General

Die Palästinenser kämpfen um ihr Leben, Israel kämpft um die Besatzung

von 
Amira Hass أميرة هاس עמירה הס

Übersetzt von 

Milena Rampoldi میلنا رامپلد, herausgegeben von 
Fausto Giudice, Tlaxcala

Original: Palestinians Are Fighting for Their Lives; Israel Is Fighting for the Occupation

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 Uns
fällt erst auf, dass es einen Krieg gibt, wenn Juden ermordet werden.
Aber dies klammert nicht die Tatsache aus, dass die Palästinenser
jederzeit getötet werden.


Ja, das ist ein Krieg. Premierminister Benjamin Netanjahu hat mit
seinem Mandat von Seiten des Volkes dessen Intensivierung angeordnet. Er
hörte nicht einmal in ruhigeren Zeiten auf die versöhnenden und
toleranten Botschaften des Präsidenten der Palästinensischen
Autonomiebehörde Mahmoud Abbas. Warum sollte er es dann heute tun?



Netanjahu intensiviert den Krieg vor allem in Ostjerusalem, mit
Orgien kollektiver Bestrafung. Des Weiteren offenbart er dadurch den
israelischen Erfolg, der darin besteht, Jerusalem vom Großteil der
palästinensischen Bevölkerung abzutrennen, indem er die Abwesenheit der
palästinensischen Führung in Ostjerusalem und die Schwäche der Regierung
in Ramallah betont, wobei die Regierung in Ramallah gerade versucht,
die Abdrift im übrigen Westjordanland aufzuhalten.


Der Krieg begann nicht letzten Donnerstag. Er begann auch nicht mit
den jüdischen Opfern und wird auch nicht  enden, wenn keine Juden
ermordet werden. Die Palästinenser kämpfen im wahren Sinne des Wortes um
ihr Leben. Wir israelische Juden kämpfen um unser Privileg als Nation
der Herren, im hässlichsten Sinne des Wortes.

Uns fällt erst auf, dass es einen Krieg gibt, wenn Juden ermordet
werden. Aber dies klammert nicht die Tatsache aus, dass die
Palästinenser jederzeit getötet werden und dass wir immer alles tun, was
in unserer Macht steht, um ihre Leben unerträglich zu machen.
Meistens geht es um einen einseitigen Krieg, den wir verursachen,
damit sie dann ihrem Herrn „Ja“ sagen, oder „Danke“, dafür, dass er sie
in ihren Reservaten am Leben lässt. Wenn etwas in der Einseitigkeit des
Krieges schief geht und Juden ermordet werden, dann passen wir auf.
Die jungen Palästinenser gehen nicht aus, um Juden zu töten, weil
sie Juden sind, sondern weil sie deren Besatzer, deren Folterer sind,
deren Verhafter, die Diebe ihres Landes und ihres Wassers, diejenigen,
die sie ins Exil schicken, die, die ihre Häuser zerstören und deren
Horizont versperren. Die jungen, rachesüchtigen und verzweifelten
Palästinenser sind bereit, ihr Leben hinzugeben und ihren Familien ein
großes Leid zuzufügen, weil der Feind, den sie jeden Tag begegnen, ihnen
einfach nur beweist, dass seine Bösartigkeit grenzenlos ist.
Sogar die Sprache ist böswillig. Juden werden ermordet,
Palästinenser werden umgebracht und sterben. Ist das so? Das Problem
fängt nicht damit an, dass es uns nicht erlaubt ist zu schreiben, dass
ein Soldat oder ein Polizeioffizier Palästinenser aus einer nahen
Entfernung ermordet hat, wenn sein Leben gar nicht in Gefahr war, oder
durch Fernbedienung aus einem Flugzeug, oder durch eine Drohne. Aber es
ist ein Teil des Problems. Unsere Wahrnehmung ist von einer retroaktiv
zensierten Sprache gefesselt, die die Wirklichkeit verzerrt. In unserer
Sprache werden Juden deshalb ermordet, weil sie Juden sind. Die
Palästinenser hingegen finden den Tod und das Elend, weil sie vielleicht
genau auf der Suche danach sind.
Unsere Weltanschauung ist durch den permanenten Betrug der
israelischen Medien geprägt, durch ihre Pflichtverletzung über
Geschehnisse Bericht zu erstatten, oder ihre mangelnde technische und
emotionale Fähigkeit über all die Details in dem Weltkrieg, den wir
führen zu berichten, um unsere Überlegenheit im Land zwischen Fluss und
Meer zu behalten.
Auch diese Tageszeitung verfügt nicht über die wirtschaftlichen
Ressourcen, um 10 Reporter anzustellen und 20 Seiten mit Berichten über
alle Anschläge während der Zeiten der Eskalation und über alle Angriffe
in ruhigen Zeiten zu berichten, und dies von den Schüssen, über den Bau
einer Straße, die ein Dorf zerstört, bis hin zur Legalisierung des
Außenpostens einer Siedlung und zu Millionen von Angriffen. Und diese
geschieht Tag für Tag. Die zufälligen Beispiele, über die wir in der
Lage sind zu berichten, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie
haben auch keinerlei Einfluss auf das Verständnis der Situation für die
Mehrheit der Israelis.
Das Ziel dieses einseitigen Krieges besteht darin, die
Palästinenser dazu zu zwingen, alle ihre nationalen Forderungen in ihrer
Heimat aufzugeben. Netanjahu will die Eskalation, weil die Erfahrung
bisher bewiesen hat, dass ruhige Zeiträume nach dem Blutvergießen uns
nicht zum Ausgangspunkt zurückführen, sondern zu einem neuen Tiefpunkt
im palästinensischen politischen System. Und dies bringt für die Juden
im Groß-Israel nur zusätzliche Vorteile.

Die Privilegien sind der Hauptfaktor, der unser Verständnis der
Wirklichkeit verzerrt und uns blind macht. Daher sind wir nicht mehr in
der Lage, zu verstehen, dass das palästinensische Volk mit seiner
schwachen, “anwesenden-abwesenden” Führung, eingeschlossen in ihren
Indianerreservaten, nicht aufgeben werden und weiterhin die notwendige
Stärke finden werden, um sich unserer böswilligen Herrschaft zu
widersetzen.