert werden dürfen. Der Nahe Osten ist ein
Spannungsgebiet par excellence.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie erreicht man in den deutschen
Köpfen durch Aufklärung den nahtlosen Übergang zwischen Holocaust-Schuld und
der Wahrnehmung Israels als ungerechten Staat?
Dr. Ludwig Watzal: In Deutschland findet leider keine Trennung zwischen beiden statt. Deshalb
ist die deutsche Debatte auch nicht auf der Höhe der Zeit und auf
internationaler Ebene völlig irrelevant. Der Holocaust und die Politik der
israelischen Regierung sind zwei Paar Schuhe.
Für die Verbrechen des Holocaust tragen wir die moralische Verantwortung,
und dies ist allen Staatsbürgern bewusst. Für die Menschenrechtsverbrechen und
Völkerrechtsverstöße sind die diversen israelischen Regierung verantwortlich.
Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun und kann nicht gegeneinander
aufgerechnet werden. Es sind zwei Ebenen unterschiedlicher Verantwortungsbereiche. 

Dr. phil. Milena Rampoldi: Für mich persönlich ist Palästina
eine Menschenrechtsfrage. Wie sehen Sie das? Wie vielschichtig ist das Problem
für Sie?
Dr. Ludwig Watzal: Für mich ist Palästina ein politisches Problem, was die Frage der
Menschenrechte und des Völkerrechts mit einschließt. Es geht in Palästina um
Land und Ideologie. Der zionistischen Bewegung ist es gelungen, zusammen mit
den westlichen Kolonialmächten eine Stück Land zu kolonisieren, das einem
anderen Volk gehört. Aufgrund des grassierenden Antisemitismus Ende des 19. Jahrhunderts
in Russland und Westeuropa sollte mit der Gründung einer “jüdischen
Heimstätte” dieses Problem gelöst werden, indem das “jüdische
Volk” in einem eigenen Nationalstaat, gleichberechtigt wie alle anderen
Völker leben kann. Dieses Ziel wurde 1948 erreicht, aber zu einem sehr hohen
Preis, und zwar der Vertreibung von 750 000 Palästinensern aus ihrer Heimat.
Der Konflikt beginnt also hier und nicht erst 1967, nachdem die israelische
Armee ganz Palästina unter ihre Herrschaft gebracht hat.
Der Konflikt lässt sich durch Verhandlungen nicht lösen, weil es keinen
fairen Ausgleich zwischen einem wehrlosen kolonisierten Volk und einer
hochgerüsteten Atommacht geben kann. Folglich kann es eine Lösung nur durch die
Umsetzung von Völkerrecht geben. Der Nahostkonflikt ist wie kein anderer durch
Völkerrecht eingehegt. Die Gründung des Staates Israel war ein
völkerrechtlicher Akt, die Vereinten Nationen spielten quasi den Geburtshelfer. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie würden Sie Ihre Friedens- und
Gerechtigkeitsutopie kurz unseren Leserinnen und Lesern beschreiben?
Dr. Ludwig Watzal: Wären die USA bereit, Schritt für Schritt die UN-Resolutionen umzusetzen,
könnte ein Staat Palästina noch in diesem Jahr entstehen. Die Dinge sind nicht
kompliziert, sondern sehr einfach. Aber solange sich die USA und ihr Präsident
vom israelischen Ministerpräsidenten wie ein Tanzbär durch die internationale
Arena führen lassen, wird alles beim Alten bleiben. Die Gefahr für Israel
besteht jedoch darin, dass aus der bereits bestehenden Ein-Staat-Lösung ein jüdischer
Apartheid-Staat wird, was weitsichtige Israelis befürchten. Ob die USA und ihre
westlichen Alliierten dann immer noch bereits sein werden, dieses System
vorbehaltlos zu verteidigen, ist eine offene Frage. Sollten sie dies jedoch
tun, können sie ihre “westlichen Werte” gleich auf der Müllhalde der
Geschichte entsorgen.
Dr. Ludwig Watzal arbeitet als Journalist
und Redakteur in Bonn.
www.watzal.com
http://between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.de/