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Astra – Kampf gegen den Menschenhandel in Serbien

Von Milena Rampoldi und Denise Nanni, ProMosaik,
30. Dezember 2017. Deutsche Übersetzung von Beyza Ünver. In unseren sogenannten
demokratischen Systemen werden Frauen Tag für Tag wie Sklavinnen auf den
Sexmärkten verkauft. Wir haben mit Katarina von der Organisation  ASTRA in
Serbien
darüber gesprochen. ASTRA
unterstützt Frauen, die Opfer von Menschenhandel sind. Katarina erklärt uns,
wie ASTRA arbeitet, um dem Phänomen vorzubeugen und Opfern zu helfen.


Welche Gruppen von Menschen sind in
Serbien am häufigsten dem Menschenhandel ausgesetzt?
Auf
der Grundlage der verfügbaren Daten
 gilt Serbien nach wie vor als Herkunfts- und
Ausbeutungsland von Opfern von Menschenhandel. Die Opfer sind vor allem serbische
Staatsbürger (99%) und werden größtenteils auf dem serbischen Territorium ausgebeutet.
Die meisten der in Serbien identifizierten Opfer sind Frauen und Mädchen (80%).
Im Jahre 2005 waren 60% der identifizierten Opfer Kinder (unter 18 Jahren). Über
die ASTRA-SOS-Hotline für Opfer des
Menschenhandels hat ASTRA
im Jahre 2016 31
Hinweise über den Verdacht auf mögliche Opfer bzw. Menschenhandel erhalten.
Diese 31 Hinweise führten zur Identifizierung von 15 Opfern. In diesem Jahr
nehmen wir wieder die Fälle der Arbeitsausbeutung unserer Arbeiter auf. Diesmal
war das Ziel Frankreich, wo eine Gruppe von serbischen Arbeitnehmern (8 von
ihnen sind mit ASTRA in Kontakt) auf der Baustelle ausgenutzt wurden. Eine
Person wurde als potenzielles Opfer von Menschenhandel identifiziert.  
Wie kommt Ihre Organisation mit den Opfern
von Menschenhandel in Kontakt?
Seit 2002 koordiniert ASTRA die erste
SOS-Hotline für Opfer von Menschenhandel. Die ASTRA-SOS-Hotline erhielt mehr
als 28.000 Anrufe von 4.800 Klienten. Von diesen 4.800 Kunden wurden bis 2002,
484 Personen als Opfer von Menschenhandel identifiziert. Die meisten Anrufe dieser
Kategorie, die direkt mit dem Menschenhandel zusammenhängen, sind
Postfestum-Anrufe, d.h. nachträgliche Anrufe, die in der Zeit nach der Identifizierung
gemacht wurden. Diese Anrufe stehen in direktem Zusammenhang mit der
Bereitstellung von Notfallversorgung, Heilung und (sozialer) Eingliederung von
Opfern von Menschenhandel.
Welche sind Ihrer Erfahrung nach die
effektivsten Mittel zwecks Förderung der Wiedereingliederung?
Die direkte Unterstützung der Opfer erfolgt
mit der Berücksichtigung des besten Interesses und der individuellen
Bedürfnisse der Menschen mit der vollständigen Einbeziehung des betroffenen Klienten.
Als Dienstleister fokussiert ASTRA auf die Grundsätze des Vertrauens, der
Achtung der Unterschiede und individuellen Wünsche, der Bedürfnisse und des Heilungsrhythmus,
der Nicht-Diskriminierung und der striktesten Arbeitsvorschriften. Alle Fälle
werden auf der Grundlage von individuellen Fall-Management-Plänen behandelt.
Dabei wird das Tempo des Klienten, seine Wünsche und Bedürfnisse vollständig
berücksichtigt. Die Dienste der ASTRA-SOS-Hotline und des Programms für direkte
Opferhilfe zu Gunsten der Überlebenden des Menschenhandels und ihrer Familien
umfassen Beratung und Unterstützung bei der Suche, Identifizierung, Heilung,
Wiedereingliederung, psychologische Hilfe, Rechtsberatung und medizinische
Unterstützung. Innerhalb dieses Programms gibt es auch ein ASTRA-Mobile-Team,
das für Aktionen in bestimmten Bereichen verantwortlich ist. Es begleitet
Klienten vor Ort ab dem Zeitpunkt ihrer Identifikation bis zum Ende des
Prozesses der erneuten Integration und Wiedereingliederung. Es hilft ihnen,
alle administrativen Barrieren, die auf dem Weg der Verwirklichung ihrer
grundlegenden Bürger- und Menschenrechte entstehen, erfolgreich zu überwinden.
Im Rahmen der Wiedereingliederung sind auch die Aktivitäten zur Verbesserung
des wirtschaftlichen Potenzials und der Beschäftigungsfähigkeit der Klienten
von großer Bedeutung. Dazu gehören eine Reihe von Tätigkeiten – förmliche und
informelle Programme zur  Berufs- und
Erwachsenenbildung, Schulungen zur Wirtschaftsförderung, Fremdsprachen- und
PC-Kurse sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche.
Wie sind agieren Sie im Bereich der Bewusstseinsförderung
zu diesem Problem?
Bisher
leitete oder beteiligte sich ASTRA an
acht großen Kampagnen zur Bekämpfung des Menschenhandels :“Open Your Eyes” (2002), “There Is a Way Out”
(2004), “Save the Children from Human Trafficking” (2005), “Child Trafficking –
Our Reality” (2006), “Naked Facts” (2008), “Stop Trafficking in Children”
(2011), “Labour Exploitation. Human Trafficking. Serious and Organized Crime”
und “Stop Labour Exploitation” (2012).
Im Rahmen
des Präventions- und Bildungsprogramms haben 
wir als Lehrbeauftragte  Grund-
und Spezialschulungen für Polizeibeamte, Richter und Staatsanwälte, Ärzte,
Lehrer, Sozialarbeiter, NRO-Aktivisten, Menschenrechtsanwälte und
Medienvertreter organisiert oder daran teilgenommen. Wir fokussieren im
Besonderen auf die Arbeit mit jungen Menschen, die zwar breit gefächert und
vielfältig sind, aber eine große Gefahr laufen, Opfer von Menschenhandel zu
werden. Sie werden durch Workshops, Vorträge, Straßenaktionen, Peer-Bildung
usw. erreicht, und Aktivisten von ASTRA versuchen, auf allen Veranstaltungen,
die von Jugendlichen besucht werden, präsent zu sein.  
Wie kooperieren Sie mit den Behörden und
Organisationen vor Ort?
Als
führende Organisation im Bereich der Bekämpfung und Vorbeugung des
Menschenhandels in Serbien hat sich ASTRA an der Schaffung nationaler
Mechanismen in diesem Bereich beteiligt und auf diese Weise die Zusammenarbeit
mit verschiedenen staatlichen Akteuren begonnen. Bis jetzt haben wir eine
Vereinbarung mit dem Innenministerium, der Staatsanwaltschaft und dem Zentrum
für den Schutz von Opfern des Menschenhandels unterzeichnet. So wurden im Jahre
2016 zum Zwecke der Unterstützung von (potenziellen) Opfern des Menschenhandels
502 Kontakte zu Institutionen geknüpft. SOS-Berater
waren 89 Mal in Kontakt mit Sozialarbeitern, 174 Mal mit der Polizei, 12 Mal
mit der Justizbehörde und 227 Mal mit dem Zentrum des Schutzes von Opfern des
Menschenhandels. Wie ich bereits erwähnt habe, organisierte ASTRA eine große
Anzahl von Schulungen und Seminaren für alle staatlichen und nicht-staatlichen
Akteure, die sich mit dem Problem des Menschenhandels befassen.