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Kalender über palästinensische Küche

von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Der Verein Flüchtlingskinder im Libanon e.V. hat vor kurzem den neuen Kalender über die palästinensische Küche herausgegeben. Die Küche steht in einer sehr engen Beziehung zu einer Kultur. Die Küche erhält die Kultur in der Diaspora. Über den Kalender und die Bedeutung der Küche für die Palästinenser haben wir mit Maria Zöllner-Hespeler und Lise al-Abd gesprochen.


Milena Rampoldi: Wie wichtig ist es, Palästina in Deutschland bekannt
zu machen?
Maria Zöllner: Palästina ist in
Deutschland sicherlich kein unbekannter Begriff. Aber leider verbinden viele
Menschen sehr negative Vorstellungen mit dem Land und der Bevölkerung, die der oft
einseitigen Berichtserstattung hierzulande geschuldet ist. Man reduziert
Palästina auf ein Land des Terrors und der Selbstmordattentäter. Dass dort aber
ganz normale Menschen mit ihren großen und kleinen Sorgen unter großen Mühen
und unter ständigen Repressalien der Besatzungsmacht Israel versuchen ihren
Alltag zu bestreiten und ihre Identität als Volk zu bewahren, das wird allzu
häufig übersehen.

Maria Zöllner
Milena Rampoldi: ProMosaik e.V. findet, dass die Esskultur ein sehr
guter Zugang zum Alltagsleben in Palästina sein kann. Was denken Sie darüber?
Maria Zöllner: Da gebe ich Ihnen
vollkommen Recht. In den letzten Jahrzehnten hat sich in der deutschen
Esskultur vieles verändert. Man ist – sicher auch durch Urlaubsreisen in andere
Länder und Kulturen – neugierig und offen geworden für fremde Genüsse. Selbst
in ländlichen Regionen sind unglaublich viele, früher bei uns völlig unbekannte
Lebensmittel, Früchte und Gewürze erhältlich, aus denen sich exotische Gerichte
zubereiten lassen. Gutes Essen weckt immer auch positive Gefühle: Man bekommt
sozusagen über die Geschmacksnerven, positive Informationen zu der
entsprechenden Region und zu den Menschen dort. Diese Wechselwirkung erhoffen
wir uns auch von unserem Kalender “Sahtein – Guten Appetit”. Vielleicht
weckt er bei dem einen oder der anderen das Bedürfnis, mehr über das Leben in
Palästina in Erfahrung zu bringen.

Milena Rampoldi: Was zeichnet die Küche in Palästina vor allem aus?
Lise El-Abd
Lise El-Abd: Sie ist eine typische
bäuerliche Küche des Mittelmeerraums: Olivenöl als wichtigste Fettquelle, mehr
Kohlenhydrate als Fleisch, viel Obst und Gemüse.
Allgegenwärtig
ist das hervorragende Olivenöl: zum Kochen, zum Anrösten der Pinienkerne und
Mandeln oder einfach als Dip. Die Palästinenser essen sehr gern Brot: Fladen,
oft noch selbst gebacken, von denen man Stücke abreißt und rollt, um Dips und
allerlei Gerichte aufzunehmen. Reis vertreibt immer mehr den alten
einheimischen Bulgur (Weizenschrot). An Zucker wird nicht gespart, weder im
Alltagsgetränk Tee noch in Süßigkeiten wie Baklava oder Knafi, die, zuerst
frittiert oder mit viel Butter gebacken, dann mit Zuckersirup getränkt werden. Ebenso
üppig ist der Gebrauch von Gewürzen und Kräutern. Die Grundmischung Baharat
enthält 7 bis 10 verschiedene Gewürze wie Koriander, Zimt, Piment,
Rosenknospen, Ingwer, Bockshornklee… Sie wird dann je nach Gericht ergänzt mit
einem zusätzlichen Schuss von einem dieser Gewürze oder mit Kräutern (z.B.
Nana-Minze, frisches Koriandergrün). Das Essen ist selten scharf, aber immer
sehr aromatisch.
Zur
großzügigen palästinensischen Gastfreundschaft gehört unbedingt, dass dem Gast
Kaffee, Tee und Essen serviert werden, egal zu welcher Tageszeit er kommt.

Milena Rampoldi: Wie wichtig ist in der palästinensischen Kultur der Bezug zwischen dem Land und
dem Essen?
Lise El-Abd: Einerseits ist es eine noch
sehr traditionelle Küche, die hauptsächlich einheimische Produkte der Saison
verwendet. An der Küste werden zum Teil andere Gerichte (z.B. mit Fisch)
gekocht als im Landesinneren, die Beduinen steuern eigene Rezepte bei (das
Reis-Lamm-Gericht Mansaf oder getrockneten Joghurt). In jedem Dorf gibt es noch
tradierte Spezialitäten oder besondere Variationen der bekannten Rezepte. Fast
kann man am Speiseplan einer Familie sagen, woher sie stammt. So bildet das
Essen einen wichtigen Teil der Identität.
Andererseits
bringen die Rückkehrer aus der Diaspora neue Einflüsse mit: aus den Golfstaaten
mit ihrer indisch angehauchten Küche, aus Syrien und dem Libanon mit den vielen
raffinierten Vorspeisen und natürlich auch aus den westlichen Ländern.

Milena Rampoldi: Welche Bedeutung spielen die Olive und der Olivenbaum
in der Kultur Palästinas?
Lise El-Abd: Ein Olivenbaum ist kein
gewöhnlicher Baum. Für viele Bauern stellen die Oliven und das Öl die
Hauptproduktion dar, aber die Beziehung zwischen dem Bauern und seinen Olivenbäumen
geht weit darüber hinaus. Er sorgt sich um sie wie um Mitglieder der Familie,
trauert um sie, wenn sie sterben – was selten ist, da sie viel länger leben als
ein Mensch. Viele Bauern ziehen es noch vor, die Früchte mühsam von Hand zu
ernten, um die zarten Zweige nicht zu verletzen.
Aber
auch für die Nicht-Bauern ist der Olivenbaum ein Symbol Palästinas, beständig,
großzügig, in dieser Erde verwurzelt. Oft habe ich Palästinenser gesehen, die
von einer Anhöhe aus ein Tal mit Olivenplantagen betrachten und von der
Schönheit des endlosen, weichen silbrig-grünen Teppichs ergriffen schweigen. Deshalb
trifft das Fällen oder Entwurzeln von Olivenbäumen durch die israelische Armee
oder die Siedler, sei es als Strafe oder zum Bau der Mauer, die Palästinenser besonders
hart.

Milena Rampoldi: Wie wichtig ist die palästinensische Küche in der
palästinensischen Diaspora und für die Vertriebenen und Flüchtlinge, um sich
immer an ihr Land zu erinnern?
Lise El-Abd: Wie für alle Menschen, die
im Exil leben, bildet die Küche einen zentralen Teil ihrer Identität, neben der
Sprache, den Traditionen und der Religion. Damit verbunden sind
Kindheitserinnerungen, das Andenken der Mutter, ein starkes
Zugehörigkeitsgefühl, die Wehmut des Verlusts und die Hoffnung der Rückkehr.
Bei
den Palästinensern kommt noch eine politische Komponente hinzu: Das Zelebrieren
der traditionellen Küche ist ein Akt des Widerstands, der die Bindung an die
verlorene Heimat und den Anspruch auf einen eigenen Staat dort bekräftigt.
Solange man noch Zaatar mit Olivenöl zum Frühstück isst, weiß man noch, woher
man kommt und wohin man zurück will.

Milena Rampoldi: Welche Hauptziele verfolgen Sie mit diesem schönen
Kalender?
Maria Zöllner: In erster Linie wollen
wir mit dem Kalender in der deutschen Öffentlichkeit Interesse wecken für die
palästinensische Kultur und die Lebensweise der Menschen in Palästina, aber
auch in den palästinensischen Flüchtlingslagern des Libanon. Damit verbunden
ist natürlich auch die Absicht unseren Verein “Flüchtlingskinder im
Libanon” e.V., unsere Arbeit für Kinder und Jugendliche in den
Flüchtlingslagern, bekannter zu machen und damit vielleicht auch neue
Unterstützer und Unterstützerinnen zu gewinnen. Und nicht zuletzt fließt der
Erlös aus dem Kalenderverkauf in unsere Projekte in den Flüchtlingslagern.


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http://www.lib-hilfe.de/infos_kalendersahtein.html
 

Bestelladresse

Ines Dieffenbacher
Rosenstr. 13
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Tel.: 0151/149 024 65
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