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HEKS Schweiz: Gleiche Rechte für alle


Von Milena Rampoldi, ProMosaik. Anbei mein
Interview mit Olivier Schmid von HEKS, dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen
Schweiz. Ich habe mich mit ihm über die Ziele, die Geschichte und die
Strategien und die Vision von Heks unterhalten. Wichtig finde ich vor allem das
Thema Flüchtlingsarbeit und interkulturellen und interreligiösen Dialog. Möchte
mich herzlichst bei Herrn Schmid für seine wichtigen Impuse bedanken. Arbeit
mit und für Menschen bereichert. Toleranz bereichert. Dialog bereichert.

Milena Rampoldi: Welche sind die
wichtigsten Zielsetzungen von HEKS?
Olivier Schmid: HEKS setzt sich für eine
menschlichere und gerechtere Welt ein. Im Zentrum seines Engagements steht die
Würde jedes Menschen. HEKS unterstützt in 32 Ländern auf vier Kontinenten
Projekte zur Bekämpfung von Hunger, Armut und Ungerechtigkeit. HEKS leistet zudem
weltweit Nothilfe für die Opfer von Naturkatastrophen und kriegerischen
Konflikten und unterstützt die diakonische Arbeit der reformierten Kirchen in
Osteuropa. In der Schweiz setzt sich HEKS für die Rechte und die Integration
von Flüchtlingen und sozial benachteiligten Menschen ein.

MR: Welche sind Ihre Schwerpunkte in der
Flüchtlingsarbeit?
OS: Wir unterstützen Flüchtlinge in den
Krisengebieten, auf den Fluchtrouten und bei uns in der Schweiz. Im Ausland
leisten wir Nothilfe (Verteilen von Lebensmitteln und Gütern des alltäglichen
Bedarfs, finanzielle Hilfe), in der Schweiz bieten wir Asylsuchenden
Rechtsberatung an und fördern die soziale Integration der Flüchtlinge. Diesen Sommer
haben wir mit «infoRefugees» ein mobiles Informationsangebot auf die Beine gestellt,
das den Asylsuchenden in den Unterkünften Orientierung über das Asylverfahren
und das Leben in der Schweiz bietet.

MR: Welche Hauptprojekte verfolgen Sie im
Ausland?
OS: In seiner Auslandarbeit konzentriert sich
HEKS auf die Bereiche Entwicklung ländlicher Gemeinschaften (mit Fokus auf den
Zugang zu Land), Friedensförderung, Humanitäre Hilfe und Kirchliche
Zusammenarbeit. 

MR: Wie wichtig ist es, auch für die
Bedürftigen im eigenen Lande da zu sein. Wie werden Sie in der Schweiz tätig?
OS: In der Schweiz betreibt HEKS fünf
Regionalstellen und das Secrétariat romand. Mit seiner Inlandarbeit unterstützt
HEKS benachteiligte Menschen bei der sozialen Integration im Sinne der
Chancengleichheit und steht Asylsuchenden und weiteren Zielgruppen mit
Rechtsberatung zur Seite.



MR: Welche sind für Sie die Grundkonzepte,
wenn es um die Arbeit mit Frauen in unterschiedlichen Kulturen geht?
OS: Gleiche Rechte für alle ist eines der
Hauptziele von HEKS. Dieses impliziert Gleichberechtigung zwischen den
Geschlechtern. Genderaspekte werden darum als Querschnittsthema sowohl auf der
institutionellen als auch auf der Programm- und Projektebene in allen Phasen –
von der Situationsanalyse und der Planung über die Implementierung und das
Monitoring bis zur Evaluation – immer mitgedacht. Bestehenden Ungleichheiten
zwischen den Geschlechtern wird mit spezifischen Massnahmen zur Stärkung der
Rolle der Frau in der Gesellschaft und zur Verbesserung ihrer Selbstbestimmung
entgegengewirkt.

MR: Wie wichtig ist die interkulturelle und
interreligiöse Komponente Ihrer Arbeit und warum?
OS: Die interkulturelle und interreligiöse
Komponente ist in unserer Projektarbeit sehr wichtig, da wir es stets mit
Menschen aus verschiedenen Religionen und Kulturen zu tun haben. Eine
interkulturelle und interreligiöse Herangehensweise hilft, sprachliche und soziale
Barrieren zu überwinden, Missverständnisse zu vermeiden und sich gegenseitig anzuerkennen.
Auf dieser Basis ist eine konstruktive Arbeit möglich und es können Inhalte und
Ziele der Zusammenarbeit definiert werden, mit denen sich unsere Begünstigten
identifizieren und die sie weitertragen.

MR: Was hat das HEKS in seiner Geschichte
bereits erreicht und welche sind die Ziele für die nahe Zukunft?
OS: Zur Geschichte finden Sie hier im Folgenden eine
Chronik mit den wichtigsten Meilensteinen von der Gründung 1946 bis zur
Gegenwart.
70 JAHRE HEKS
Hilfe
leisten für die Schwächsten dieser Welt – eine Chronik
1944-1954:
Zwischenkirchliche Wiederaufbauhilfe im Nachkriegseuropa
Die Abgeordnetenversammlung des Kirchenbundes lanciert
eine Hilfsaktion zugunsten der protestantischen Schwesterkirchen im
kriegsversehrten Europa: Im Rahmen der «Evangelischen kirchlichen Hilfs- und
Wiederaufbauarbeit» werden 3150 Tonnen Lebensmittel, Kleider und Bücher im
Gesamtwert von 5,5 Millionen Franken verteilt. 1946 wird der Verein HEKS beziehungsweise
EPER («Entraide Protestante des Eglises en Ruines») gegründet. Während des
Kalten Krieges in Osteuropa unterstützt HEKS Kirchgemeinden bei ihrer
kirchlichen und diakonischen Arbeit und initiiert erste Gemeindepartnerschaften.
1949 übernimmt HEKS die «Evangelische Flüchtlingshilfe» und sammelt Geld für
die Betreuung von Flüchtlingen in der Schweiz.
1954-1960:
Vom Wiederaufbau in Europa zur internationalen Entwicklungshilfe
Die Kolonialstaaten in Afrika und Asien
erkämpfen ihre politische Unabhängigkeit. HEKS weitet die Not- und Aufbauarbeit
auf diese Kontinente aus und leistet Überlebenshilfe in Algerien, sendet
Kleiderspenden nach Iran und Jordanien, spendet Bücher und Stipendien für
Studierende in Asien. Mit Kollekten der Landeskirchen startet HEKS das erste Entwicklungsprojekt
in Südindien: eine mechanische Lehrwerkstätte für industrielle Facharbeiter.
Und in der Demokratischen Republik Kongo beteiligt sich HEKS am Aufbau des
Schulwesens.
1961-1969:
Grosse Hilfsaktionen
Die Kirchen und Hilfswerke in der Schweiz sammeln
mit der Sammelaktion «Brot für Brüder» innert zwei Jahren 15,7 Millionen
Franken für Entwicklungshilfeprojekte von HEKS und den evangelischen Missionen.
Zudem führen Reformierte und Katholiken erstmals eine gemeinsame Hilfsaktion
für die Opfer des Biafra-Krieges durch («Joint Church Aid»). Und mit der
Unterstützung des «Delta Ministry»-Projekts im US-Staat Mississippi setzt HEKS
ein Zeichen für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner in den USA.
1970-1979:
Katastrophenhilfe und Entwicklungspolitik
HEKS baut den Bereich «Information» aus und
stellt sich an Konferenzen gegen die Unterdrückung und den Rassismus auf die
Seite unterdrückter Bevölkerungsgruppen, insbesondere in Angola, Simbabwe und
Südafrika. Nach Hochwasserkatastrophen in Nordafrika und Osteuropa, Erdbeben in
der Türkei und Peru sowie einer Sturmflut in Pakistan baut HEKS einen eigenen
Katastrophendienst auf. Und nach dem Ende des Vietnamkrieges 1975 engagiert
sich HEKS nach Jahren der Nothilfe in einem umfangreichen Aufbauprogramm. Zudem
weitet HEKS die Beziehungen zu Hilfswerken, Menschenrechtsgruppen und
Basisbewegungen in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Nahen Osten aus, um die Entwicklungsarbeit
zu fördern.
1980-1989:
Verstärktes Engagement für Flüchtlinge in der Schweiz
Anhaltende Flüchtlingszuwanderungen lassen den
Flüchtlingsdienst von HEKS zur personell grössten Abteilung anwachsen. Zusammen
mit Partnerorganisationen eröffnet HEKS die ersten Rechtsberatungsstellen für
Asylsuchende in der Schweiz. 1980 findet erstmals der «Tag des Flüchtlings»
statt. Weltweit unterstützt HEKS Programme für Flüchtlinge und Vertriebene im
südlichen Afrika, in Afghanistan, Eritrea, Äthiopien, Libanon, EI Salvador,
Guatemala, Mexiko und auf den Philippinen. 1988 lanciert HEKS zusammen mit dem
Kirchenbund und dem Institut «Glaube in der 2. Welt» den jährlich
stattfindenden Osteuropa-Tag.
1990-1996:
Wende in Osteuropa, Ende der Apartheid in Südafrika und Balkankrieg
Nach dem Ende des Kalten Krieges entstehen in Osteuropa
kirchliche Hilfswerke für Diakonie und Entwicklungsarbeit. Während und nach dem
Balkankrieg wendet HEKS für Not- und Wiederaufbauhilfe insgesamt sechzig
Millionen Franken auf. Zahlreiche Menschen fliehen in die Schweiz. Für diese
Flüchtlinge fordert HEKS einen eigenen Asylstatus. Der Kirchenbund erweitert seinen
Auftrag an HEKS zur Unterstützung von sozial Benachteiligten: HEKS baut Projekte
zur Wohnungsvermittlung und zur Integration von Arbeitslosen auf. Anlässlich
der Wahlen in Südafrika und Mozambik koordiniert HEKS für die Schweiz die
internationale kirchliche Wahlbeobachtung. Zudem leistet HEKS Nothilfe für
Kriegsopfer und Flüchtlinge nach dem Genozid in Ruanda. In Lateinamerika
unterstützt HEKS die Agrarreform und setzt sich für Vertriebene und Landlose
ein.
1997-2007:
Neuausrichtung der Inlandarbeit und immer mehr Soforthilfe
Immer häufiger leistet HEKS Überlebenshilfe:
nach Naturkatastrophen in Zentralamerika, Indien, Vietnam, Kambodscha, Mosambik,
Iran, Bangladesch, Norditalien und im Wallis, aber auch während der bewaffneten
Konflikten in Kosovo, Afghanistan und Irak. Insbesondere 2005 ist ein Jahr der
Katastrophen: HEKS leistet Nothilfe nach dem Tsunami in Asien und nach
Unwetterkatastrophen in Rumänien, Südmexiko, Guatemala, Kaschmir, Niger und im Sudan.
In der Schweiz unterstützt HEKS unzählige Kriegsflüchtlinge. HEKS verliert aber
das Bundesmandat für die Flüchtlingsbetreuung und weitet sein Engagement auf die
Migrationsbevölkerung aus. HEKS führt zahlreiche Kampagnen zur Friedensförderung
durch und lanciert die Kampagne «Gib e Geiss». 2004 wird der Verein HEKS in
eine Stiftung umgewandelt.
2008-2012:
Thematische Konzentration
HEKS fokussiert seine thematischen Schwerpunkte in
der Projektarbeit. Im Ausland konzentriert sich HEKS auf die Bereiche Entwicklung
ländlicher Gemeinschaften, Konfliktbearbeitung, Humanitäre Hilfe sowie Kirchliche
Zusammenarbeit, im Inland auf soziale Integration und Anwaltschaft für sozial
Benachteiligte. HEKS setzt den Kampf um Landrechte ins Zentrum seiner
Sammelkampagne «Im Kleinen Grosses bewirken». Auch die 2008 lancierte Weihnachtsaktion
«Hilfe schenken» ist bis heute ein Erfolg.
2013-2015:
Ein professionelles kirchliches Hilfswerk
HEKS schärft sein
Profil als ein professionelles, kirchliches Hilfswerk, das sich auf der Basis
christlicher Werte und Menschenrechte für benachteiligte Menschen einsetzt. HEKS
baut seine Fachkompetenz weiter aus und entwickelt sich hinsichtlich
Controlling und Wirkungsmessung, aber auch hinsichtlich Nachhaltigkeit und
Transparenz weiter. HEKS unterstützt jährlich über eine Million Menschen – in der
Schweiz und weltweit. Die neuen Kampagnen «Chancengleichheit zahlt sich aus»
und «Fragen Sie ihn» sensibilisieren die Öffentlichkeit für deren Anliegen. 2014
erwirkt HEKS mit einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte einen Grundsatzentscheid: Bei Dublin-Rückführungen von Familien
und verletzlichen Personen nach Italien muss die Schweiz individuelle Garantien
für eine menschenwürdige Unterbringung einholen.
Zu den Zielen möchte ich Ihnen Folgendes sagen: HEKS
setzt jährlich auf allen Ebenen der Organisation – von den Projekten über die
Bereiche bis zur Gesamtorganisation – Ziele fest, deren Erreichung auf den
entsprechenden Stufen geprüft wird. Im Jahresbericht wird eine Auswahl
wichtiger gesamtorganisationaler Ziele vorgestellt und über die Zielerreichung
Rechenschaft abgelegt: