Nora Frerichmann Kita-Sozialarbeiter: Ungleichheit schon in der Kita bekämpfen
MiGAZIN, 9. August 2016. Im Ruhrgebiet lebt mehr
als jedes vierte Kind von Hartz IV, Migranten sind fast doppelt so häufig von
Armut betroffen. Oft sind diese Kinder auch bei der Bildung benachteiligt.
Bochum testet jetzt einen neuen Ansatz.
als jedes vierte Kind von Hartz IV, Migranten sind fast doppelt so häufig von
Armut betroffen. Oft sind diese Kinder auch bei der Bildung benachteiligt.
Bochum testet jetzt einen neuen Ansatz.
Kinder in der Kita
© Poiseon Bild
& Text auf flickr.com (CC 2.0),
bearb. MiG
© Poiseon Bild
& Text auf flickr.com (CC 2.0),
bearb. MiG
Wenn Familien Rat bei Deborah Tölg suchen, geht es
häufig um Probleme, die Kindern die Bildung erschweren: wenig Geld, Probleme
bei der Kita-Suche oder Erziehungsfragen. Die 27-jährige Sozialarbeiterin ist
Teil eines neuen Programms, mit dem das Bochumer Jugendamt seine
Präventionsarbeit ausbaut. Das Konzept soll dort ansetzen, wo das Jugendamt
bisher wenig präsent war – in Kindertagesstätten.
häufig um Probleme, die Kindern die Bildung erschweren: wenig Geld, Probleme
bei der Kita-Suche oder Erziehungsfragen. Die 27-jährige Sozialarbeiterin ist
Teil eines neuen Programms, mit dem das Bochumer Jugendamt seine
Präventionsarbeit ausbaut. Das Konzept soll dort ansetzen, wo das Jugendamt
bisher wenig präsent war – in Kindertagesstätten.
Die neuen Kita-Sozialarbeiterinnen arbeiten an den
Schnittstellen zwischen Jugendamt, Kitas, Eltern, Beratungsstellen, Ämtern und
Kinderärzten. Sie stellen Kontakte her, helfen bei Behördengängen oder beraten
selbst. „Viele Probleme, die Familien unter Druck setzen, können schon mit sehr
wenig Aufwand unsererseits gelöst oder gelindert werden“, berichtet Tölg. Seit
dem Start des Programms Ende 2015 ist sie als Kita-Sozialarbeiterin in
Bochum-Wattenscheid tätig.
Schnittstellen zwischen Jugendamt, Kitas, Eltern, Beratungsstellen, Ämtern und
Kinderärzten. Sie stellen Kontakte her, helfen bei Behördengängen oder beraten
selbst. „Viele Probleme, die Familien unter Druck setzen, können schon mit sehr
wenig Aufwand unsererseits gelöst oder gelindert werden“, berichtet Tölg. Seit
dem Start des Programms Ende 2015 ist sie als Kita-Sozialarbeiterin in
Bochum-Wattenscheid tätig.
Viele Familien, die mit wenig Geld über die Runden
kommen müssen, wüssten zum Beispiel nicht, dass sie Anrecht auf Leistungen für
Bildung und Teilhabe haben, erzählt Tölg. Indem sie Familien darauf hinweise,
könne verhindert werden, dass Kinder ausgegrenzt werden, weil sie nicht an
Ausflügen teilnehmen oder in den Sportverein gehen könnten. „So was kann sonst
viel Druck und Unzufriedenheit in den Familien auslösen und zu Problemen wie
zum Beispiel Verschuldung führen“, sagt die Sozialarbeiterin.
kommen müssen, wüssten zum Beispiel nicht, dass sie Anrecht auf Leistungen für
Bildung und Teilhabe haben, erzählt Tölg. Indem sie Familien darauf hinweise,
könne verhindert werden, dass Kinder ausgegrenzt werden, weil sie nicht an
Ausflügen teilnehmen oder in den Sportverein gehen könnten. „So was kann sonst
viel Druck und Unzufriedenheit in den Familien auslösen und zu Problemen wie
zum Beispiel Verschuldung führen“, sagt die Sozialarbeiterin.
Bundesweit sind
Migranten fast doppelt so häufig von Armut
betroffen. Gerade im Ruhrgebiet haben familiäre Probleme häufig mit
Armut zu tun. Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnet das Ballungsgebiet
in seinem Armutsbericht 2016 als „armutspolitische Problemregion Nummer Eins“.
Von 2006 bis 2014 sei die Armutsquote um 27 Prozent auf einen neuen Höchststand
von 20 Prozent gestiegen. Mehr als ein Viertel der Kinder (28 Prozent) wächst
dem Bericht zufolge in Familien auf, die von Hartz IV leben.
Migranten fast doppelt so häufig von Armut
betroffen. Gerade im Ruhrgebiet haben familiäre Probleme häufig mit
Armut zu tun. Der Paritätische Wohlfahrtsverband bezeichnet das Ballungsgebiet
in seinem Armutsbericht 2016 als „armutspolitische Problemregion Nummer Eins“.
Von 2006 bis 2014 sei die Armutsquote um 27 Prozent auf einen neuen Höchststand
von 20 Prozent gestiegen. Mehr als ein Viertel der Kinder (28 Prozent) wächst
dem Bericht zufolge in Familien auf, die von Hartz IV leben.
Die Kita-Sozialarbeit soll die Chancengleichheit
schon vor der Schule verbessern. Zwar arbeiten einzelne Kitas in Deutschland
bereits mit Sozialarbeitern zusammen, etwa in Berlin und im hessischen Korbach.
Dass das Jugendamt aber in allen Stadtbezirken so eng mit den
Betreuungseinrichtungen kooperiert, ist neu. In Bochum gibt es momentan neun
Kita-Sozialarbeiter, vier weitere sollen hinzukommen.
schon vor der Schule verbessern. Zwar arbeiten einzelne Kitas in Deutschland
bereits mit Sozialarbeitern zusammen, etwa in Berlin und im hessischen Korbach.
Dass das Jugendamt aber in allen Stadtbezirken so eng mit den
Betreuungseinrichtungen kooperiert, ist neu. In Bochum gibt es momentan neun
Kita-Sozialarbeiter, vier weitere sollen hinzukommen.
In vielen Städten und Gemeinden sind es andere
Träger, die vereinzelt ähnliche Leistungen anbieten. Oft stattet das Jugendamt
Familien nach der Geburt eines Kindes einen sogenannten Begrüßungsbesuch ab.
Danach sind Sozialarbeiter erst wieder in den Schulen präsent. „Wir wollen
diese Lücke schließen“, sagt Christian Papies, Leiter des Sozialen Diensts in
Bochum Mitte. Dabei gehe es nicht darum, Eltern zu kontrollieren, sondern ihnen
ein freiwilliges Angebot zu machen. Die Kitas dürfen die Daten der Familien nur
weitergeben, wenn diese ausdrücklich damit einverstanden sind.
Träger, die vereinzelt ähnliche Leistungen anbieten. Oft stattet das Jugendamt
Familien nach der Geburt eines Kindes einen sogenannten Begrüßungsbesuch ab.
Danach sind Sozialarbeiter erst wieder in den Schulen präsent. „Wir wollen
diese Lücke schließen“, sagt Christian Papies, Leiter des Sozialen Diensts in
Bochum Mitte. Dabei gehe es nicht darum, Eltern zu kontrollieren, sondern ihnen
ein freiwilliges Angebot zu machen. Die Kitas dürfen die Daten der Familien nur
weitergeben, wenn diese ausdrücklich damit einverstanden sind.
Für die enge Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und
Kitas wurden allerdings kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt. „Wir
haben den Sozialen Dienst strukturell und inhaltlich umgestellt, um die
Kita-Sozialarbeit möglich zu machen“, sagt Jörg Klingenberg, Abteilungsleiter
der Kindertagesbetreuung beim Bochumer Jugendamt. Die Stellen seien von der
Intervention zur Prävention verschoben worden. Damit sei die Stadt zum Teil
auch auf Skepsis gestoßen.
Kitas wurden allerdings kein zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt. „Wir
haben den Sozialen Dienst strukturell und inhaltlich umgestellt, um die
Kita-Sozialarbeit möglich zu machen“, sagt Jörg Klingenberg, Abteilungsleiter
der Kindertagesbetreuung beim Bochumer Jugendamt. Die Stellen seien von der
Intervention zur Prävention verschoben worden. Damit sei die Stadt zum Teil
auch auf Skepsis gestoßen.
Ob das freiwillige Angebot angenommen wird, muss
sich noch herausstellen. „Es ist ein Wagnis, weil es ein neuer Ansatz ist“,
sagt Klingenberg. „Aber wir sind von dem Konzept überzeugt.“ Erste Reaktionen
aus den Kitas seien positiv. Das Konzept der Schul-Sozialarbeit, an das die
Bochumer Kita-Sozialarbeit angelehnt ist, habe sich bereits bewährt: Seit der
Einführung im Jahr 2012 gehen beim Jugendamt weniger Meldungen von Schulen über
Probleme von Schulkindern ein.
sich noch herausstellen. „Es ist ein Wagnis, weil es ein neuer Ansatz ist“,
sagt Klingenberg. „Aber wir sind von dem Konzept überzeugt.“ Erste Reaktionen
aus den Kitas seien positiv. Das Konzept der Schul-Sozialarbeit, an das die
Bochumer Kita-Sozialarbeit angelehnt ist, habe sich bereits bewährt: Seit der
Einführung im Jahr 2012 gehen beim Jugendamt weniger Meldungen von Schulen über
Probleme von Schulkindern ein.
Trotz einiger
skeptischer Stimmen weckt der Präventionsansatz Kita-Sozialarbeit bei
Fachtagungen immer wieder Interesse aus ganz Deutschland. „Ich bin gespannt, ob
es Schule machen wird“, sagt Klingenberg. (epd/mig)
skeptischer Stimmen weckt der Präventionsansatz Kita-Sozialarbeit bei
Fachtagungen immer wieder Interesse aus ganz Deutschland. „Ich bin gespannt, ob
es Schule machen wird“, sagt Klingenberg. (epd/mig)