Corona Virus und die Freiheit des Denkens
von Milena Rampoldi, 27.03.2020.
Wir sollten in der Corona-Krise-Diskussion anfangen, den Methodenpluralismus zuzulassen.
Wie Feyerabend in seinem Werk Wider den Methodenzwang so schön argumentierte, sollen wir alle Meinungen zulassen, wenn es um Wissenschaft geht, auch die der Laien.
Marco de Angelis
Der Slogan „Anything goes“, der 1970 eine solche Welle des Schocks und der Empörung auslöste, würde es heute wieder tun, würden die Medien diesen Meinungspluralismus erst zulassen und Menschen zu Wort kommen lassen, um Tabus anzugehen und offen über Leben und Tod zu sprechen.
Das Corona-Virus ist in den Medien so präsent, dass Kriege, Flüchtlingsströme, Kriminalität, Menschenrechte, Frauenrechte, Arbeiterrechte, Kinderrechte, Kunst, Kreativität und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, solidarische Bewegungen, Reformen und revolutionäre Ansätze gar nicht mehr vorkommen. Neben den Programmen nach dem Motto „Brot und Spiele“ geht es nur um das Virus, die Statistiken der Toten und Infizierten, die Regionen der Ausbreitung desselben und wie dieses Virus unser Leben verändert, was aber nur geschieht, weil wir dies auch zulassen und es den Staat mit uns machen lassen.
Man übersieht dabei, dass nicht das Virus an sich unser Leben verändert, sondern unsere Gemeinschaft, d.h. der Staat mit seinen Verfügungen und Verordnungen zum Notstand, der unsere physische Freiheit sehr stark einschränkt, indem er dies moralisch rechtfertigt und durch die Gleichschaltung der Medien aufdrängt.
Wir bleiben zu Hause. Wir dämmen das Virus ein. Wer dies nicht tut, wendet sich gegen die Gemeinschaft, handelt unmoralisch, unethisch und gegen das Wohl der Gemeinschaft, seiner nationalen Gemeinschaft, die auch grenztechnisch von den anderen nationalen Gemeinschaften abgeschottet ist. Dabei übersieht man die kulturelle und religiöse Vielfalt der Gemeinschaft, die auf den Nationalstaat und seine Grenzen reduziert wird, innerhalb derer die Anzahl der Infektionen reduziert werden muss.
Diese horizontale Segregation des Menschen, seine Isolation in seinen vier Wänden, die Schließung von Schulen und Firmen zerstört die Gemeinschaft mehr als ein Virus mit einer Morbidität von 1,4 %. Die Technologisierung von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft hat vor allem im Westen den Tod vom Leben abgekapselt. Tod ist nicht – wir kämpfen gegen den Tod, wir verlängern das Leben der Menschen. Aber Viren gehören zum Leben. Viren waren schon immer Teil des Lebens der Menschheit. Und Virenkrisen gab es immer schon. Aber eine solche Krise eines so politisierten und mediatisierten Virus gab es meiner Meinung noch nie.
Der Tod gehört zum Leben. Und den Umgang mit dem Tod müssen wir lernen. Wir müssen lernen, das Leben zu leben, den Virus einzudämmen und das Sterben zu lernen und zu akzeptieren.
Die Zerstörung des gesellschaftlichen Gewebes, der Kultur, des Austausches, der Solidarität und die Aufhebung physischer Bindungen zwischen Menschen führt nicht nur zur Zerstörung des Politischen in der Gesellschaft, sondern auch zur Aufhebung inter-persönlicher Beziehungen. Sie fördert Einsamkeit, Isolation, extremen Egoismus und psychische Erkrankungen, die durch diese von oben angeordneter Abschottung entstehen. Auch diese Zerstörung ist aber nur unaufhaltsam, wenn wir sie auch zulassen und uns nicht zur Wehr setzen.
Achtsamkeit und Schutz der eigenen Gesundheit dürfen nicht in ein totalitäres Staatssystem abarten, in dem persönliche Meinungsfreiheit und geistige Freiheit unterdrückt werden. Wie wichtig ist Sicherheit? Wie wichtig ist Freiheit? Der Bürger muss sich gegen die Einschränkung seiner Freiheiten wehren. Gleichzeitig wird aber der Bürger durch die Corona-Krise immer unpolitischer, immer asozialer und immer egoistischer gemacht. Neoliberalismus und Internetgeschäfte mit elektronischen Zahlungsmitteln boomen. Online-Menschen im Dienst der Kapitalriesen? Elektronische Konzentration des Kapitals? Tod des Einzelhandels und der dynamischen Lebensformen auf der Straße, wirtschaftlich wie sozio-politisch?
Andererseits aber lernen wir durch das Corona-Virus, wenn wir diese Krise positiv für uns nutzen, nicht nur den Umgang mit dem Tod, sondern auch die Fokussierung auf die Solidarität, die gegenseitige Unterstützung, die Pflege und vor allem die Konzentration auf das Essenzielle auf allen Ebenen des Persönlichen, Gesellschaftlichen, Betriebswirtschaftlichen, Verwaltungstechnischen, usw. Und das ist das Wesentliche, und darin besteht ein wirklich ethischer Umgang mit dieser Krise, denn Krise bedeutet „Entscheidung“, Paradigmenwechsel von unten und nicht von oben.
Li Jingshan