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Streik der Erntehelfer: In Italien beginnen sich die Opfer von Rassismus und Ausbeutung zu wehren. Gewerkschaften unterstützen Landarbeiter

Von Gerhard Feldbauer, junge Welt, 11.8.2018

Eingewanderte Landarbeiter demonstrieren am Mittwoch in Foggia für bessere Arbeitsbedingungen. Foto: Franco Cautillo/ANSA via AP/dpa


Nach dem Tod von zwölf Landarbeitern bei einem Verkehrsunfall am Montag in Süditalien haben dort Hunderte Erntehelfer die Arbeit niedergelegt. Zu dem Streik hatte der Gewerkschaftsbund USB aufgerufen. In einem »Marsch der roten Mützen« – mit denen sie sich sonst vor der brennenden Sonne schützen – zogen die Protestierenden nach Foggia und verlangten vor der Präfektur menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Auf einer Kundgebung der Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL in Foggia solidarisierte sich der Parlamentsabgeordnete Roberto Speranza, der auch Vorsitzender der linken Bewegung »Freie und Gleiche« (LeU) ist, mit den Migranten. Der zur Demokratischen Partei (PD) gehörende Präsident der Regionalregierung von Apulien, Michele Emiliano, unterstützte den Streik als »Schritt gegen die Ausbeutung«.
Die getöteten Arbeiter, die alle aus Ländern außerhalb der EU stammten, waren auf einem Lastwagen zusammengepfercht gewesen, als dieser frontal mit einem Tomatentransporter zusammenstieß. Auch die offenbar übermüdeten Fahrer beider Lkw starben. Bereits zwei Tage vorher waren bei einer ähnlichen Kollision vier Afrikaner tödlich und vier weitere schwer verletzt worden. Die Vorfälle zeigten erneut, wie Migranten in Süditalien unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften müssten und wie Sklaven gehalten würden, kommentierte die linke Tageszeitung Il Manifesto.
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In Apulien müssen die vor allem aus Afrika, aber auch aus Polen, Bulgarien und Rumänien stammenden Erntearbeiter unter der sengenden Sommerhitze von über 40 Grad Celsius bis zu zwölf Stunden täglich schuften. Sie leben in Elendsquartieren ohne fließendes Wasser und Toiletten, haben keinerlei gesundheitliche Betreuung, sind Gewalt, die Frauen sexuellen Belästigungen ausgesetzt. Die meisten sind, wie die in Rom erscheinende Tageszeitung La Repubblica berichtete, einem »Caporalato« genannten mafiösen System organisierter Schwarzarbeit unterworfen. Sie verdienen oft kaum mehr als einen Euro pro Stunde, während der Tariflohn das sechsfache beträgt. Zudem wird den Arbeitern noch ein Teil ihres Einkommens als Miete für die Elendsunterkünfte abgezogen. Die Zahl der so ausgebeuteten Landarbeiter wird allein in Apulien auf etwa 100.000 geschätzt. Laut der CGIL sind es, Campanien und Sizilien hinzugerechnet, wenigstens eine halbe Million Menschen, die bei der Trauben-, Oliven- und Orangenernte, auf Tomaten-, Zwiebel- und Erdbeerfeldern, in Pfirsich- und Aprikosenplantagen illegal beschäftigt werden.
Derweil greift der von der italienischen Regierung befeuerte Rassismus weiter um sich. Von einem neuen Vorfall berichtete La Repubblica: Im Regionalzug Trenord zwischen Mailand und Cremona forderte die Zugführerin am Dienstag per Lautsprecher »Zigeuner, Bettler und andere Störenfriede« auf, den Zug zu verlassen. Zudem wurde bekannt, dass zwei Dreizehnjährige in Pistoia (Norditalien) auf einen Mann aus Gambia geschossen haben. Es soll sich um eine Schreckschusspistole gehandelt haben. Die Jugendlichen hätten eingeräumt, am 2. August in der toskanischen Stadt zwei Schüsse in Richtung des Mannes abgefeuert zu haben, berichtete die italienische Nachrichtenagentur ANSA am Donnerstag unter Berufung auf Polizeiangaben. Sie hätten den Gambier nur erschrecken wollen. Berichten zufolge sollen die Jungen den 24jährigen aber auch rassistisch beleidigt haben.