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Vergewaltigungsfall in Katar: mehr als eine bloße Gefahr für den Fremdenverkehr

von Tara Lighten
Msiska
, MintPress, 14. Juni 2016, deutsche Übersetzung von Milena
Rampoldi, ProMosaik. 

Eine 22jährige niederländische Touristin wurde
in Katar unter unklaren Anschuldigungen fast drei Monate inhaftiert, nachdem sie bei
den Behörden des Landes Anzeige wegen Vergewaltigung erstattet hatte.  
Ihr wurde etwas ins Glas gegeben,
als sie sich mit Freunden an der Hotelbar befand. Sie merkte, dass sie
vergewaltigt worden war, als sie in einem unbekannten Zimmer aufwachte. Der
mutmaßliche Angreifer, der laut Angaben der Behörden ein syrischer Staatsbürger
sein soll, wurde nicht wegen Vergewaltigung belangt. Anstatt dessen wurde die
Frau sofort verhaftet, nachdem sie sich bei der Polizei gemeldet hatte, und kam
ins Gefängnis.
Frauen, die den Flughafen von
Doha, Katar durchqueren. 30. Juni 2010. Zwei der Frauen tragen einen
Gesichtsschleier. (Flickr / Juanedc.com)

Sie wurde des „illegalen Geschlechtsverkehrs“
und des Alkoholismus schuldig befunden. Der Geschlechtsverkehr ist in
den Golfstaaten illegal, falls er nicht zwischen Eheleuten stattfindet. Das
Urteil einer Haftstrafe von einem Jahr wurde zu einer dreijährigen Bewährung von
drei Jahren ausgesetzt. Außerdem erhielt die Frau eine Strafe von $823. Man
erwartet auch ihre sofortige Abschiebung.
Der mutmaßliche Vergewaltiger
wurde derselben Vergehen schuldig befunden. Er wurde zu 140 Peitschenhieben
verurteilt. Während der Verhandlung wurden die Vergewaltigungsanklagen nicht
mal angesprochen.
Es überrascht nicht, dass die
Reaktion der meisten Kommentatoren darin besteht, die Angelegenheit als einen
touristischen Zwischenfall anzusehen. Einige werfen der Frau – die nur „Laura“
genannnt wird – vor, nach Katar gereist zu sein. Sie hätte ihre Vergewaltigung
und ihre Verhaftung vorhersehen sollen. Andere kritisieren das Rechtssystem in
Katar.
Dennoch ist das nicht nur ein
tourstisches Problem. Denn Touristen kommen normalerweise noch besser aus der
Sache raus als die einheimischen Frauen aus dem Golf.
Für die Frauen vor Ort setzen
sich auch keine ausländischen Länder ein, die für sie plädieren. Es ist auch
kein Zufall, dass gegen Lauras mutmaßlichen Verwaltiger eine viel schwerere
Strafe verhängt wurde, obwohl er desselben Vergehens schuldig befunden worden
war. Und es ist auch kein Zufall, dass, nachdem Laura seit März in U-Haft
gewesen war, das Urteil in der Tat keine Strafe darstellte: denn die Haftstrafe
wurde zur Bewährung ausgesetzt und sie wurde abgeschoben. Dies bedeutet für sie
die Freiheit.
Da sie eine Touristin war, gibt
es keinen Grund, sich unwohl dabei zu fühlen, abgeschoben zu werden; und wenn
sie ihr Sightseeing noch nicht hinter sich hat, dann muss sie nur beim nächsten
Mal, wenn sie kommt, vermeiden, eine Straftat zu begehen (falls sie das Land
vor dem Ablauf des Bewährungszeitraums von drei Jahren nochmal besucht). Auch
die Strafe kann man am Ende vergessen, denn durch die Abschiebung hat sie sich
die Kosten für ihren Rückflug in die Heimat gespart. Denken wir an den Fall des
norwegischen Vergewaltigungsopfers von 2013, das in den nahen Vereinigten
Arabischen Emiraten der Unzucht schuldig befunden wurde: laut CNN wurde die
Frau vom Herrscher von Dubai begnadigt.
Frauen mit einer anderen
Staatsbürgerschaft – oder vor allem ohne eine Staatsbürgerschaft eines Landes,
das die Ansichten der Golfstaaten zum Thema Vergewaltigung nicht teilt — laufen
die Gefahr, noch schwerere Strafen zu erhalten (und dies war der Fall des
syrischen Vergewaltigers von Laura). In der Tat lief Laura die Gefahr einer
Gefängnisstrafe von 7 Jahren. Wäre sie eine einheimische Frau, müsste sie die
vollständige Strafe absitzen oder würde ausgepeitscht.
Nicht nur fehlt den Einheimischen
und Touristen aus anderen Staaten des Nahen Ostens eine Regierung, die sie
schützt. Sie haben sogar mit der Ächtung von Seiten ihrer eigenen
Gemeinschaften und Familien zu kämpfen, weil sie vergewaltigt wurden oder man
davon ausgeht, sie hätten Sex gehabt. Da die Homosexualität in der Region
illegal ist, laufen auch männliche Vergewaltigungsopfer konkrete Gefahren, wenn sie
die Vergewaltigung anzeigen.
Bedauerlicherweise ist nicht das Gesetz
an sich ein Problem, sondern wohl eher seine Anwendung. CNN zufolge heißt es im katarischen Strafgesetzbuch
(Gesetz Nr. 11)
 wie folgt: „Jeder, der mit einer Frau im Alter
von mehr als 16 Jahren ohne Zwang, Nötigung oder List Geschlechtsverkehr hat, wird
zu einer Haftstrafe von höchstens sieben Jahren verurteilt. Dieselbe Strafe
wird auch gegen die Frau verhängt, weil sie ihr Einverständnis dazu gegeben
hat.“
Aus diesem Wortlaut wird klar,
dass eine Vergewaltigung (mit Anwendung von „Zwang, Nötigung oder List“) zu
einer schweren Haftstrafe, d.h. von mehr als sieben Jahren, führen würde. Und
im Unterschied zu den Behauptungen bestimmter politischer Akteure aus den USA,
verlangt das Gesetz auch keine Gewaltanwendung, um ein Vergehen als
Vergewaltigung oder abweichend vom illegalen Geschlechtsverkehr auszulegen. Es
besteht somit kein großer Unterschied zu den westlichen Gesetzen bezüglich der
sexuellen Übergriffe.
Dennoch – und dies tritt in
diesem Falle ganz besonders ans Tageslicht — vereiteln die Einstellungen und
Entscheidungen der Polizei und der Gerichte die beabsichtigte Anwendung des
Gesetzes. Und diese Einstellungen stellen schließlich eine größere Bedrohung
für die einheimischen Frauen, Männer, Jugendlichen, Trans- und Asexuellen dar
als für diejenigen, die eine Botschaft haben, die – obwohl sie es manchmal
nicht schafft, die Gerechtigkeit durchzusetzen – dennoch in der Lage ist,
mindestens die allerschlimmste Ungerechtigkeit zu vermeiden.
Die Einheimischen laufen auch
noch eine andere Gefahr: Der Zusatzeffekt der Verhaftung der Opfer sexueller
Gewalt und der Verzicht auf die Verfolgung des Vergewaltigers bewirkt, dass die
Opfer die Taten nicht mehr anzeigen. Und dies kann dazu beitragen, einen „sicheren
Hafen“ für Vergewaltiger zu schaffen.
Sehen Sie sich das Video von
Newsy mit dem Titel “Dutch Woman Accuses Man Of Rape, Gets Arrested In Qatar
(Eine niederländische Frau, die einen Mann wegen Vergewaltigung anzeigt, wird
in Katar verhaftet) an