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Fake-News: Im Süden schon lange ein Problem


Von Infosperber, 28. November 2016.  Erst
seit der Einfluss von Lügen in den USA zum Politikum wurde, wird die
Verantwortung von Facebook und Twitter zum Thema.

 

Das von
Duterte verbreitete Bild eines Drogenmafia-Opfers wird als altes Bild aus
Brasilien entlarvt

Mit erfundenen, falschen Nachrichten, die sich in sozialen Netzwerken rasch
verbreiten, kann Politik beeinflusst werden. Der Wahlkampf in den USA hat vor
Augen geführt, wie viel Macht über «Social Media» entwickelt werden kann.
Seitdem wird auch dort über die politische Verantwortlichkeit von Facebook oder
Twitter öffentlich nachgedacht. Bis dahin war das wenig der Fall. Europäische
Besorgnis über die Verbreitung von Nazi-Propaganda über amerikanische Server
zum Beispiel wurde weitgehend mit dem Hinweis auf die
Meinungsäusserungsfreiheit abgetan (ganz im Gegensatz zum eher rigorosen
Durchgriff gegenüber sexuellen Inhalten).

Im Welt-Süden ist die Manipulation demokratischer Prozesse durch «fake
news» nichts Neues. In Indonesien, auf den Philippinen und in anderen Ländern,
wo der Zugang zu faktenorientierter Berichterstattung und freier
Meinungsbildung rarer ist, funktioniert das perfide Spiel noch besser als in
den USA und in Europa. Zwar sind die Kamera und die Internetverbindung des
Mobiltelefons zu wichtigen Waffen zur Verteidigung von Menschenrechten geworden
– etwa bei der Kriseninformationsplattform Ushahidi, und belegen Verbote in
China oder in der Türkei, wie schmerzhaft «social media» für kontrollgewohnte
Machthaber sein können. Aber die durch die riesige Reichweite erzeugte Wirkung
grosser Netze erstreckt sich eben auch auf Fehlinformationen, Hirngespinste und
bewusste Irreführungen. An manchen Orten wird mit Online-Fehlinformationen
reale Politik gemacht. Dahinter können Einzelpersonen, Interessengruppen oder
die herrschende Regierung stehen.
Facebook und Twitter vor Wahlen verboten
In Indonesien und auf den Philippinen geriet Facebook als zweifelhafte
Nachrichtenquelle schon lange vor den Wahlen in den USA ins Rampenlicht. «Wir
sahen die Warnzeichen schon vor Jahren», erklärte Richard Heydarian, ein
Politikberater auf den Philippinen, gegenüber der «New York Times». Weil sie zu
viele gefälschte Nachrichten verbreiten würden, hat Indonesiens Regierung
Webseiten geschlossen. Kritiker sagen, einige Portale seien auch aus
politischen Gründen geschlossen worden. Die Grenze ist heikel zu ziehen.
Einige afrikanische Länder haben das Verwenden von Facebook, WhatsApp und
Twitter vor Wahlen rundweg verboten, berichtet die NYT. Regierungen in Tschad
oder in Uganda geben als Grund für das Verbot an, das Schüren von Ängsten und
das Verbreiten von erfundenen Gefahren könnten die Wahlergebnisse verfälschen.
Das mag sein. Ebenso plausibel ist der Verdacht, dass die Offenlegung von
Wahlfälschungen unterbunden werden soll.
Falsche Bilder auf den Philippinen
Auf den Philippinen teilte ein Sprecher des populistischen Präsidenten
Rodrigo Duterte auf Facebook das Bild einer getöteten jungen Frau, von der behauptet
wurde, sie sei von einem Drogendealer vergewaltigt und ermordet worden (siehe
Bild oben). Später wurde aufgedeckt, dass die Aufnahme aus Brasilien stammte.
Zehntausende von philippinischen Facebook-Nutzern haben kürzlich eine
Geschichte verbreitet (»geteilt»), in welcher behauptet wird, die NASA hätte
Präsident Duterte zum besten Präsidenten des Sonnensystems gewählt. Während
Einträge auf Facebook diese Nachricht als Witz kommentierten, haben sie einige
offensichtlich ernst genommen.
«Facebook hat es professionellen Propagandisten ermöglicht,
Nebensächlichkeiten und Verschwörungstheorien zu verbreiten», sagte der
philippinische Politik-Analyst Richard Heydarian der NYT. «Stimmen, die bisher
ein Schattendasein führten, stehen jetzt im Zentrum der politischen
Diskussion.»
In Indonesien musste der Präsident seine Heiratsurkunde zeigen
In Indonesien ist Facebook so populär, dass es etliche mit dem ganzen
Internet verwechseln. Umso grösser ist sein Einfluss
Als sich Joko Widodo 2014 um das Amt des Präsidenten bewarb, wurde ihm in
sozialen Medien vorgeworfen, er sei ein chinesischer Christ und ein Kommunist.
Das ist in dem tief islamischen Land eine ernstzunehmende Kritik. Widodo musste
daraufhin seine Heiratsurkunde veröffentlichen, um zu beweisen dass er kein
Chinese sei, und er machte kurz vor der Wahl eine Pilgerreise nach Mekka.
«Die Falschnachricht hatte einen sehr grossen Einfluss auf unsere
Kampagne», sagte Tubagus Ramadhan, der Widodo half, dessen Wahlkampf-Kampagne
auf den sozialen Medien zu betreiben.
Einfluss auf Abstimmung in Kolumbien
Auch die knappe Ablehnung des Friedensabkommens mit der Rebellenbewegung
FARC in einem Referendum in Kolumbien wurde durch Online-Desinformation
beeinflusst. Facebook-Nutzer verbreiteten (»teilten») ein grob verändertes Foto
des kolumbianischen Latino-Star Juanes. Auf dem Bild trug der Popsänger ein
T-Shirt, das suggerieren sollte, er sei ein Gegner des Friedensprozesses mit
der grössten Rebellengruppe des Landes. Auf Twitter bestritt er dies.
Nutzen und Gefahren nahe beieinander
Nach Katastrophen ermöglichen es soziale Medien wie Facebook den Menschen,
ihren Freunden und Familien mitzuteilen, dass sie sich in Sicherheit befinden.
Sie können aber auch die Quelle von gefährlichen Gerüchten sein, die sich
schnell verbreiten. Auf dem Höhepunkt des Ebola-Ausbruchs 2014 verbreitete sich
in Sierra Leone die Falschmeldung auf Facebook und WhatsApp (gehört Facebook
seit 2014), dass Baden in heissem, salzigem Wasser heilen und die Ausbreitung
des Virus verhindern würde.
Mittlerweile signalisiert Facebook grössere Vorsicht bei der Verbreitung
von Häme, Hass und Hetze. Wieviel davon zu halten ist, hat das «Streiflicht»
der Süddeutschen Zeitung vor kurzem so beantwortet: «Geben wir Facebook eine
Chance und posten mal: Karl der Grosse stammt aus Kenia und ist zusammen mit Merkel
in einem schwarzen Helikopter zum Mond geflogen, um von da aus die Welt dem
Islam zu unterwerfen. Facebook wird das löschen. Bestimmt.»