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CASA SANKARA – EINE INITIATIVE GEGEN DIE AUSBEUTUNG VON MIGRANTEN IN DER ITALIENISCHEN LANDWIRTSCHAFT

Von Elettra
Griesi, November 2016.
Elettra Griesi
Die
Saisonarbeit durch illegale Landarbeiter_innen, die hauptsächlich aus der
Sub-Sahara stammen, stellt in Italien im Allgemeinen und in Süditalien
(Apulien) im Besonderen eine Notlage dar. Paradigmatisch für die Situation und
die Kämpfe ist das sogenannte Ghetto von Rignano in der Nähe der Stadt
Foggia
, wo in der Hochsaison bis zu 2.000 Landarbeiter_innen eine Bleibe in
Karton- und Plastikhütten finden. Das Ghetto sowie die Koordination der
Landarbeit in der Tomatenernte werden durch mafiöse Netzwerke verwaltet.
Besonders
hervorgehoben ist an dieser Stelle die Hauptfigur eines sog. Caporale. Ein Caporale kann ein Einheimischer oder auch ein Landsmann der
ausländischen Landarbeiter_innen sein. Er besorgt die Arbeitskraft und hat dazu
noch enorme Einkünfte für die Zuweisung einer Bleibe, für das Essen und den
Transport zur Arbeit. Ebenfalls fungiert er als Sexagentur.
Ein
Caporale ist derjenige, der über die „Einstellungsregeln“ entscheidet, die transregionale
Bewegungen der Landarbeiter_innen vom Norden in den Süden und umgekehrt
organisiert und die Produktionskette kontrolliert. Er wird vom Landbesitzer für
diese Tätigkeiten sozusagen „eingestellt“.
Die
Landarbeiter_innen dürfen sich im System ohne die Bewilligung eines Caporale
„nicht bewegen“, aber auch nicht in das System rein kommen, ohne seine
Zustimmung. Und er agiert mit der Komplizenschaft des italienischen,
landwirtschaftlichen, kapitalistischen Sektors sowie der Großkonzerne, die
unabhängig von den Kosten der Arbeitslöhne, ihre Produktpreise festlegen.
Seit
2013 setzt sich eine Gruppe von Senegales_innen für eine Veränderung dieser
Lage ein. Gemeinsam mit lokalen italienischen NGOs fingen sie an, mit der
Regionalregierung zu verhandeln. Ihr Ziel war, durch ein selbst erbautes
Eco-Village eine Alternative zu dem Ghetto zu schaffen.
Im
Mittelpunkt des Projektes „Ghetto Out – Casa Sankara“ standen die Begriffe „Selbstbestimmung
und Organisation von unten
“, „soziale und wirtschaftliche
Integration
“ sowie „Regelung des Aufenthaltsstatus“.
Weitere
Ziele bestanden in der „Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten in einer
ökologischen Landwirtschaft und Teilnahme am politischen und sozialen Leben, frei
von mafiöser Hegemonie“.
Das durch Saisonarbeiter_innen erbaute
Eco-Village sollte den Vorteil mit sich bringen, dass dort ungefähr 20 Hektar
Ackerfläche zur Verfügung gestanden hätten.
Diese
sollten in eigener Verwaltung bestellt werden und die lokale Ökonomie stärken,
indem die erzeugten Produkte auf den lokalen Markt hätten verkauft werden
sollen. Des Weiteren wurden Tätigkeiten für „multikulturelle“ Manufaktur- und
Handwerksarbeiten sowie eine soziale Infrastruktur für interkulturelle Projekte
geplant.
Nach
langjährigen Kämpfen, Widerstand, Besetzung des Ortes und Verhandlungen mit der
Regionalverwaltung, erreichten sie die Schließung des Ghettos in Februar 2016
und in Juni 2016 die Genehmigung des Projektes „Ghetto Out – Casa Sankara
sowohl für den Ersatz durch das von ehemaligen Ghetto-Bewohner_innen selbst
erbaute Eco-Village als auch für die Bestellung der 20 ha. Ackerfläche.
Heute
leben ungefährer 40 ehemalige Ghetto-Bewohner_innen in Casa Sankara, das nun
einen legalen Status erlangt hat. Unter ihnen befinden sich diverse Familien,
deren Kinder heute wieder in die Schule gehen können.
Einige
von ihnen widmen sich der Landwirtschaft, andere wiederum den Handwerksarbeiten.
Ziel ist es, die Potenziale, Kenntnisse und Erfahrungen aller Bewohner_innen
einfließen zu lassen, damit eine gegenseitige Bereicherung stattfinden kann.
„Ghetto Out – Casa Sankara“ soll als „Zwischenstation“ verstanden werden, ein
Ort, an dem Menschen zusammenleben und -arbeiten und dessen endgültiges Ziel es
ist, ihre Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu erreichen, um später (wenn
erwünscht) in urbanen oder ruralen Zentren ihre Zukunft aufbauen zu können.
Auch
Einheimische nehmen heute an den Tätigkeiten in Casa Sankara teil.
Anbei
eine Foto-Galerie dazu, damit Sie sich ein Bild von diesem wichtigen Projekt
machen können.