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Die Hungersnot und der vergessene Krieg. Die Unterernährungsrate bei Kindern stieg seit 2014 um 200% an


von MintPress, 8.
Dezember 2016, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik.
„Man lässt den Jemen langsam
verhungern“, erklärte ein Vertreter des Entwicklungshilfevereins OxFam. „Und es
geschieht nicht zufällig, sondern systematisch.“


Udai Faisal, der
unter akuter Unterernährung leidet, ist im Al-Sabeen Krankenhaus in Sanaa, Jemen,
eingeliefert worden. Udai starb kurz nach dieser fotografischen Aufnahme.
Hunger ist die brutalste Auswirkung des jemenitischen Konfliktes und hat sich
verschärft, seit Saudi Arabien und seine Alliierten, mit US-Unterstützung, vor
einem Jahr eine Kampagne von Luftangriffen und eine Schiffsblockade einleiteten.
(AP Photo/Maad al-Zikry, Datei)
SANAA, Jemen — Während die Welt auf den
Syrienkonflikt sieht, setzt eine von den US-unterstützte, von Saudi Arabien
angeführte Koalition, ihren Krieg gegen den Jemen fort. Sie trifft die
Zivilbevölkerung, indem sie diese verhungern lässt und lebenswichtige
Infrastrukturen zerbombt.
Mindestens 10.000 Menschen haben in diesem Konflikt ihr Leben gelassen. Die meisten von ihnen sind Zivilisten, aber eine sich bedrohlich
abzeichnende Hungersnot könnte diese Zahl noch mehr in die Höhe treiben.
„Eine ganze Generation könnte
durch Hunger kaputtgehen“, erklärte 
Torben Due, der Leiter des Welternährungsprogramms im Jemen in einem Bericht
vom 25. Oktober aus dem UN-Nachrichtendienst.
Einer WFP-Recherche über die
Hungersnot vom Juni zufolge leiden 14,1 Millionen Jemeniten, d.h.
51% der Bevölkerung, unter unsicheren Ernährungsbedingungen. Und die meisten von ihnen
sind Kinder. Der WFP zufolge brauchen ungefähr 700.000 Kinder unter fünf,
schwangere Frauen und stillende Mütter Nahrung, um zu vermeiden, „dass sie
unter einer mittelmäßigen bis akuten Unterernährung leiden“. Diese Situation
bezeichnet man auch als Auszehrung. Sie kann schwerwiegende, langfristige
Auswirkungen auf die kognitive und körperliche Entwicklung der Kinder haben.
Die Krise im Jemen hat, einher
mit den Konflikten in Syrien, im Irak, in Nigeria, im Südsudan und woanders, die
Vereinten Nationen dazu
veranlasst, die Rekordforderung von $22,2 Milliarden humanitärer Hilfe für 2017
zu stellen,
 wie der
UN-Nachrichtendienst am Montag berichtete.
Jim Clarken, Geschäftsführer der
humanitären Organisation Oxfam in Irland, warf der von Saudi Arabien
angeführten Koalition vor, die Zivilbevölkerung bewusst aushungern zu lassen.
In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht erklärte Clarken die Lage, indem
er sich an das irische Nachrichtenportal BreakingNews.ie wendete:
„Der Jemen wird langsam dem
Hungertod geweiht. Das Ganze begann mit den Importeinschränkungen – auch im
Bereich der Grundnahrungsmittel – aber als die Lage sich zum Teil verbesserte,
wurden die Hafenkräne bombardiert, dann die Lagerhäuser, und dann die Straßen
und die Brücken. Das ist kein Zufall, das ist ein systematischer Plan.“


Salem, 5, der an Unterernährung
leidet, liegt im Bett eines Krankenhauses der Hafenstadt Hodeidah, südwestlich
von Sanaa, im Jemen. Schon vor dem Krieg war Hodeidah eine der ärmsten Städte
des Landes. Und der Jemen ist das ärmste arabische Land. Nach der Zerstörung
der Fischerboote im Hafen und seiner Infrastruktur durch die von Saudi Arabien
angeführten Luftangriffe schätzen die Vereinten Nationen, dass 100.000 Kinder
in der Provinz die Gefahr einer schweren Unterernährung laufen. (AP Photo)
Das saudische Militär begann, mit
der Unterstützung durch eine Koalition anderer Staaten des Nahen Ostens und der
USA, im März 2015 mit seinen Angriffen. Dies geschah einige Monate nach der
Machtergreifung der jemenitischen Houthi durch einen Putsch.
Obwohl die Angriffe den erneuten
Sturz der Houthi bewirken sollten, haben die Saudis ganz bewusst
Zivilisten angegriffen und die lebensnotwendige zivile
Infrastruktur
 von Brunnen bis Krankenhäusern zerstört.
Fergal Keane, BBC-Reporter im Nordjemen, berichtete am Dienstag, dass die Zahl
der unterernährten Kinder seit dem Ausbruch des Konfliktes mit den Houthis im
Jahre 2014 um 200% gestiegen ist. UN-Daten zufolge wurden 3,3 Millionen
Menschen innerhalb des Landes durch die Kämpfe vertrieben. 19,4 Millionen fehlt
der Zugang zu sauberem Trinkwasser oder zu sanitären Anlagen.
„Hauptstraßen und Brücken werden
häufig angegriffen. Dies gestaltet die Lieferung von Hilfsgütern noch
schwieriger“, so Keane.
Ungefähr 51% der Krankenhäuser
und andere medizinische Einrichtungen sind auch wegen des Krieges außer
Betrieb. Am Mittwoch sprach die
Weltgesundheitsorganisation von einem kritischen Mangel an Ärzten im Lande (ungefähr
40%). Von 276 jemenitischen Bezirken, die von der WHO in einer Umfrage erfasst
wurden, hatten 49 gar keinen Arzt.
Ein anonymer
Menschenrechtsaktivist aus dem Jemen (
@Living_Yemen auf Twitter) und
Freiwillige örtlicher Vereine namens
Your Ability Organization warnten vor dem Tod jemenitischer Kinder an vermeidbaren
Krankheiten. Sogar Schnupfen oder Fieber können nämlich tödlich enden, wenn
Kinder unterernährt oder unzureichend medizinisch versorgt sind.
„Es ist ein emotional unendliches
Leid einer ganzen Generation von Kindern, die dem Tode geweiht ist“, 
schrieb der Aktivist am Dienstag auf The Guardian.
Sogar die von den Vereinten
Nationen unternommenen Versuche, Friedensverhandlungen einzuleiten, sind von
einer extremen Unsicherheit geprägt. Am Dienstag wies die jemenitische
Exilregierung
einen Friedensvorschlag zurück, der den Präsidenten Abd-Rabbu
Mansour Hadi aufforderte, die Macht abzugeben und dafür die Kontrolle wichtiger
Städte durch die Houthi zu erhalten.