General

Man kann nicht wahrheitsgemäß über Israel berichterstatten, ohne seinen Zorn zu ernten Über Makarim Wibisonos Rücktritt




Richard Falk




Übersetzt von 
Milena Rampoldi میلنا رامپلدی



Herausgegeben von 
Fausto Giudice Фаусто Джудиче فاوستو جيوديشي



Makarim
Wibisono hat die Niederlegung seines Amtes als
UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in den besetzten
palästinensischen Gebieten angekündigt, das Amt, das ich vor ihm  6
Jahre lang bis Juni 2014 innehatte.

Makarim Wibisono berichtet, dass Israel ihn davon abgehalten hat, sein
UN-Mandat zu erfüllen, um über die Menschenrechtsverletzungen im
besetzten Westjordanland und im Gazastreifen zu berichten.

Der indonesische Diplomat meint, er könnte sein Mandat nicht
erfüllen, weil Israel sich vehement weigerte, ihm den Zugang zu den
Palästinensern zu verschaffen, die im Westjordanland und im Gazastreifen
unter seiner militärischen Besatzung leben.

„Unglücklicherweise wurden meine Bemühungen, das Leben der
palästinensischen Opfer unter israelischer Besatzung zu verbessern,
Schritt für Schritt vereitelt“, erklärt Wibisono.

Seine Amtsniederlegung erinnert mich auf seltsame Weise an den Widerruf vor einigen Jahren durch Richard Goldstone der Hauptaussage seines von den Vereinigten Nationen beauftragten Goldstone-Berichtes, nach dem Israel während der Operation Cast Lead Ende 2008 gegen Gaza gezielt Zivilisten angegriffen hatte.

Ich antwortete auf die Fragen der Medien und teilte ihnen mit, dass
ich zwar schockiert, aber nicht überrascht war. Ich war schockiert, weil
die Beweislage   erdrückend war und die anderen drei renommierten
Mitglieder der UN-Ermittlungskommission mit dem Ergebnis gar nicht
klarkamen.

Ich war nicht überrascht, weil ich Goldstone, einen ehemaligen
Richter des südafrikanischen Verfassungsgerichtes, kannte: er war ein
extrem ehrgeiziger Mann mit schwachem Charakter, eine fürchterliche
Mischung für Personen des öffentlichen Lebens, die in kontroverse
Gebiete geraten.

In Wibisonos Fall war ich überrascht, aber nicht schockiert. Ich war
überrascht, weil er von Anbeginn hätte wissen sollen, dass er vor dem
Dilemma zwischen der pflichtbewussten Ausführung seiner Arbeit der
Berichterstattung über die israelischen Vergehen und
Menschenrechtsverletzungen und der Notwendigkeit der Zusammenarbeit
Israels im Rahmen der Beweisaufnahme stand. Ich war nicht schockiert,
sondern dankbar, denn diese seine Entscheidung weist auf die
Schwierigkeit hin, mit der jeder zu kämpfen hat, der wahrheitsgetreu
über die Qualen der Palästinenser unter Besatzung berichterstatten soll.
Und durch seinen Rücktritt nimmt Wibisono Israel die Möglichkeit,
davonzukommen, indem es den Standpunkt eines Sonderberichterstatters
kastriert.

Es ist angebracht darauf hinzuweisen, dass Wibisono, als er zu meinem
Nachfolger gewählt wurde, verschiedene, qualifiziertere Kandidaten
überholte. Obwohl die Auswahlkriterien das Fachwissen über den
Gegenstand des Mandats betonen, gewann Wibisono gerade die Oberhand,
weil er nicht über das entsprechende Hintergrundwissen verfügte.

Ich kann nur hoffen, dass der UNO-Menschenrechtsrat nun seinen Fehler berichtigen wird, indem er die Kandidaturen von Professor Christine Chinkin und Phyllis Bennis
erneut berücksichtigen wird. Sie verfügen beide über die Referenzen,
Motivation und Charakterstärke, um ein effizienter
Sonderberichterstatter zu werden.

Denn die Palästinenser verdienen nichts Geringeres.

Ehrlichkeit

Als ich Makarim Wibisono in Genf kurz nach seiner Ernennung zum
Sonderberichterstatter traf, teilte er mir vertrauensvoll mit, dass man
ihm versichert hatte, dass ihm die israelische Regierung nach seiner
Amtsannahme den Zugang verschaffen würde. Diese Zusicherung hat er in
seiner Rücktrittsankündigung wiederholt.

Ich warnte ihn dann, dass sogar einer, der sich politisch weit auf
die israelische Seite lehnte, unmöglich nicht zum Ergebnis gelangen
würde, dass Israel schwere Verstöße gegen das internationale humanitäre
Recht und die Menschenrechtsstandards begangen hatte und dass diese Art
von Ehrlichkeit mit Sicherheit den Zorn Israel ernten würde.

Ich sagte ihm, dass er im Glauben, beide Seiten zufriedenzustellen,
einen großen Fehler begehen würde, denn die langfristige Verweigerung
grundlegender Rechte an die Palästinenser ist eine Tatsache. Damals
lächelte er und vertraute offensichtlich in seine diplomatischen
Fähigkeiten, die ihn in die Lage versetzen würden, die Israelis
zufriedenzustellen, auch wenn er Berichte vorbereitete, die die
israelischen Verbrechen im Detail darstellten. Er teilte mir mit, er
würde das gleiche wie ich tun, aber es  effizienter gestalten, indem er
sich die israelische Kooperation zusichern würde. Diesmal war ich an der
Reihe, zu  lächeln.

Auf heißen Kohlen

Was ich während meiner sechs Jahre als Sonderberichterstatter
herausfand, ist, dass man nur einen Unterschied machen kann, wenn man
dazu bereit ist, die erhitzte Lage zu ertragen.

Man kann einen Unterschied machen, wenn man den Außenministern der
Welt den zuverlässigsten verfügbaren Bericht über das Alltagsleben des
palästinensischen Volkes liefert. Aber wenn man dies tut, so muss man
sich eine harte Reaktion von Seiten der ultra-zionistischen
Organisationen und anderer erwarten, die auch eine dauernde
Rufmordkampagne einschließt, die mit allen Mitteln versucht, die Stimme
einer Person zu diskreditieren. Die Person wird auch des Antisemitismus
beschuldigt, und falls es sich wie in meinem Fall um einen Juden
handelt, als „selbsthassender Jude“ bezeichnet.

Was mich gleichzeitig schockierte und auch überraschte, war der Wille
sei es von Seiten des UN-Generalsekretärs als auch der diplomatischen
Vertreter der USA bei den Vereinten Nationen, die israelische Richtung
einzuschlagen und sich dem Chor anzuschließen, der solche
Beschuldigungen aussprach.

Obwohl ich dauernd in Versuchung geriet, zurückzutreten, bin ich
froh, es nicht getan zu haben. Aufgrund der pro-israelischen
Voreingenommenheit der herrschenden Medien in den USA und Europa, ist es
besonders wichtig, auch wenn dieser Standpunkt bedrängt wird, diese
Quelle des Wahrheitssagens beizubehalten.

Meine Hoffnung ist, dass der Menschenrechtsrat aus der Erfahrung von
Wibisono etwas lernen und jemanden beauftragen wird, der sowohl in der
Lage ist, auf den heißen Kohlen zu sitzen als auch über die Wirklichkeit
zu berichten, wie sie ist.