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FESTUNG EUROPA Rechtsextremismus in Bulgarien


Von Dr. Michael Lausberg,
MiGAZIN, 14. Oktober 2016.
Flüchtlinge sind in Bulgarien alles andere als willkommen. Rechte
„Bürgerwehren“ machen an der Grenze Bulgariens Jagd auf Flüchtlinge. Dies
geschieht mit der Duldung des Regierungschefs und großen Teilen der
Bevölkerung.

Grenzschutzpolizisten in Bulgarien © Birgit Sippel
Auf Bulgarien entfielen im Jahr
2014 insgesamt 1,8 Prozent der Asylanträge in der EU, was 11.080 Anträgen
entspricht, 2015 waren es 20.391 Anträge. Etwa 5.300 Asylanträgen wurde
2015 stattgegeben. Notwendige Integrationsprogramme für Flüchtlinge existieren
jedoch nicht. Aber auch aus anderen Gründen bleiben die wenigsten
Flüchtlinge in Bulgarien.
In Bulgarien macht seit über einem Jahr die „Organisation zum Schutz der
bulgarischen Bürger“ (OSBG) von sich reden. Sie jagt bei sogenannten
„Waldspaziergängen“ im Grenzgebiet Flüchtlinge und übergibt sie der
Grenzpolizei. Es sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen die Flüchtlinge zuvor
misshandelt und ausgeraubt wurden. Von der Regierung forderte die Organisation
öffentlich ein „Kopfgeld“ von 25 Euro für jeden übergebenen Flüchtling.
Rechte Bürgerwehren solcher Art haben keine Sanktionen zu befürchten. Im
Gegenteil, sie erhalten für ihre Straftaten volle Unterstützung von staatlicher
Seite. Bulgariens Ministerpräsident Bojko Metodiew Borissow dankte den
Menschenjägern ausdrücklich: „Jegliche Unterstützung für die Polizei, den
Grenzschutz und den Staat ist willkommen.“
Die Bürgerrechtsorganisation
Helsinki-Komitee Bulgarien erstattete daraufhin Anzeige gegen Borissow wie auch
gegen einige Privatmilizionäre. Margarita Iliewa, die Leiterin des
Rechtsprogramms beim bulgarischen Helsinki-Komitee, sieht in den „islamophoben
Hass-Verbrechen“ der Bürgerwehren eine Folge „jahrelanger xenophober Propaganda von ganz oben“.
Regierungschef Borissow machte jüngst eine Grenzschutzübung von Armee und
Polizei im Grenzgebiet zu Griechenland publik und kündigte an, bei Bedarf seine
Truppen an der griechischen Grenze zu verstärken und dort gegebenenfalls
unverzüglich auch einen Schutzzaun zu bauen.
Die staatlich praktizierte Abwehr von Flüchtlingen bildet leider die
politische Realität des Landes ab, das seit dem Ende des Staatssozialismus
immer mehr nach rechts abgleitet. Die einflussreichsten Organisationen der
extremen Rechten in Bulgarien sind Ataka und der Bulgarische Nationalbund
(BNS). Ziel ihrer Hetze sind vor allem Roma und die türkische Minderheit des
Landes. Auch Feindschaft gegenüber Muslimen ist trauriger Alltag in Bulgarien.
Der Vorsitzende der rechten Partei Ataka, Volen Siderov, bezeichnete in
einer Rede vor dem Präsidentenpalast die „Islamisierung“ und die
„Zigeunerisierung“ als die eigentlichen Probleme Bulgariens. Weiterhin
verlangte er den Abriss der Roma-Siedlungen in den Städten und die
Wiedereinführung der Todesstrafe.
2013 gewann Ataka 7,3 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen und
stellte mit 23 Abgeordneten die viertstärkste Fraktion. Die Wähler von Ataka
sind zum größten Teil die Verlierer des Transformationsprozesses nach dem
Zusammenbruch des sozialistischen Regimes. Roma, die türkische Minderheit und
neuerdings Flüchtlinge werden als Konkurrenten um die kärglich bemessenen
sozialen Leistungen begriffen und eignen sich daher als Sündenböcke für die
eigene Situation. Dass in Bulgarien seit Jahrzehnten eine neoliberale
Wirtschaftspolitik betrieben wird, die mit zur Verelendung von Teilen der
Bevölkerung beiträgt, wird nur in Ansätzen kritisiert.
Die Gesinnung dieser Bewegungen zeigen folgende Beispiele: Im Jahre 1999
nahm Ataka-Vorsitzender Wolen Nikolow Siderow an einer internationalen
Konferenz von Holocaust-Leugner in Moskau teil. BNS-Vorsitzender Bojan Rasate
sprach sich sogar für einen „Ariernachweis“ aus, da „die Menschen unterschiedlich
geschaffen“ wurden. Er definierte die „bulgarische Rasse“ als „weiß mit
europäischen Gesichtszügen“.
Dr.
Michael Lausberg, Dr. phil (Politikwissenschaften), studierte Pädagogik,
Philosophie, Politikwissenschaften und Neuere Geschichte sowie den
Aufbaustudiengang Interkulturelle Pädagogik an den Universitäten Aachen, Köln
und Amsterdam. Seit 2007 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Duisburger Instituts für Sprach- und
Sozialforschung
 (DISS) und zudem als freier Publizist tätig.
Seine Forschungsschwerpunkte sind politische Theorie, extreme Rechte,
Rassismus, Antiziganismus sowie Migration. Regelmäßige Veröffentlichungen im
MiGAZIN, in hagalil, Netz gegen Nazis, im DISS-Journal, bei Kritisch Lesen und
in der Tabula Rasa.