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Shimon Peres – Nachruf auf einen “Friedenspolitiker”


von
Ludwig Watzal, Der Semit, 28. September 2016.
“De mortuis nil nisi bene” wird gemeinhin im
Deutschen mit “über Tote solle man nur Gutes reden” übersetzt. Die Schlagzeilen
der deutschen Nachrufe überbieten sich in dieser Art von Lobhudeleien. Am
Schlimmstes trieb es jedoch US-Präsident Barack Obama. Er pries Peres allen
Ernstes als “einen Kämpfer für den Frieden”, in dessen Schuld Amerika stehe!
“Als Amerikaner stehen wir in seiner Schuld.” Es kommt aber noch Schwülstiger:
„Ein Licht ist ausgegangen, aber die Hoffnung, die er uns gegeben hat, wird für
immer brennen“, so Obama. 

Der US-Präsident sollte es eigentlich besser
wissen, dass selbst der “Friedensengel” Peres nur an einem Frieden zu Israels
Bedingungen mit den Palästinensern interessiert war, nämlich der Unterwerfung
der Palästinenser unter ein israelisches Friedensdiktat. Die Heuchelei Obamas
wurde noch nur von der Benyamin Netanyahus übertroffen, der die
“Friedenspolitik” von Yitzhak Rabin und Peres auf das Schärfste bekämpft hatte.
Und für den US-Vizepräsidenten Joe Biden wird die Welt “jetzt etwas
dunkler”. 
Nur zwei Deutsche, und zwar der Ex-Bundespräsident Christian Wulff und
Charlotte Knobloch, Ex-Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland,
toppten noch die Beweihräucherung über Peres. “Er hat seine Zeit überstrahlt,
mit seiner Empathie, seinem großen Herz, seiner Menschenfreundlichkeit und
seinem Mut, seinem offenbar unerschütterlichen Glauben an die Möglichkeit des
Guten. Shimon Peres hat gezeigt, was die Welt so überaus nötig hat und ihr
gleichzeitig so schmerzlich fehlt.” Oder Knobloch: “Er war Symbol für den
zionistischen Traum.” Dieser hatte sich aber für die Palästinenser als Alptraum
entpuppt. Seine gesamte politische Tätigkeit  war ein “Ringen um Frieden”.
War er wirklich ein “kluger Hoffnungsträger, ein unermüdlicher Versöhner”? Wie
es scheint, prägen solche illusionären Vorstellungen der Nachwelt das Image
eines Politikers in der Öffentlichkeit über dessen Tod hinaus, obwohl die
Realität, die er vor Ort zu verantworten hatte, nichts, aber auch gar nichts
damit zu tun hatte. Die Würdigungen der offiziellen politischen Klasse bleiben
hier unerwähnt, da sie im gleichen Tenor abgefasst sind.
Über den Werdegang von Peres ist alles geschrieben worden: Seinen Nimbus
schöpfte er als Vertrauter von David Ben-Gurion; er war Hauptinitiator des
israelischen Atomprogramms, Freund von CSU-Chef Franz Josef Strauß; er gab
Intermezzi als zwischenzeitlicher israelischer Ministerpräsident; krönender
Abschluss seiner langen Karriere war “Präsident von Israel”. In dieses Amt
wurde er nicht vom Volk, sondern von israelischen Parlament, der Knesset,
gewählt. Peres selbst ging immer nur als zweiter Sieger oder “ewiger Verlierer”
aus den Wahlen in Israel hervor. Ein wichtiger Grund: Die Israelis haben ihm
zutiefst misstraut.
Ohne Umschweife kann behauptet werden, dass er bis zum letzten Atemzug der
zionistischen Sache gedient hat, was nicht gleichbedeutend mit der Sache des
Friedens mit den Palästinensern ist. Sein Image im Westen war immer das eines
“Liberalen” des “guten Israeli”, tatsächlich war Peres ein zionistischer
Hardliner, der seine Vorstellungen in der Rhetorik der so genannten “Zionist
Left” verpackt hat. Prinzipiell sagte er nichts anderes als Ariel Sharon oder
Netanyahu, sondern er trug es nur konzilianter vor. In diesem Punkt ähneln sich
die vorgetäuschten Visionen von Peres mit den politischen Nachrufen der
politischen Eliten in den USA und Deutschland.
In seinen verschiedenen politischen Funktionen setzte er sich auch immer
für die Besiedlung der besetzten Gebiete ein. Nachdem sein “Friedenspartner”
Rabin im November 1995 von einem jüdischen Rechtsextremisten ermordet worden
war, übernahm er bis zu seiner Wahlniederlage im Mai 1996 gegen Netanyahu das
Amt des Ministerpräsidenten. Peres hatte niemals im israelischen Militär
gedient, folglich musste er sich unter den Attacken Netanyahus als “starke”
Führungspersönlichkeit präsentieren.
Im Zuge der Operation “Früchte des Zorns”, die sich gegen den Hisbollah in
Libanon richtete, bombardierte Israel im April 1996 den UN-Stützpunkt in Kana.
Bei diesem Angriff kamen 106 Libanesen ums Leben, die gleiche Anzahl wurde
verletzt. Wie üblich, bedauerte die Peres-Regierung das Massaker. Trotz dieses
massiven Militäreinsatzes im Libanon verlor Peres die Wahlen gegen Netanyahu.
Typisch für den Sphinx-haften Charakter von Peres kann sein angeblicher
Ratschlag an den damaligen israelischen Verteidigungsminister Moshe Dayan vor
Ausbruch des Juni-Kriegen von 1967 gelten, indem er Dayan einen bestimmten
Vorschlag gemacht haben soll, der “die Araber abgeschreckt und den Krieg
verhindert hätte”. Wie dieser grandiose Vorschlag ausgesehen habe, wollte er
später partout nicht beantworten. Sein so genannter “Neue Nahe Osten” war ein
kolonialer, der nur den Interessen Israels diente, die jetzt von Netanyahu und
seiner rechtsextremen Regierung in die Tat umgesetzt werden.
Peres bekam zwar zusammen mit Yitzhak Rabin und Yassir Arafat den
Friedensnobelpreis für den so genannten Osloer Friedensprozess, aber auch
andere ehemalige Terroristen wie Menachem Begin oder “Kriegsverbrecher” wie
Henry Kissinger haben sich mit dieser Auszeichnung schmücken dürfen. Selbst
Barack Obama hat unmittelbar nach Amtsantritt diesen Preis für Nichts verliehen
bekommen
Da zum Tode von Shimon Peres so viel Gutes und Schönes geschrieben worden
ist, sollen diese Ausführungen nur der Vervollständigung des Bildes über diesen
Politiker dienen.