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Offener Brief an Prof. Dr. Bernd Ladwig


von Tomerdot, Freitag, 18.01.2017. Für die FU Berlin soll die Meinungsfreiheit
außerhalb Israels bleiben. Das wollen Rie regierenden des Staats Israel leider
auch. 
  Quelle: FU Berlin
Sehr
geehrter Herr Prof. Dr. Ladwig,
Ich
muss als israelischer Jude gegen Ihre neulich getroffene Entscheidung
protestieren, einer Dozentin – Eleonora Roldán Mendívil – den Lehrauftrag zu entziehen,
weil sie der Meinung war, Israel sei ein kolonialistisches Projekt und weil sie
an einer durchaus legalen Demonstration (BDS) teilgenommen hat. Es ist
bedauernd zu sehen, wie das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der
Freien Universität Berlin, meine Universität, die Meinungsfreiheit insofern
einschränkt, dass man nicht mehr gegen Nationalismus reden kann. Es ist
bedauernd, jedes Mal wieder von Neuem zu erleben, wie es der Freien Universität
Berlin am grundsätzlichen Verständnis dafür mangelt, dass Antizionismus nicht
mit Antisemitismus gleichzusetzen ist, sondern auch, das allein schon diese
Verknüpfung bereits eine antisemitische Aktion darstellt. Die
Gleichsetzung der beiden Begrifflichkeiten wird ja schon glücklicherweise
bereits vor Allem in der jüdisch-politischen Welt langsam abgelehnt,
insbesondere unter den jüngeren Generationen, die deren Konsequenzen zu
verstehen anfangen.
Der
Staat Israel begeht Kriegsverbrechen. Eine Fragwürdigkeit der Sache wäre hier
schön, vielleicht, aber es wird im Laufe der Zeit bestätigt und letztlich durch
den Sicherheitsrat der Vereinigten Nationen verankert. Es gibt an der Freien
Universität bestimmt palästinensische Studierende, die Ihnen ganz aus
persönlicher Perspektive zu diesem Thema viele Dinge erläutern können. Dadurch,
dass Sie Antizionismus mit Antisemitismus verbinden, verbinden Sie Juden
kategorisch mit Israel, und in bestimmtem Kontext auch mit Kriegsverbrechen.
Ob
die Methoden der BDS-Kampagne richtig sind oder nicht, ist hier irrelevant. Es
geht um die Trennung der Juden von dem Rest der Welt mithilfe der BDS-Kampagne
als ein Werkzeug. Es wäre legitim, Iran zu boykottieren, Mexiko, die USA, oder
sogar Deutschland selbst, soweit es möglich ist, alle diese Art Boykotte wären
in Ihrem Institut wenigstens bestreitbar. Durch das grundsätzliche Verbot, ein
Boykott an Israel überhaupt zu bestreiten, trennen Sie die Juden und ihnen eine
Sonderbehandlung. Es muss selbstverständlich sein, dass Rassismus gegen eine
Minderheitsgruppe schon bei solchen Trennungen anfängt. Nicht nur, wenn diese
Separation für „negative“ Zwecke Verwendung findet, sondern überhaupt schon das
Vorkommen irgendeiner Art von Separierung wie in diesem Fall. Eine
Demonstration gegen die Israelische Politik ist vollkommen legitim. Eine
Demonstration gegen Juden ist es nicht. Beides miteinander in der kollektiven
Terminologie zu vermischen, ist mehr als gefährlich.
Ich
schreibe an Sie als Jude, der von den „besorgten“ StudentInnen der Gruppe
„Gegen jeden Antisemitismus an der FU“ sehr besorgt ist. Ich fürchte, dass
solche Gleichsetzungen Juden in Berlin große Probleme verursachen. Ich fürchte,
dass bei der nächsten Demonstration gegen die Besatzung Synagogen angegriffen
werden – dann werden vielleicht viele Menschen darüber schockiert sein, wie
antisemitisch die DemonstrantInnen sind. Ich aber leider nicht. Es sind genau
diese Gleichsetzungen, die die Synagoge für die gerechtfertigte Frustration zum
Ziel werden lassen, die das tausende Jahre lang diasporische Volk an eine
Nationalistische Bewegung fesseln, die mich als ein antinationalistischen Jude
delegitimieren.
Ich
bitte Sie darum, über Ihre Entscheidung und deren erdrückende Konsequenzen auf
uns neu und gründlich zu überdenken. Israel darf auch das Recht haben,
boykottiert zu werden. Es ist ein Recht, weil die Alternative eine
Ghettoisierung ist.
Mit
sehr herzlichen Grüßen,
T.
D.