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Der Flüchtling, ein Gedicht von Anna Schulz


von Anna Schulz, 11. November 2015. Anbei ein zweites Gedicht, diesmal über einen Flüchtling, der auf die Zerstörung und die Sinnlosigkeit des Lebens sieht. Ein Flüchtling, der es überlebt… aber was ist Leben ohne das eigene Dorf, ohne die eigene Existenz? Ein Neuanfang und das Bewusstsein, Flüchtling zu sein.


Ich blickte zurück sah mein
Dorf in Flammen,
stand da wie gelähmt, in dem
Moment gefangen.
Angst und Wut sind über mich
gekommen,
die Armee, die Bomben, haben
mir meine Familie genommen.
Wo soll ich hin? Kann ich noch
Leben?
Wie soll es ein Leben ohne
meine Familie geben?
In mir hörte ich das Lachen
meiner Tochter Layla,
ich konnte es nicht fassen, nun
war sie nicht mehr da.
Als würde sie nur schlafen
drückte ich sie an meinen Körper
flüsterte in ihr Ohr sanft die
Wörter:
Möge Allah dich schützen und
dir das Paradies geben,
du warst das wertvollste in
meinem Leben.
In shaa Allah sehen wir uns
bald und sind dann vereint.
Mit Mama, mit Oma und Opa, bei
Allah, für alle Zeit.
Das Dach stürzte ein und ich
musste fliehen,
alleine durch die flammende
Nacht ziehen.
Nun muss ich dich verlassen,
mein geliebtes Land
Mutter und Vater habe ich
verloren, mein Kind starb in meiner Hand.
Bomben, Granaten, Splitter, sie
trafen uns mit voller Wucht.
Ich musste rennen um mein
Leben, der Anfang meiner Flucht.
Tränen in den Augen,
unbegreiflichen Schmerzen
mein Land, meine Familie,
bleiben nur noch in meinem Herzen.
In mir Erinnerungen, Gedanken
und tiefe Trauer,
bis ich im Dunkeln erblickte
eine Mauer.
Düstere Männer mit Pistolen,
daneben Menschen mit Schildern
und Hassparolen.
Ihre Worte konnte ich nicht
verstehen,
aber ich verstand ich solle
wieder gehen.
Laute Schreie, Sirenen und
Menschenmassen,
muss ich diesen Ort nun wieder
verlassen?
Die Menschen vor der Mauer
wurden immer mehr,
gezeichnet von der langen
Flucht, das Stehen fiel ihnen schwer.
Männer, Kinder und schwangere
Frauen,
all diese Menschen die auf
Hilfe bauen.
Hunger, Durst und Schmerzen
durch die Reise,
kinder schrien, die Frauen
wimmerten leise.
Die Männer hörte ich auf
arabisch flehen
„bitte lasst uns weiter gehen“.
Doch die Flucht war hier
erstmal zu Ende,
die Polizei führte uns reih um
reih auf ein Gelände.
Dort machten sie Fotos und
wollten meinen Pass,
bei manchen sah ich in den Augen
ihren Hass.
Danach brachten sie uns mit
Bussen fort,
die Busfahrt war lang, wir
fuhren in einen kleinen Ort.
Wieder Menschen mit vielen
Schildern,
durchgestrichene Männer mit
Bart auf ihren Bildern.
Am Haus angekommen gab es auch
Gutes,
Menschen mit freundlichen
Gesichtern, frohen Mutes.
Sie empfingen uns herzlich und
lachten uns an,
ich wusste aber nicht, ob ich
noch lachen kann.
Viel zu tief saß mein Schmerz,
gebrochen im inneren mein Herz.