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Streicht endlich das Wort „Rasse“ aus Gesetzestexten

von Sami Omar, 11. September 2017. In Artikel 3 des deutschen
Grundgesetztes
[i]
sind menschliche Merkmale aufgezählt, aufgrund derer keine Person diskriminiert
werden darf.
  So darf niemand wegen
seines Geschlechts benachteiligt werden. Auch nicht wegen seiner Herkunft und
schon gar nicht seiner „Rasse“ wegen. „Rasse“? Ja, „Rasse“!
Immer noch ist dieses Wort in
deutschen Gesetzestexten zu finden. 

Artikel 3 des Grundgesetzes verbietet die
Benachteiligung wegen biologischer menschlicher Merkmale, wie dem Geschlecht,
ideologischer, wie der politischen Überzeugung und biografischer, wie der
Herkunft. All diese Merkmale orientieren sich an Fakten. Allein das Verbot der
Benachteiligung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer „Rasse“ folgt einem Konzept
von „Rasse“
[ii],
das die Benachteiligung erst theoretisch Begründet. Dass Rassentheorien
allesamt haltloser Mist sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Es ist Zeit, dass
dieser Irrsinn aufhört! Deutschland hat ein originäres Interesse daran, dieser
überholten Theorie, die zum Zweck der Verdinglichung, Unterjochung und
schließlich der wirtschaftlichen Nutzbarmachung anderer Menschen geschaffen und
benutzt wurde, keinen Raum zu geben. Längst ist
 ethnische Vielfalt  gesellschaftliche Realität und bedarf der
Anerkennung gerade durch die Politik. Diese versucht in Teilen immer wieder auf
eine angeblich natürlich gegebene „Andersartikgeit“ zugewanderter Menschen, schwarzer
Menschen und People of Color, Sinti, Roma, und anderer an zu spielen und
arbeitet damit letztlich mit der Rassentheorie.
Wenn der Entwicklungsminister
vom afrikanischen Mann spricht, der lediglich 30 von 100 Dollar für seine
Familie aufwende und den Rest verjuble für: „Alkohol, Suff, Drogen, Frauen
natürlich!“. Wenn Innenminister de Meziere in seinen Thesen zur Leitkultur für
Deutschland mit der Feststellung beginnt: „Wir legen Wert auf einige soziale
Gewohnheiten, nicht weil sie Inhalt, sondern weil sie Ausdruck einer bestimmten
Haltung sind: Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.“ Wenn
der Radiomoderator des Senders 1Live Benni Bauerdickdes in einer Sendung
sagt:  „Ich komm’ gerade von der
Toilette. Noch schnell einen Obama ins Weiße Haus geschickt.“  – und seinen Arbeitsplatz behält.
Wenn der Sender 3Sat seine
fünfteilige Doku-Reihe mit den Worten ankündigt: „Afrika – Der ungezähmte
Kontinent. Auf Safari in Afrika! (…) Kein Kontinent ist so umweht vom Nimbus
der Wildheit, keiner so bekannt für die Ursprünglichkeit seiner Tierwelt. Wenn
der weiße Comedian Luke Mockridge in seiner Sat1-Show diesen Scherz versucht: „Ich
war bei „High School Musical“, hab‘ ich mitgespielt, kanadische
Bühnenproduktion, ich war der Schwarze, es wurde nach Penislänge gecastet, ich
habe die Rolle bekommen.“
Rassismus geht davon aus, dass
Menschen aufgrund zugeschriebener Andersartigkeit anders behandelt und bewertet
werden müssen. Diese Andersartigkeit beinhaltet minderen Intellekt, reduzierte
kulturelle Fertigkeiten und eine ursprüngliche, tiergleiche Wildheit. Doch
nicht nur in  Politik und Medien spürt
man die Ausläufer der Rassentheorie  auf
die sich in unserem Grundgesetz bezogen wird.
Auch in deutschen Schulen wird
die koloniale Geschichte Deutschlands oftmals als Randnotiz abgetan. Teilweise
wird der Kolonialismus der von hier ausging in eine Form der Entwicklungshilfe
verkehrt. Die Geschichte des afrikanischen Kontinents beginnt im deutschen
Bildungssystem meist mit seiner Erschließung durch die Europäer. Noch viel zu
oft wir in schulischen Arbeitsmaterialien die Geschichte des rückständigen
Arfikaners und des Fortschrittlichen Europäers fortgeschrieben. So zum Beispiel
in der Broschüre  „Robinson in Kenia“ aus
der Reihe „Kinder Kinder“ der 
Kindernothilfe. Sie wird in Schulen verwendet um Schülern Informationen
über das Land nahe zu bringen:  Der
kleine Robinson trifft hier auf einen Massai-Jungen, dessen Unterricht im
freien unter einem Baum stattfindet. Außerdem gibt es in dem Heft noch den  Aktionsteil: „essen, spielen, reden und sich
anziehen wie Kinder in Kenia“.[iii]
Und fertig ist das Afrikabild des deutschen Grundschülers.
Auch im Sport äußert sich Rassismus
als Phänomen, das sich aus einem Konzept herleitet. Wenn in Deutschland
schwarze Fußballspieler von der Tribüne herab mit Affenlauten bedacht oder mit
Bananen beworfen werden, dann geht das auf die Bewusste Vermischung zweier
Gedanken zurück. Zum einen ist da Darwins Annahme, der Mensch stamme vom Affen
ab. Zum anderen ist da die Out-of-Africa-Therorie, die den Ursprung der
Menschheit auf dem afrikanischen Kontinent verortet. Vermischt man beide, kann
man -scheinbar  glaubhaft- argumentieren,
„die Afrikaner“ hätten, wegen  ihrer
Rückständigkeit und wegen des Verbleibs am Ursprungsort der Menschheit, etwas
Animalisches, Unmenschliches an sich. Charles Darwin wurde auch deshalb so sehr
für seine Evolutionstheorie angegangen, weil er Menschen damit in die Nähe von
Tieren rücke, so der damalige Vorwurf. Seine Theorie wurde  als „Affentheorie“ abgetan und die koloniale
Entmenschlichung schwarzer Menschen machte es möglich diese Abstammungslinie
vom Tier zum Menschen auf Afrikaner zu beziehen, während der Europäer sich fern
von dem Ursprung dieser Linie, kulturell und physisch enorm entwickelt habe.
Wenn heute also in Fußballstadien Affenlaute ertönen, dann hallt dort nichts
anderes über die Tribünen, als die schall-gewordene weiße Hybris des
postkolonialen Europa.
Man könnte nun argumentieren,
dass die Änderung des Gesetzestextes hin zu einer Vermeidung aller Begriffe,
die einen direkten Bezug zu Rassentheorien herstellen, einer Illusion Vorschub
leistet. Der nämlich, dass diese Änderung auch eine Änderung und Reduktion des
gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus nach sich zögen. Das wird
nicht passieren – doch es ist gar nicht das Ziel!
Die Streichung des Wortes
„Rasse“ aus Gesetzestexten soll:
1.      es
allen staatlichen Institutionen unmöglich machen, sich auf den Rasse-Begriff zu
berufen.
2.    es
allen Menschen, die vor dem Hintergrund deutschen Rechtes auf Gleichbehandlung
pochen, ersparen sich auf den Rassenbegriff im Gesetzestext berufen zu müssen.
3.    ein
Bekenntnis des Rechtsstaates erwirken, in welchem er sich von der Rassentheorie
und der impliziten Rechtfertigung kolonialer Greul distanziert.
Das wäre kein gutes Ende, aber
ein guter Anfang.