Einladung zur Vortragsreihe mit Mark Braverman
Mark Braverman,
Jüdischer Traumatherapeut und Tabubrecher
Diskussionsreise, Freitag, 5. Juni – Mittwoch 17. 6. 2015
Stuttgart, 19.30 Uhr
Herausforderung für die Kirche“
Kairos-Palästina-Solidaritätsnetz
Stuttgart , Hospitalstr. 26 (Katholische Studierendengemeinde)
Scham. Israels Politik und das Schweigen der Christen“
Bern
Scham. Israels Politik und das Schweigen der Christen“
Tübingen
Politik und das Schweigen der Christen“
IsraelPalästinaSolidaritätskreis Darmstadt, in Kooperation mit der pax-christi-
Gruppe Darmstadt. Kontakt: Johannes Borgetto j.borgetto@online.de – T. 06151-141125
Herausforderung für die Kirche“
Lünen. Selm
Gemeindezentrum der Ev. Kirchengemeinde Dortmund-Brackel , Flughafenstr.
7-9, 44309 Dortmund Dienststelle Ökumene – Weltmission – Kirchlicher
Entwicklungsdienst
Herausforderung für die Kirche“
Partnerschaftsverein Köln – Bethlehem und Melanchthon Akademie
„Verhängnisvolle Scham. Israels Politik
und das Schweigen der Christen“
Rittmeister Institut, Verein Mahnmal Kilian,
Familien- und Lebensfragen
Montag, 15. Juni Hamburg, 19.30 Uhr
Herausforderung für die Kirche“
Deutsch-Palästinensische Gesellschaft, Regionalgruppe Hamburg
Nahostreferat / Dr. Andreas Goetze, Pfr. für Interreligiösen Dialog
Berlin-Friedrichshain ( Tram M4 vom Alexanderplatz die dritte Station: „Am
Friedrichshain“)
Mittwoch
17. Juni Bad Honnef, 19.30 Uhr
Herausforderung für die Kirche“
Kirchengemeinde Bad Honnef
56304 Bad Honnef
Tel. 0(049-)2224-9118059
martin.breidert@gmx.de
Psychologe, Autor und Friedensaktivist. Er hat viele Verwandte in Jerusalem und war
überzeugter Zionist. Aber die Begegnung mit Palästinensern im besetzten
Westjordanland und mit muslimischen, christlichen und jüdischen Friedensaktivisten auf
einer Reise nach Israel/Palästina im Jahr 2006 veränderte ihn völlig. Als Autor und
Vortragender thematisiert er seitdem die Rolle von Theologie und religiösem Glauben im
aktuellen Diskurs sowie die Aufgabe des interreligiösen Gesprächs bei der Suche nach
einem gerechten Frieden in Nahost.
Braverman sitzt im Beirat der ‘Friends of Sabeel North America’, die das
befreiungstheologische Zentrum ‘Sabeel’ in Ostjerusalem fördern. Er ist im Vorstand des
‘Israeli Committee Against House Demolition – USA’, der Menschenrechtsorganisation
des israelischen Aktivisten Jeff Halper. Außerdem hat er ‘Friends of Tent of Nations
North America’ mit gegründet, einen gemeinnützigen Verein zur Unterstützung
palästinensischer Landbesitzrechte im historischen Palästina. Zur Zeit leitet Braverman
Kairos USA, eine Bewegung, die amerikanische Christen zur Einnahme einer
prophetischen Haltung beim Einsatz für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina
motiviert. Grundlage dafür ist das von christlichen Palästinensern 2009 in Bethlehem
veröffentlichte Dokument ‘Kairos Palästina’ nach dem Vorbild von ‘Kairos Südafrika’ von
1985. Mit ihrem “Wort des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe” rufen sie zur
Beendigung der Besetzung palästinensischen Landes auf. Wie zuvor auf Konferenzen in
Bethlehem, in Amsterdam, auf Iona in Schottland und im englischen Kensington zur
Stärkung der internationalen kirchlichen Bewegung für die Unterstützung
palästinensischer Rechte wird Braverman im Juni 2015 beim Thementag zur Ergänzung
des Kirchentags in Stuttgart sprechen. Der Tag steht unter dem Titel “Gerechtigkeit
schafft Frieden in Palästina und Israel: Das Schweigen brechen”(www.gerechtigkeitschafft-
frieden.de).
Bravermans erstes Buch trägt den Originaltitel Fatal Embrace: Christians, Jews, and the
Search for Peace in the Holy Land (Beaufort Books, 2011). Auf deutsch im Gütersloher
Verlagshaus heißt es Verhängnisvolle Scham: Israels Politik und das Schweigen der
Christen. Darin zeichnet er seinen Lebensweg als Jude nach, der mit der schwierigen
Realität im modernen Israel ringt. Die Botschaft des Buches sowohl für Juden und
Christen ist deutlich: Es ist nicht antisemitisch, sich um Gerechtigkeit für die
Palästinenser zu bemühen. Bei der Beschreibung der theologischen und psychologischen
Triebkräfte hinter dem Diskurs in den USA, in Israel, innerhalb der jüdischen
Gemeinschaft und der Kirchen wendet sich Braverman dem Schrei der biblischen
Propheten nach Gerechtigkeit zu und der verwandelnden Kraft des Wirkens von Jesus,
um einen Weg in die Zukunft zu bahnen.
Bravermans zweites Buch A wall in Jerusalem: Hope, healing, and the struggle for
peace in Israel and Palestine, (Jericho Books, 2013) wird zur Zeit ins Deutsche übersetzt.
Seine Artikel, Predigten und sein Blog finden sich unter www.markbraverman.org.
Mark Braverman am Holocaust Mahnmal Berlin 2012 (Foto: Liva Haensel)
Mauern überwinden
Warum es mir in Deutschland um Israel und Palästina geht
Mark Braverman, jüdischer Psychologe und Autor aus den USA, Friedensaktivist für Israel und Palästina, „Verräter“ für die einen und „Prophet“ für die anderen, freut sich auf seine dritte Vortragsreise durch Deutschland vom 5. bis 17. Juni 2015.
Was mögen Sie an Deutschland?
An Deutschland gefällt mir besonders die Eisenbahn und das Bier. Langsam
verbessere ich auch mein Deutsch. Zuhause in Philadelphia haben wir jiddisch
gesprochen. Was mich hier fasziniert, ist, dass sich mein Feindbild auflöst, mit dem ich
aufgewachsen bin: Mein Jüdischsein war eine Bunker- und Opfermentalität. Unsere
beiden Hauptfeinde waren die Deutschen und die Araber, die einen in der Vergangenheit,
die anderen in der Gegenwart, weil sie den Staat Israel bedrohen.
Sie sprechen von Mauern, die Sie überwunden haben.
Ja, in Deutschland überwinde ich in mir diese psychologische Mauer, so wie ich 2006
die Mauer zu den Palästinensern durchbrochen habe, indem ich zum ersten Mal in das
Westjordanland gefahren bin, um ihnen zu begegnen.
Hier kristallisieren sich meine Themen. Ich sehe in den Deutschen mein Spiegelbild. Ich
habe bei ihnen das tiefe Bedürfnis gespürt, von ihren Mauern befreit zu werden.
Wie war das auf der anderen Seite der israelischen Mauer?
Das war vor sechs Jahren, als ich zum ersten Mal die Westbank besuchte. Ich
überwand die Mauer, die mein Volk gebaut hat, um sich vor dem angeblichen Feind zu
schützen. Den traf ich und siehe da: die Palästinenser hatten keine Angst vor mir. Ich hörte
ihr Narrativ von 1948, das von ihrer ethnischen Säuberung und Enteignung. Aber noch
wichtiger war, die Menschen selbst kennenzulernen und in ihnen meinen Bruder, meine
Schwester zu sehen. Sie umarmten mich. Sie waren dankbar für mein Kommen. Das war
ein starkes Bekehrungserlebnis.
Wie können denn die Israelis ihre Mauer überwinden?
Man kann sich nicht als Opfer oder als Täter definieren. Man bleibt immer in bezug auf
den anderen stecken. Beides ist zerstörerisch für die Seele. Was ich 2006 von der
Westbank-Seite der Mauer aus entdeckt habe, ist, dass es die Israelis sind, die sich
selbst gefangen genommen haben. Die Palästinenser wissen, wer sie sind. Sie werden
unterdrückt, aber sie haben keine Angst. Sie sind wütend, aber sie hassen Israel nicht.
Doch die israelische Gesellschaft basiert größtenteils auf Angst und Rassismus. Wie sie
über die Palästinenser reden, ist die Projektion ihrer Angst. So haben die jüdischen
Bürger Israels keine Zukunft. Sie werden erst ein nachhaltiges Projekt haben, wenn sie
bereit sind, die Mauer abzureißen, die Palästinenser zu integrieren und das Land zu
teilen. Es gibt genug für alle.
Warum funktioniert der Friedensprozess nicht?
Erstens weil die israelischen Regierungen das ganze Land haben und keinen
souveränen Staat Palästina zulassen wollen. Aber weil Israel die Palästinenser nicht
loswerden kann, so setzt es ein Maximum an Kontrolle und Beschränkung durch.
Zweitens sind die USA kein ehrlicher Makler, sondern meine Regierung ist Israels Bankier
und Rechtsanwalt. Das Wort ‚Nahostkonflikt‘ gaukelt vor, dass es sich um zwei
gleichrangige Konfliktpartner handelt. Aber des Übels Wurzel ist die fortgesetzte
Enteignung von Palästinensern. Wir haben das in Südafrika nicht akzeptiert und wir
können das hier auch nicht akzeptieren. Deswegen kommt es darauf an, dass eine
globale Bewegung von unten wächst, die das israelische Regime delegitimiert und die
Unterstützung unserer Regierungen für Israel nicht länger toleriert.
Und da sollen ausgerechnet die Deutschen mit ihrer Vergangenheit mitmachen?
Ja, Deutschland ist wichtig für diese Protestbewegung, aber auch anders herum: Sie
ist die Gelegenheit für die Deutschen, ihr Trauma des Dritten Reiches zu überwinden.
Denn sie haben es noch nicht überwunden. Solange sie es für unmöglich halten, die
Palästinenser zu unterstützen und damit die Israelis und Juden bei der Befreiung von
ihrer Angst zu unterstützen, solange bleiben Sie in den 1930er und 1940er Jahren des
20. Jahrhunderts stecken! Jetzt ist die Gelegenheit, sich zu emanzipieren!
Sie appellieren besonders an die Kirchen. Was sagen Sie denn den Bischöfen mit ihrer
offiziellen Haltung der besonderen deutschen Verantwortung gegenüber Israel, wegen
der man etwa den Boykott nicht unterstützen könne sondern immer im Dialog mit dem
jüdischen Volk bleiben müss?
Abgesehen davon, dass sie damit die Juden mit dem Staat Israel gleichsetzen, ist es
problematisch, dass beide, Deutsche und Juden, in ihrem Trauma gefangen gehalten
werden, wenn die Bischöfe so selbstbezogen in ihrer Rolle als Täter bleiben, die sühnen
müssen. Ich akzeptiere diese Idee der deutschen Besonderheit nicht, aber selbst wenn ich
sie gelten liesse und sie den Juden besonders hilfreich und liebevoll gegenüber sein
wollen, dann sollen sie die palästinensische Sache zu der ihren machen, den Staat Israel
mit seinen Menschenrechtsvergehen konfrontieren und ihn von seiner Rolle als
Unterdrücker befreien.
Leider geht es aber den meisten Bischöfen als Vertreter ihrer Institution vor allem darum,
ihre Kirchen, sich selbst und ihre Position vor der Zensur durch das jüdische
Establishment zu schützen.
Aber ist nicht das Ausmerzen der Judenfeindlichkeit im christlichen Glauben eine gute
Sache?
Zweifellos. Aber da fehlt der Jesus der Evangelien, der vor dem Tempel stand und sagte,
der wird zerstört werden und durch meinen Leib ersetzt werden. Jesus war der beste
Jude, sage ich immer. Er hat die Mächtigen herausgefordert und ist für die Armen und
Unterdrückten aufgestanden. Matthäus Kapitel 25! Ich bete für den Tag, an dem die
Christen nicht die Erlaubnis eines Juden brauchen, um Jesus wirklich nachzufolgen, aber
für den Moment sehe ich das als meine Aufgabe.
Was motiviert Sie?
Es ist die Gemeinschaft der Engagierten, das starke Gefühl der Zusammengehörigkeit.
So stark fühlte ich mich noch nie zugehörig. Ich fühle mich auch in den Kirchen zu Hause.
Nicht dass ich konvertiert bin, aber es ist, als hätte ich den größten Reformer des
Judentums, Jesus, umarmt. Mich für die Rechte der Palästinenser einzusetzen fühlt sich
jüdischer an als alles andere in meinem Leben.
Mit Mark Braverman sprach Christian Kercher, der ihn auf der Vortragsreise als Dolmetscher begleiten wird.
Mark Bravermans Bücher:
Verhängnisvolle Scham. Israels Politik und das Schweigen der Christen, Gütersloher
Verlagshaus, 2011
[Übersetzung in Vorbereitung:] A Wall in Jerusalem: Hope, Healing and the Struggle for
Justice in Israel and Palestine, Jericho Books, 2013