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„Respekt für die Glauben der Mitmenschen sollte bereits in der Grundschule gelehrt werden“
Ein Gespräch mit Kadir Özdemir, Interzentrum e.V.

von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. –

Anbei ein schönes Interview mit Kadir Özdemir von Interzentrum e.V. zum Thema des Zusammenlebens und der Förderung des interkulturellen und interreligiösen Verständnisses. Wir befragten Herrn Özdemir auch zum Thema der Muslime und des interkulturellen Dialogs unter Muslimen in Deutschland. Ich möchte ihm nochmal für seine Zeit herzlichst  danken. 


Milena Rampoldi: Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihren Veranstaltungen und
Iniziativen?

Kadir Özdemir: Wir sind ein gemeinnütziger Verein, der sich für Verständigung
einsetzt und dafür kulturelle und pädagogische Veranstaltungen organisiert.
Dabei gehen wir davon aus, dass viele Konflikte aufgrund von falschen
Eindrücken und fehlender Verständigung erst aufkommen. Kommunikation und eine
offene Haltung kann die Verständigung zwischen der älteren und jüngeren
Generation, zwischen Einwanderern und Einheimischen, zwischen Christen und
Muslimen ermöglichen. Es braucht Plattformen, die beiden Seiten eine
respektvolle Begegnung in Augenhöhe bieten. Mit unseren Verein wollen wir ein
solches Plattform sein.

MR: ProMosaik setzt sich für eine bunte Gesellschaft ein, in der
alle Kulturen und Religionen aktiv teilhaben, um die Deutschland bunt zu
gestalten. Wie denken Sie darüber?
KÖ: Deutschland ist längst eine Einwanderungsgesellschaft, das ist
Realität. Was jedoch sich sehr häufig zeigt, ist, eine monokulturelle Psyche in
einer faktisch pluralistischen Gesellschaft. Die Kinder und Enkel sehen
deutlich die klaffende Lücke zwischen ihren integrierten deutschen Ansprüchen
und der ihnen oft durch Rassismus und strukturelle Hürden vorenthaltenen
Ressourcen einer Gesellschaft, vor allem auf dem Arbeitsmarkt für
Akademikerinnen und in der Schule. Laut den IGLU Studien entscheidet immer noch
enorm die Herkunft darüber, wer eine Gymnasilaempfehlung bekommt und wer nicht.
Das sind Dinge, die geändert werden müssen, damit diese monokulturelle Psyche
nicht weitere strukturelle Benachteiligungen zementiert.

MR: Welche sind die Haupthindernisse des Zusammenlebens
verschiedener Kulturen und Religionen?
KÖ: Eine gleichberechtigte Kommunikation ist notwendig um Konflikte zu
entschärfen oder sie zu lösen. Muslime oder andere Minderheiten verfügen nicht
über die gleichen Ressourcen in der Wirtschaft oder in den Medien. Die
Diskussionen werden hierarchisch geführt und immer wieder werden die gleichen
Gesichter in den politischen Talkshows gezeigt, die zumeist eine ablehnende
Haltung gegenüber Muslimen haben.

 Gleichzeitig müssen alle Seiten Extremismus und
Gewaltbereitschaft bekämpfen. Gewaltbereite Neo-Nazis und gewaltbereite
verblendete Menschen, die im Namen des Islams Terrorakte verüben, sind beide
eine Gefahr für die Demokratie. Natürlich ist es auch absolut unannehmbar, wenn
die Opfer einer Religionsangehörigkeit betrauert werden und Opfer einer anderen
Religionszugehörigkeit in unseren Medien überhaupt nicht beachtet werden.
Menschenleben ist überall wertvoll und unersetzbar und so müssten Politik und
Medien arbeiten.

 


MR: Wie wichtig ist Erziehung für die Förderung von
interkulturellem und interreligiösem Verständnis?

ÖK: Interreligiöser Dialog, damit meine ich den Respekt für die
Glauben der Mitmenschen, sollte bereits in der Grundschule gelehrt werden. Das
geht zum Beispiel durch ein Ethik-Unterricht. Vor allem geht es aber, wenn mehr
Lehrerinnen mit Einwanderungserfahrung angestellt werden. Vielfalt muss nicht
nur im Klassenzimmer sondern auch im Lehrerzimmer selbstverständlich sein.
MR: Was kann Deutschland von den Muslimen heute lernen?
KÖ: Menschen können immer voneinander lernen. Es ist wichtig eine sichere,
vertrauensvolle Basis zu schaffen.

MR: Wie wichtig ist der interkulturelle Dialog unter Muslimen
und warum?

KÖ: Muslime teilen sich häufig nach Herkunftsländern auf, dass heisst,
die Sprachgruppen bestimmen häufig die Gemeinden. Demnach kann interkulturelle
Kompetenz auch die verschiedenen Einwanderergruppen einander näher bringen und
einen neuen Dialog entstehen lassen und ermöglichen, gemeinsam an
übergeordneten Themen zu arbeiten.