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China First – America First

Peter G. Achten,
Infosperber, 07. Apr 2018, Wahlkampfversprechen eingelöst: China soll wegen
«unfairer Handelspraktiken» bestraft werden. Vom Handelskonflikt zum
Handelskrieg?

China
exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 506 Milliarden Dollar nach
den USA. Das Handelsbilanz-Defizit der Amerikaner erreichte mit 375 Milliarden
Dollar eine neue Rekordmarke. US-Präsident Trump deckte China darauf mit
Zollankündigungen ein. Im Januar begann es mit Zollzuschlägen auf Stahl und
Aluminium sowie auf Solarmodule und Kühlschränke und endete vorerst im März mit
der Ankündigung von Zollzuschlägen für eine Liste von 1`300 chinesischen
Produkten im Wert von über 50 Milliarden Dollar. China konterte umgehend mit
einer Liste von 106 amerikanischen Produkten – darunter Schweinefleisch oder
den für Trump politisch hochsensiblen Soya-Bohnen – im gleichen Wert.
«Verantwortungslos»
Lu Kang, der
Sprecher des Aussenministeriums, kommentierte die amerikanische Ankündigung von
Strafzöllen folgendermassen: «Die USA haben verantwortungslos eine 40-jährige
wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Amerika ignoriert. Diese
Kooperation war gegenseitig von Vorteil.» Peking, so Lu, habe «die Möglichkeit,
auf jedes protektionistische Manöver der USA zu antworten».
«Märkte
füreinander öffnen»
Allerdings
werden wegen Einspruchsfristen und weiteren Vorbereitungen die Straf- und
Vergeltungszölle – wenn überhaupt – erst Anfang Juni in Kraft treten. Auf
chinesischer, aber auch auf amerikanischer Seite besteht nach wie vor die
Hoffnung, dass ein Handelskrieg vermieden werden kann. In einem Telefongespräch
liess Staats- und Parteichef Xi Jinping Präsident Trump wissen, dass beide
Seiten auf eine «konstruktive Art und Weise» handeln und in Kooperation eine
Lösung für die Handels- und Wirtschaftskonflikte finden sollten. Sowohl für
Amerika als auch für China sei es wichtig, so Xi, «die Märkte füreinander zu öffnen».
Sowohl Washington als auch Peking handeln und verhandeln im wohlverstandenen
eigenen Interesse. Anders ausgedrückt müssen sich America First und China First
irgendwo in der Mitte treffen.
Nullsummenspiel
Auch Chinas
Botschafter in Washington, Cui Tiankai, gibt sich gegenüber dem amerikanischen
Fernsehsender CNBC gelassen: «Wir sind immer bereit, den Dialog weiterzuführen
und zu vertiefen, über jedes wirtschaftliche und Handelsthema. Unser guter
Wille aber muss mit dem gleichen Grad von Wohlwollen beantwortet werden.»
Offenbar ist allen Beteiligten der beiden grössten Handelsmächte der Welt
bewusst, dass ein Handelskrieg ein Nullsummenspiel ist, dass es am Ende nur
Verlierer geben wird. Botschafter Cui Tiankai warnt aber auch: «Wenn die USA
neue Zölle erheben, werden wir mit Sicherheit Gegenmassnahmen in derselben
Proportion, in derselben Grösse und in derselben Intensität ergreifen».
Entscheidende
Wochen
Chinesische
Medien, unter anderem das Sprachrohr der allmächtigen Kommunistischen Partei
«Renmin Ribao» (Volkstageszeitung), gehen davon aus, dass für Kompromisse im
Handelskonflikt noch genügend Zeit bleibe. «Die kommenden Wochen», so die
chinesische Parteipresse, «werden entscheidend sein». Sicher ist schon, dass
US-Finanzminister Mnuchin im Mai in Peking erwartet wird.
«Unfaire
Praktiken»
US-Präsident
Trump hatte bereits im Wahlkampf kritisiert, China wende «unfaire Praktiken»
an. Der Marktzugang in China sei für ausländische Firmen – im Unterschied zu
Amerika – begrenzt. Darüber hinaus sei der Schutz des intellektuellen Eigentums
nicht gewährleistet. In Peking werden einige dieser Vorwürfe, unter anderem
auch von der Europäischen Gemeinschaft, durchaus ernst genommen. Dass im
Handel, beim Marktzugang und beim Schutz des geistigen Eigentums einiges im
Argen liegt, wird von China durchaus zugestanden. Premier Li Keqiang zum
Beispiel versprach am Nationalen Volkskongress (Parlament) weitgehende
Reformen. Ende März sagte er sogar, ausländische Unternehmen sollten nicht mehr
zum Transfer von Technologie an ihre Joint-Venture-Partner gezwungen werden.
Weitere Marktöffnungen – beispielshalber im Finanz- und Versicherungssektor –
sind bereits angekündigt.
High-Tech
Von den
Amerikanern andrerseits fordert China Reformen im Handel, insbesondere im
High-Tech-Sektor. Damit, so die chinesische Handelslogik, könnte ein guter Teil
des Handelsbilanz-Defizits abgebaut werden. Amerika andrerseits glaubt, mit der
Unterbindung der High-Tech-Exporte China das Know-how für die Zukunft
vorenthalten zu können. Allerdings ist China unterdessen – nicht zuletzt dank dem
Know-how-Transfer der letzten zwei Jahrzehnte – zu einer IT-Grossmacht
(Künstliche Intelligenz, Robotics, Pharma etc.) aufgestiegen. Die Politik «Made
in China 2025» und das Ziel, 2030 digitale Weltspitze zu sein, zeigen das.
Vorkämpfer
des Freihandels?
Staats- und
Parteichef Xi Jinping hat sich am World Economic Forum im Januar 2017 in Davos
in seiner Rede als Vorkämpfer des Freihandels zu profilieren versucht, ganz im
Gegensatz zum vermeintlichen Protektionisten Donald Trump. Leider ist die
Wirklichkeit um einiges komplizierter. Gewiss, der Freihandel hat in den
letzten 200 Jahren wirtschaftlich viel gebracht. Auch die Globalisierung der
letzten Jahrzehnte hat die Welt nachweislich ökonomisch verbessert. Doch
Freihandel pur, das hat es nie gegeben. Protektionismus war und ist je nach
Entwicklungsstand eines Landes stets im Spiel. Das wissen insbesondere die
Europäische Gemeinschaft, die verarmten Bauern der Dritten Welt sowie die
Schweizer Bauern, die amerikanischen Farmer und japanischen Reisbauern sehr gut.
Es gilt also beim Thema Freihandel immer, das «Kleingedruckte» genau
wahrzunehmen. Auch und gerade im Handelsstreit zwischen den USA und China.
Vielleicht wird Staats- und Parteichef Xi Jinping schon bald das
«Kleingedruckte» näher erläutern. An der Boao-Wirtschaftskonferenz im Süden
Chinas – die chinesische Antwort auf das Davoser WEF – wird er die
Hauptansprache halten. Titel: «40 Jahre Reform und Öffnung Chinas».