General

Ebru und Kalligraphie – ein Interview mit Alparslan Babaoğlu


Von Aygun Uzunlar,
Promosaik e.V., deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Aus
Istanbul ein kurzes Interview mit dem türkischen Ebru- und Kalligraphiemeister
Alparslan Babaoğlu, der uns an unsere vergessene Vergangenheit erinnert.
Aygun Uzunlar:  Herr Babaoğlu, welchen Stellenwert nimmt die
Ebru-Kunst in Ihrem Leben ein? Wann und wie begann Ihr Interesse an der
Ebru-Kunst?
Alparslan Babaoğlu: Ebru
sah ich zum ersten Mal im Hause eines Freundes. Mein Freund erzählte mir, dass
dieses Ebru-Bild von einem alten Kräuterkenner stammte, der in Istanbul/Üsküdar
lebte. Er fügte hinzu, dass diese Kunst nach seinem Tod verloren gehen würde.
Er zeigte mir auch ein Buch von Ugur Derman mit dem Titel „Die Ebru-Kunst in
der türkischen Kunst“. Ich war begeistert und nahm das Buch mit dem Gedanken
mit nach Hause: „Ich werde diese Kunst selbst praktizieren, damit sie nicht
ausstirbt“. Mit Hilfe der Anleitungen des Buches erzeugte ich einen Behälter,
schnitt Papier und baute ein Destiseng, kaufte Farben und Tragant, holte
mir Galle aus dem Schlachthaus und kochte sie. So begann ich, selbst Ebrubilder
zu „malen“.
Nun bin ich seit 30
Jahren Ebrukünstler. Wenn jemand 30 Jahre in ein und derselben Branche tätig
ist, dann muss in diesem Falle diese Kunst einen sehr hohen Stellenwert in
seinem Leben einnehmen. Und dies gilt mit Sicherheit auch für mich. Ich
versuche, die Ebrukunst zu praktizieren und zu lehren, wie ich sie von meinem
Meister erlernt habe, um den nächsten Generationen das beizubringen, was wir
auch erlernt haben. 
AU: ProMosaik ist
der Ansicht, dass Ebru und Kalligraphie positiv miteinander verbunden werden
können. Wenn wir davon ausgehen, dass diese zwei Künste beide islamisch sind,
können wir den Islam in Europa auch durch diese Künste bekanntmachen? Haben Sie
Erfahrungen damit gemacht?
AB: Dem stimme ich zu.
Für mich kann jede Kunstform ein nützliches Werkzeug darstellen, um Frieden und
Brüderlichkeit aufzubauen und auch um eine Verbindung zwischen Völkern aller
Konfessionen herzustellen. Über die Ebrukunst habe ich Freundschaft mit vielen
Menschen aus zahlreichen Ländern und verschiedenster Glaubensrichtungen
geschlossen. Obwohl die Kalligraphie eine Kunst ist, die mit dem Islam in
Verbindung gebracht wird, fasziniert sie durch ihre graphischen Eigenschaften
Völker aller Glaubensrichtungen. Ich bin einfach der Meinung, dass die
Ebrukunst das beste Beispiel des fatalistischen Denkens und der resignierten
Haltung der Muslime ist und somit ein wunderbares Mittel darstellt, um diese
Einstellung des Islam den Nicht-Muslimen nahezubringen. Wenn ein Ebrukünstler
ein Schiff führt, kontrolliert er das Muster bis zu einem bestimmten Punkt. Der
Rest ist unerwartet. Ein bewusster Ebrukünstler ist sich dessen im Klaren, dass
er nichts anderes als das Werkzeug ist, wenn er ein großartiges Kunstwerk
hervorbringt.
AU: Wie verbinden
Sie Ebru und islamische Kalligraphie miteinander? Welche sind die Hauptmuster
Ihrer Arbeit?
AB: Meine Technik ist die
Technik, die zu Beginn eingesetzt wurde, um kalligraphische Ebrubilder zu
schaffen. Der Meister dieser Technik war Necmeddin Okyay, der Meister meines
Meisters. Diese Technik wird auf einem Blatt Papier angewendet, auf dem schon
mit Ebru gearbeitet wurde. Dann wir ein Teil dieses Blattes mit einem anderen
Blatt Papier abgedeckt und erneut mit der Ebrutechnik bearbeitet. Nach der
Entfernung der Schablone, hat man zwei Teile, einen positiven und einen
negativen. Diese Technik nennt sich Akkase-Technik. Ich bereite meine
Schablone aus großen, dicken Buchstaben vor, die sich Tercihan Celi
nennen und vorzugsweise aus toten, kalligraphischen Texten stammen. Danach
erfolgt die Übertragung dieser Schablone auf ein Blatt Papier, auf dem sich
eine bunte Ebruarbeit befindet. Beim zweiten Mal entferne ich die Schablone,
und der Text sieht wie ein geschriebenes Ebrukunstwerk aus. Meiner Ansicht nach
erscheint sei es die Ebru- als auch die kalligraphische Arbeit als „hingeworfen“.
AU: Haben Sie
jemals Ebru oder Kalligraphie im Ausland unterrichtet? Wenn ja, wo? Was haben
Sie aus Ihrem Land mitgebracht und welche Erfahrung haben Sie aus dem Ausland
nach Hause gebracht?
AB: Die Kalligraphie
praktiziere ich nur. Da ich kein Kalligraph bin, lehre ich die Kalligraphie
nicht. Aber ich habe einige Workshops über die Ebrukunst in Washington DC, Sarijah
und Warschau abgehalten. Ich kann nur sagen, dass ein außerordentliches
Interesse an den islamischen Künsten besteht. Und die Tatsache, dass mich alle
fragen, ob ich nächstes Jahr wiederkomme, ist ein Beweis dafür.
AU: Gibt es eine
philosophische Verbindung zwischen der islamischen Mystik und der Ebrukunst?
AB: In der islamischen
Mystik gilt die Ebrukunst als ein Beispiel, um über den Willen Allahs zu
sprechen. Der Ebrukünstler bereitet seine Malereien und sein Schiff vor, er
entscheidet über die Dicke seiner Bürste und über die Wasser- oder Gallenmenge.
Diese sind die Aspekte, die im Willen des Künstlers liegen. Aber sobald der
Künstler seine Bürste in die Hand nimmt und anfängt, mit seinem Finger zu
tippen, kann er nichts mehr selbst entscheiden. Denn nur Allahs Wille
entscheidet, wie groß der Tropfen sein wird und wohin er fällt.